Mythen und Ammenmärchen rund ums Stillen
Was die Leute nicht alles über das Stillen wissen! Kaum hat sich nach der Geburt alles ein wenig eingespielt, werden Sie auch schon mit vermeintlich guten Ratschlägen eingedeckt - und dies natürlich meistens ungefragt. Hier einige Mythen und Ammenmärchen rund ums Stillen, die Sie getrost ignorieren können.
- Stillen funktioniert ganz von selbst
- Stillende Mütter müssen viel trinken, um genügend Milch zu produzieren
- Vom Stillen bekommt man einen Hängebusen
- Kleine Brüste geben weniger Milch als grosse Brüste
- Frauen, die stillen, verlieren die überschüssigen Schwangerschaftspfunde im Handumdrehen
- Mit Rückbildung und Sport sollte man erst nach dem Abstillen beginnen
- Stillen ist ein gutes Verhütungsmittel
- Koffein ist unbedenklich
- Bloss keine blähenden Lebensmittel essen!
- Das Baby muss die Brust leer trinken
- Bei einer Brustentzündung muss man abstillen
- Eine Frau, die Flach- oder Hohlwarzen hat, kann nicht stillen
- Die Milch reicht nicht
- Die Muttermilch ist zu dünn, darum wird das Baby nicht satt
- Nur wenn ein Baby richtig satt ist, schläft es durch
- Nach dem 6. Monat ist Muttermilch nicht mehr nahrhaft genug
- Schwangere dürfen nicht stillen
Stillen funktioniert ganz von selbst
Muttermilch ist die natürlichste Ernährung für ein Baby. Das heisst aber noch lange nicht, dass alles von Anfang an wie am Schnürchen klappt. Stillen muss erst einmal gelernt und geübt werden. Geben Sie darum nicht zu schnell auf, wenn Ihnen die Anfangsschwierigkeiten zu schaffen machen.
Stillende Mütter müssen viel trinken, um genügend Milch zu produzieren
Die Milchmenge richtet sich danach, wie oft und wie lange das Baby trinkt und nicht nach der Trinkmenge der Mutter. Wenn Sie über Ihren Durst hinaus trinken, kann dies die Milchproduktion sogar hemmen, da das Antidiuretische Hormon (ADH) deaktiviert wird und der Körper Wasser ausschwemmt. Richten Sie sich ganz nach Ihrem Durstgefühl.
Wenn Sie unsicher sind, ob Sie genügend trinken, achten Sie auf die Farbe Ihres Urins: Solange er nicht dunkelgelb ist, ist die Flüssigkeitszufuhr ausreichend.
Vom Stillen bekommt man einen Hängebusen
Es ist eine Tatsache, dass die weibliche Brust sich im Laufe der Jahre verändert. In der Pubertät nimmt sie ihre genetisch vorgegebene Form an, in der Schwangerschaft bereitet sie sich aufs Stillen vor und mit zunehmendem Alter verliert sie an Straffheit. Ob eine Frau stillt oder nicht, ändert daran nichts. Darum wäre es schade, aus lauter Angst vor einem Hängebusen auf die vielen Vorzüge des Stillens zu verzichten.
Kleine Brüste geben weniger Milch als grosse Brüste
Für das Stillen ist das Milchdrüsengewebe entscheidend. Grössere Brüste haben zwar mehr Fettgewebe, nicht aber in jedem Fall mehr Milchdrüsengewebe. Die Grösse der Brust hat also keinen Einfluss darauf, wie viel Milch produziert wird.
Frauen, die stillen, verlieren die überschüssigen Schwangerschaftspfunde im Handumdrehen
Es gibt sie tatsächlich, die Frauen, die in der Stillzeit schnell wieder ihr ursprüngliches Gewicht erreichen. Manche Frauen verlieren aber trotz erhöhtem Kalorienverbrauch nur langsam an Gewicht oder sie nehmen gar zu.
Ob Sie schnell abnehmen oder nicht, hängt von Ihrem Stoffwechsel ab. Setzen Sie sich auf keinen Fall unter Druck, wenn bei Ihnen die Schwangerschaftspfunde länger bleiben. Gesunde, ausgewogene Ernährung ist jetzt wichtiger als das Idealgewicht. Eine Radikaldiät würde ausserdem dazu führen, dass im Fettgewebe eingelagerte Schadstoffe freigesetzt werden und in die Muttermilch übergehen.
Mit Rückbildung und Sport sollte man erst nach dem Abstillen beginnen
Dies stimmt natürlich nicht. Bereits eine Woche nach der Geburt können Sie mit sanften Anspannungsübungen beginnen und die Intensität allmählich steigern, bis Sie nach 6 bis 8 Wochen einen Rückbildungskurs besuchen. Es spricht nichts dagegen, danach wieder mit einem sanften Sportprogramm zu beginnen.
Bewegung hilft, überschüssige Pfunde abzubauen, bringt den Kreislauf in Schwung, stärkt das Immunsystem und hebt die Stimmung. Das Gerücht, die Milch werde beim Sport sauer, stimmt natürlich nicht. Untersuchungen haben lediglich gezeigt, dass sich der Geschmack der Milch bei sehr intensivem Training geringfügig verändert.
Stillen ist ein gutes Verhütungsmittel
Stillen bietet zwar einen gewissen Schutz vor einer zu kurzen Schwangerschaftsfolge, ist jedoch niemals so zuverlässig wie moderne Verhütungsmethoden. Da die erste Menstruation nach der Geburt erst nach dem Eisprung erfolgt, ist den meisten Frauen gar nicht bewusst, dass der Zyklus wieder in Gang gekommen ist. Befassen Sie sich deshalb frühzeitig mit der Frage, wie Sie die Verhütung in der Stillzeit handhaben wollen.
Koffein ist unbedenklich
Ein Koffeinschub in Zeiten des Schlafmangels ist natürlich der Mutter sehr willkommen. Leider geht das Koffein auch in die Muttermilch über. Mehr als drei Tage braucht ein Baby, um den Stoff in seinem Körper abzubauen. Ausserdem kann das Koffein Bauchweh und Blähungen verursachen. Wenn Sie trotzdem nicht ganz auf Kaffee verzichten möchten, sollten Sie ihn gleich nach der Stillmahlzeit trinken, damit ein Grossteil des Koffeins bereits abgebaut ist, wenn das Baby wieder Hunger hat.
Bloss keine blähenden Lebensmittel essen!
Koliken machen dem Baby und den Eltern ganz schön zu schaffen. Kein Wunder, dass man nach Wegen sucht, sie zu vermeiden. Dass blähende Nahrungsmittel wie z. B. Hülsenfrüchte, Kohl und Lauch die Verdauungsprobleme verursachen, ist jedoch nicht erwiesen. Zu Blähungen kommt es beim Baby vermutlich aufgrund der Unreife des Verdauungstraktes und des Nervensystems.
Schränken Sie sich beim Essen nicht zum Vornherein unnötig ein, sondern essen Sie das, was Ihnen schmeckt. Wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Baby leide immer dann an Bauchkrämpfen, wenn Sie etwas Bestimmtes gegessen haben, verzichten Sie versuchsweise für eine Woche auf das Lebensmittel.
Das Baby muss die Brust leer trinken
Eine Schoppenflasche ist irgendwann leer - die Brust nicht, denn im Milchdrüsengewebe wird laufend Milch gebildet. Wenn sich die Brust weich anfühlt und die Milch nicht mehr so reichlich fliesst, können Sie das Baby auf der anderen Seite anlegen.
Bei einer Brustentzündung muss man abstillen
Früher wurde dies oft so gehandhabt, heute werden Mütter aber ermutigt, bei einer Brustentzündung weiter zu stillen. Wichtig ist jedoch, dass Sie sich viel Ruhe gönnen, sich von der Stillberaterin zeigen lassen, wie die Beschwerden gelindert werden können und sich in ärztliche Behandlung begeben, wenn die Beschwerden nach ein bis zwei Tagen nicht abgeklungen sind. Falls Sie Medikamente einnehmen müssen, wird darauf geachtet, dass diese für stillende Mütter geeignet sind.
Eine Frau, die Flach- oder Hohlwarzen hat, kann nicht stillen
Mit etwas Vorbereitung und einer Portion Geduld klappt das Stillen auch bei Frauen, die Flachwarzen oder Hohlwarzen haben. Lesen Sie unsere hilfreichen Tipps und lassen Sie sich von Ihrer Hebamme zeigen, wie Sie Ihr Baby trotzdem stillen können.
Die Milch reicht nicht
Eben noch hatte das Baby einen gut eingespielten Stillrhythmus – und auf einmal verlangt es andauernd die Brust. Dies bedeutet nicht, dass Sie zu wenig Milch haben. Vermutlich macht Ihr Baby gerade einen Wachstumsschub durch. Durch häufigeres Anlegen wird die Milchproduktion gesteigert und schon bald wird Ihr Baby wieder weniger Mahlzeiten brauchen, um richtig satt zu werden. Beim Stillen regelt nämlich die Nachfrage das Angebot.
Die Muttermilch ist zu dünn, darum wird das Baby nicht satt
Muttermilch sieht dünner und fettarmer aus als Kuhmilch. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass sie weniger nahrhaft ist. In ihrer Zusammensetzung ist sie genau auf die Bedürfnisse des Babys abgestimmt. So enthält zum Beispiel das Kolostrum, die "Vormilch", einen höheren Anteil an Protein, zusätzliche Vitamine sowie Antikörper, die das Neugeborene vor Infektionen schützen und Magen-Darm-Erkrankungen vorbeugen.
Nur wenn ein Baby richtig satt ist, schläft es durch
Es gibt zahlreiche Gründe, warum ein Baby nachts wach wird. Mal ist es der Hunger, mal ist es eine volle Windel, mal möchte es sich einfach vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Wenn das Baby nicht durchschläft, bedeutet dies nicht, dass es von der Muttermilch nicht satt wird und deshalb abends besser einen Schoppen bekommen sollte. Durchschlafen wird das Baby erst, wenn es gelernt hat, ohne die Hilfe der Eltern wieder in den Schlaf zu finden, nachdem es kurz aufgewacht ist.
Nach dem 6. Monat ist Muttermilch nicht mehr nahrhaft genug
Ab dem 5. bis 6. Lebensmonat sind das Verdauungssystem, die Nierenfunktion und der Stoffwechsel soweit entwickelt, dass das Baby Beikost vertragen kann. Die meisten Babys signalisieren jetzt ein deutliches Interesse am Essen.
Die Muttermilch hat damit aber nicht ausgedient, denn sie passt sich den Bedürfnissen des Kindes an. Die in ihr enthaltenen Antikörper sind jetzt, wo es zu krabbeln beginnt und alles in den Mund steckt, besonders wichtig. Zudem ist Stillen mehr als nur Nahrungsaufnahme. Die Nähe und Geborgenheit an der Brust schätzt das Baby auch noch, wenn es bereits auf allen vieren seine Welt erkundet.
Schwangere dürfen nicht stillen
Wenn ein Geschwisterkind unterwegs ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass Sie abstillen müssen. Sie können Ihr grösseres Kind getrost weiter stillen, solange es Ihren Körper nicht zu stark belastet. Möglicherweise verliert Ihr Kind jedoch von sich aus das Interesse am Stillen, weil sich der Geschmack der Muttermilch in der Schwangerschaft verändert.
Falls ein Risiko für Fehl- oder Frühgeburt besteht, sollten Sie sicherheitshalber abstillen.