Medikamente und Stillen
Viel zu häufig wird stillenden Müttern, die Arzneimittel einnehmen sollen, von den verschreibenden Ärzten und anderen Medizinalpersonen zum Abstillen geraten. Zwar findet sich praktisch jeder Arzneistoff messbar in der Muttermilch wieder. Aber die überwiegende Mehrheit der Medikamente erreicht in der Brustmilch lediglich Konzentrationen, die für den Säugling weit unter dem therapeutisch wirksamen Bereich liegen. Für fast jeden Behandlungsgrund lässt sich eine Therapie finden, die Weiterstillen erlaubt.
Unsicherheit besteht oft bei folgenden Situationen, in denen Abstillen jedoch in der Regel nicht gerechtfertigt ist:
„Anti-Baby-Pille“ (orale Kontrazeption)
Die "Pille danach" bei Versagen der Verhütungsmethode
Bromocriptin oder Cabergolin (wenn doch weitergestillt werden soll)
Lokalanästhesie (z.B. Spritze beim Zahnarzt)
Narkose (wenn die Mutter wieder in der Lage ist zu stillen, darf sie anlegen)
Kleinflächige und kurzfristige äussere Behandlungen von Hauterkrankungen
Tetrazykline, Sulfonamide und Co-Trimoxazol
Glukokortikoide (Cortison) in hoher Dosis, z.B. bei Asthmaanfall
Blutverdünnung mit Heparin (auch niedermolekulares)
Gängige Augen- und Nasentropfen bei kurzfristiger Anwendung
Impfungen der Mutter. Erlaubt sind Tot- und Lebendimpfstoffe mit Ausnahme der Polio-Lebendimpfung. Hier soll die Mutter nicht vor der Erstimpfung des Säuglings geimpft werden.
Berücksichtig werden muss grundsätzlich immer das Alter des Kindes: Eine Arzneimittel-Wirkung ist eher beim besonders empfindlichen Frühgeborenen und Neugeborenen zu erwarten als beim fünf Monate alten oder gar bei einem einjährigen Kind, das nur noch ein- bis zweimal pro Tag gestillt wird und deshalb nur noch etwa ein Viertel seiner Nahrung mit der „medikamentenbelasteten“ Milch deckt. Ebenfalls eine besondere Situation ergibt sich bei einer Langzeittherapie der stillenden Mutter, weil sich bestimmte Arzneimittel im kindlichen Körper ansammeln können, wenn Abbau und Ausscheidung noch nicht richtig funktionieren.
Ausserdem gilt:
Wo immer es möglich ist, sollte auch eine nicht-medikamentöse Behandlung erwogen werden.
Der Säugling muss sorgfältig beobachtet werden. Wenn sich das Trinkverhalten verändert, muss aber kein Arzneimitteleffekt vorliegen: Ebenso wie die mütterliche Ernährung kann auch ein Medikament Geruch und Geschmack der Milch verändern und zu „Trinkschwierigkeiten“ führen.
Wenn möglich sollte die Einnahme nach dem Stillen erfolgen.
Homöopathische Mittel sind in der Regel unbedenklich. Dies gilt nicht automatisch für alle Naturheilmittel und Tees, insbesondere bei langfristiger Anwendung. Vorsicht bei regelmässigem Konsum grosser Mengen von Kräuterteemischungen.
Grippe- und Erkältungsmittel sind häufig Kombinationspräparate und deshalb nicht empfehlenswert. Wenn Inhalation, reichlich Trinken, Umschläge etc. nicht ausreichen, dürfen Paracetamol, Acetylsalicylsäure und abschwellende Nasentropfen genommen werden.
Langzeittherapien mit Psychopharmaka oder Antiepileptika sollten optimalerweise nicht mit Kombinationspräparaten durchgeführt werden. Bei einmal täglicher Einnahme sollte das Medikament vor der längsten Stillpause eingenommen werden, in der Regel also abends.
Manche Arzneistoffgruppen wie Zytostatika, Immunsuppressiva und radioaktive Substanzen sind jedoch nicht mit dem Stillen vereinbar. Ist ihr Einsatz vorübergehend (z.B. radioaktive Kontrastmittel), reicht es aber oft, wenn das Stillen kurzfristig unterbrochen wird. Dazu pumpt die Mutter im voraus Milch ab. Während der Therapie und die erste Zeit danach kann die Mutter ihr Kind dann mit der vorher abgepumpten Muttermilch ernähren. Es ist wichtig, dass die Mutter während der Behandlung weiterhin Milch abpumpt, um die Milchproduktion aufrecht zu erhalten, auch wenn diese Milch verworfen werden muss. Nach Behandlungsende kann die Mutter wieder normal weiterstillen.
Jodhaltige Kontrastmittel, grossflächige jodhaltige Hautdesinfektion und Schleimlöser sind ungünstig. Die tägliche Jodideinnahme zur Behandlung einer Schilddrüsenvergrösserung ist dagegen kein Problem.
Manche Arzneistoffe können die Milchmenge reduzieren (Östrogene, Diuretika, Bromocriptin etc.) oder steigern (Metoclopramid, Domperidon, Neuroleptika) und so zu einem Milchstau führen.
Alkoholische Zubereitungen sollten bei wiederholter Einnahme vermieden werden.