Das Frucht­was­ser

Eine ganz be­son­de­re Flüs­sig­keit! Wie sie schmeckt, wel­che Men­ge nor­mal ist und was sie über Ihr Baby und sei­ne Ge­sund­heit aus­sagt.

Hebamme betastet den Babybauch der Schwangeren
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Ihr Baby fühlt sich im Frucht­was­ser sehr wohl. Es ist ge­schützt vor Druck und Stös­sen von aus­sen und kann sich dar­in re­la­tiv frei be­we­gen, bis es so gross ge­wor­den ist, dass es eng wird. Die wachs­ar­ti­ge weis­se Kä­se­schmie­re (Ver­nix ca­seo­sa), von der bei der Ge­burt häu­fig noch Res­te zu se­hen sind, schützt und sorgt da­für, dass die Haut im Frucht­was­ser nicht zu sehr auf­weicht.

Der Frucht­was­ser-Kreis­lauf


Schon gleich nach der Ein­nis­tung der be­fruch­te­ten Ei­zel­le be­gin­nen die win­zi­gen Häu­te der Frucht­bla­se mit der Pro­duk­ti­on von Frucht­was­ser. Ab der 14. Le­bens­wo­che trinkt das Un­ge­bo­re­ne Frucht­was­ser in klei­nen Schlu­cken und schei­det es über sei­ne Nie­ren und Harn­bla­se wie­der aus. Ge­gen Ende der Schwan­ger­schaft wird das Frucht­was­ser etwa alle drei Stun­den kom­plett aus­ge­tauscht. Der Frucht­was­ser-Kreis­lauf trai­niert so schon vor der Ge­burt die Nie­ren- und Schluck­funk­ti­on.

Stö­run­gen in die­sem Kreis­lauf sind im Ul­tra­schall meist gut er­kenn­bar und deu­ten auf eine fe­ta­le Fehl­bil­dung im Ver­dau­ungs- oder Harn­trakt hin:

  • Zu viel Frucht­was­ser (Po­ly­hy­dram­ni­on oder Hy­dram­ni­on) heisst, dass die Auf­nah­me des Frucht­was­sers blo­ckiert ist, zum Bei­spiel durch eine Spei­se­röh­ren­ver­en­gung.

  • Zu we­nig Frucht­was­ser (Oligo­hy­dram­ni­on) kann be­deu­ten, dass die Nie­ren nicht gut ar­bei­ten oder ein Hin­der­nis beim Uri­n­ab­fluss be­steht.

Wie viel Frucht­was­ser ist nor­mal?


Die nor­ma­le Frucht­was­ser­men­ge liegt in der 10. Wo­che bei ca. 30 ml, in der 20. Wo­che bei ca. 350-500 ml und in der 36. Wo­che bei 1000 bis 1500 ml. Da­nach ver­rin­gert sich die Frucht­was­ser­men­ge mit je­der Wo­che um ca. 100 ml.

Nor­ma­les Frucht­was­ser sieht gelb­lich-klar aus und ist von Urin op­tisch kaum zu un­ter­schei­den. Am Ge­burts­ter­min ist es al­ler­dings durch die ent­hal­te­nen Ver­nix­flo­cken von der Kä­se­schmie­re oft gelb­lich-trüb.

Wie schmeckt Frucht­was­ser?


Frucht­was­ser ist aus vie­len Nähr­stof­fen, Mi­ne­ra­li­en und be­stimm­ten Hor­mo­nen aus der Pla­zen­ta zu­sam­men­ge­setzt. Frucht­was­ser nährt zwar nicht, aber das Un­ge­bo­re­ne braucht die Flüs­sig­keit, um die Kör­per­funk­tio­nen (Nie­ren und Ver­dau­ungs­trakt) zu trai­nie­ren. In der 20. Schwan­ger­schafts­wo­che trinkt das Baby im­mer­hin ei­nen gan­zen Li­ter Frucht­was­ser pro Tag.

Frucht­was­ser schmeckt nor­ma­ler­wei­se leicht süss­lich - etwa so süss wie eine Tas­se Tee mit ei­nem Löf­fel Zu­cker. Fach­leu­te mei­nen, dass Ba­bys des­halb nach der Ge­burt süs­se Ge­trän­ke und Nah­rung am liebs­ten ha­ben. Der Ge­schmack des Frucht­was­ser än­dert sich aber ge­ring­fü­gig je nach Er­näh­rung (kul­tu­rel­le Un­ter­schie­de, z.B. schar­fes Es­sen oder Ge­brauch von Knob­lauch), Koh­len­hy­drat­stoff­wech­sel (z.B. müt­ter­li­cher Dia­be­tes mel­li­tus) und Hor­mon­sta­tus der Mut­ter oder nach ei­ner Urin­aus­schei­dung des Kin­des. Das sti­mu­liert den Ge­schmacks­sinn des Un­ge­bo­re­nen.

In­ter­es­sant: Wird ins Frucht­was­ser eine bit­ter schme­cken­de Sub­stanz ge­spritzt, hö­ren Fe­ten in der 32. SSW so­fort mit dem Trin­ken auf. Um­ge­kehrt schlu­cken die Klei­nen dop­pelt so viel, wenn das Frucht­was­ser von aus­sen mit Süss­stoff an­ge­rei­chert wur­de.

Vor­zei­ti­ger Bla­sen­sprung: Frucht­was­ser ist am pH-Wert er­kenn­bar


Der Säu­re­ge­halt ei­ner Flüs­sig­keit wird durch den sog. pH-Wert an­ge­ge­ben: Je sau­rer, des­to nied­ri­ger ist der pH-Wert. Der pH-Wert von Frucht­was­ser liegt bei über 6,5. Nor­ma­le pH-Wer­te für den Schei­den­ein­gangs­be­reich lie­gen zwi­schen 4,0 und 4,4. Durch Mes­sung des pH-Wer­tes in der Schei­de mit spe­zi­el­len Test­hand­schu­hen oder In­di­ka­tor­stäb­chen kann also recht gut be­stimmt wer­den, ob Frucht­was­ser ab­ge­gan­gen ist (vor­zei­ti­ger Bla­sen­sprung) oder ob es sich bei der ab­ge­gan­ge­nen Flüs­sig­keit um Urin oder nor­ma­len Schei­den­aus­fluss han­delt. Das zu un­ter­schei­den ist sehr wich­tig: Ein vor­zei­ti­ger Bla­sen­sprung kann zu ei­ner In­fek­ti­on des Frucht­was­sers füh­ren - was vor­zei­ti­ge We­hen und eine an­schlies­sen­de Früh­ge­burt nach sich zie­hen kann.

Haut­zel­len im Frucht­was­ser zur Prä­na­tal­dia­gnos­tik


Die Be­stand­tei­le des Frucht­was­sers spie­len auch eine gros­se Rol­le bei der vor­ge­burt­li­chen Dia­gnos­tik: Ab­ge­schil­fer­te Haut­zel­len des Fe­ten, die im Frucht­was­ser schwim­men, kön­nen bei der Am­nio­zen­te­se (Frucht­was­ser­punk­ti­on) mit dem Frucht­was­ser ent­nom­men und auf ih­ren Chro­mo­so­men­satz  hin un­ter­sucht wer­den. So er­hält man eine höchst zu­ver­läs­si­ge Aus­kunft dar­über, ob beim Un­ge­bo­re­nen eine Chro­mo­so­men­stö­rung vor­liegt.

Sind die Lun­gen schon reif ge­nug für die Ge­burt?


Un­ter­sucht man die Phos­pho­li­pi­de im Frucht­was­ser, kann man die fe­ta­le Lun­gen­rei­fe ab­schät­zen. Das ist be­son­ders dann eine wich­ti­ge Be­stim­mung, wenn es um die The­ra­pie vor­zei­ti­ger We­hen­tä­tig­keit, den Ein­satz von Cor­ti­cos­te­roi­den und die Ver­hin­de­rung ei­ner Früh­ge­burt geht.

Wei­te­re Un­ter­su­chun­gen am Frucht­was­ser


Bei ei­ner Blut­grup­pen­un­ver­träg­lich­keit (z.B. des Rhe­sus-Fak­tors) kann an der Kon­zen­tra­ti­on des Bi­li­ru­bins im Frucht­was­ser er­kannt wer­den, wie ge­fähr­det das Un­ge­bo­re­ne ist.

Die Er­re­ger ver­schie­de­ner in­trau­te­rin er­wor­be­ner In­fek­tio­nen, z.B. To­xo­plas­mo­se und Lis­te­rio­se, kön­nen eben­falls im Frucht­was­ser nach­ge­wie­sen wer­den.

Vor und wäh­rend der Ge­burt kann man an der Far­be des Frucht­was­sers be­ur­tei­len, ob das Baby schon in der Ge­bär­mut­ter Kinds­pech (Me­ko­ni­um) aus­ge­schie­den hat. Be­son­ders bei sehr lan­gen Ge­bur­ten (wie durch We­hen­schwä­che oder Ge­burts­still­stand), also ei­ner Stress­si­tua­ti­on für das Kind mit schlech­ter Sauer­stoff­ver­sor­gung, wird der Darm we­ni­ger durch­blu­tet. Das ver­ur­sacht ver­stärk­te Darm­be­we­gun­gen und die Er­schlaf­fung des Schliess­mus­kels. Ein vor­zei­ti­ger Ab­gang des Darm­in­halts mit Grün­fär­bung des Frucht­was­sers kann also ein Hin­weis sein auf "fe­tal dis­tress", d.h. dem Kind geht es nicht mehr so gut.

FAQHäu­fi­ge Fra­gen zum The­ma

Wenn eine Schwan­ge­re zu­viel Frucht­was­ser hat, be­zeich­net man das auch als Po­ly­hy­dram­nie oder Po­ly­hy­dram­ni­on. Das ist noch kei­ne Krank­heit an sich, son­dern zu­nächst ein­mal nur ein Sym­ptom. Das heisst, man soll­te ge­nau­er nach­se­hen, ob et­was Ernst­haf­tes da­hin­ter­steckt. Bei 90% al­ler Schwan­ge­ren mit …
Frucht­was­ser muss aus­rei­chend vor­han­den sein, dami die fe­ta­le Lun­gen­rei­fung un­ge­stört er­fol­gen kann. Des­halb wird bei je­der Ul­tra­schall­un­ter­su­chung spe­zi­ell auf die­ses Merk­mal ge­ach­tet. Wenn die Frucht­was­ser­men­ge ver­rin­gert ist (Oligo­hy­dram­ni­on), muss mög­lichst rasch die Ur­sa­che ab­ge­klärt und - …
Da kön­nen Sie ei­gent­lich nur re­la­tiv si­cher sein, wenn sich beim Bla­sen­sprung das Frucht­was­ser schwall­ar­tig er­giesst. Es ist prak­tisch farb­los und riecht süss­lich, nicht wie der ty­pi­sche Urin. Wenn es sich da­ge­gen um sehr we­nig Flüs­sig­keit han­delt, kön­nen Sie das nicht si­cher un­ter­schei­den. Dann …
Grund­sätz­lich kann man an den Frucht­was­ser­zel­len kind­li­che Chro­mo­so­men­stö­run­gen fest­stel­len, denn die­se Zel­len stam­men vom Kind. Am häu­figs­ten kommt es vor, dass je­weils ein Chro­mo­som zu­viel vor­han­den ist, wie beim Down Syn­drom (Tri­so­mie 21), sel­te­ner bei der Tri­so­mie 18 und 13. Aus­ser­dem kann man …
Letzte Aktualisierung: 17.01.2022, BH

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