Behandlung des Eisenmangels in der Schwangerschaft
Interview mit Prof. Dr. med. Daniel Surbek
swissmom: Warum ist ein Screening der Eisenwerte mit und/oder Anämie in der Schwangerschaft wichtig? Hat frau bei einem Eisenmangel immer eine Blutarmut? Können Sie dies näher erklären?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Die Entwicklung des Fetus während der Schwangerschaft benötigt Eisen, welches vom mütterlichen Organismus durch die Placenta zum Fetus gelangt. Aus diesem Grunde benötigt der mütterliche Organismus während der Schwangerschaft mehr Eisen zur Versorgung des Kindes als vor der Schwangerschaft. Wenn eine ungenügende Menge Eisen mit der Nahrung aufgenommen wird, kommt es im Verlauf der Schwangerschaft zunächst zu einem Eisenmangel und in dessen Folge zu einer Anämie (Blutarmut). Eine solche Eisenmangelanämie kann schädlich sein für das ungeborene Kind, indem gehäuft vorgeburtliche Wachstumsretardierungen und Frühgeburten auftreten. Zudem führt ein Eisenmangel bei der Schwangeren zu körperlichen Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Schwäche. Aus diesen Gründen ist es wichtig, ein Screening auf Eisenmangel respektive Anämie bei jeder Schwangeren durchzuführen.
Prof. Dr. med. Daniel Surbek ist Chefarzt an der Frauenklinik des Inselspitals Bern und verantwortlich für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin.
swissmom: Bei Schwangeren herrscht oft Unsicherheit, was untersucht wird. Hämoglobin, Hämotokrit, Ferritin und die Erythrocytenindizes werden bestimmt. Was bedeutet dies? Und wann spricht man von Eisenmangel. Können Sie dies kurz und verständlich erklären?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Die Eisenreserven bestimmt man am einfachsten zu Beginn der Schwangerschaft mit dem sog. Ferritin. Eine Anämie kann man durch die Bestimmung des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff) und der Erythrocyten (rote Blutkörperchen) erkennen. Die Erythrocytenindices beschreiben Grösse und Hämoglobingehalt der Erythrocyten, woraus auf die Ursache einer allfälligen Anämie geschlossen werden kann. Wenn bereits zu Beginn der Schwangerschaft niedrige Eisenreserven vorhanden sind, empfiehlt es sich, Eisenpräparate zu nehmen, um einer Eisenmangelanämie vorzubeugen. Auch wenn zu Beginn genügend Eisenreserven vorhanden sind, kann sich dies im Verlaufe der Schwangerschaft ändern, weswegen wiederholte Kontrollen des Hämoglobins gemacht werden sollten.
swissmom: Welche Ursachen führen zu einem Eisenmangel bei Frauen und insbesondere bei Schwangeren?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Grundsätzlich kann ein Eisenmangel durch drei hauptsächliche Mechanismen entstehen: Verminderte Eiseneinnahme mit der Nahrung, verminderte Eisenaufnahme im Darm aus der Nahrung oder vermehrter Verlust durch chronischen Blutverlust, z.B. durch starke Periodenblutungen (Hypermenorrhoe). Bei Schwangeren besteht einerseits ein vermehrter Eisenbedarf, andererseits ist die Nahrungsaufnahme oft verändert, beispielsweise gerade in den ersten drei Monaten aufgrund von wiederholter Übelkeit.
swissmom: Bleibt der Bedarf während der Schwangerschaft gleich oder steigt er mit wachsendem Bauch?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Eisen wird in verschiedensten Organen des Kindes benötigt, beispielsweise zur Blutbildung, zum Knochenaufbau, zur Hirnbildung und anderem. Der Eisenbedarf des Fetus nimmt im Verlaufe der Schwangerschaft zu und ist im letzten Schwangerschaftsdrittel am grössten. Der Organismus bereitet sich damit auf die Geburt vor, bei der es immer zu einem gewissen Blutverlust kommt. Gerade deshalb ist es auch wichtig, dass vor der Geburt genügend Eisen respektive Hämoglobin vorhanden ist, damit bei einer stärkeren Blutung nach der Geburt möglichst keine Bluttransfusionen verabreicht werden müssen.
swissmom: Kann frau einen Ferritin- (Eisen-)mangel mit Nahrung allein ausgleichen?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Der Ferritinwert im Blut widerspiegelt die Eisenreserven im Körper der Schwangeren. Wenn der Ferritinwert zu tief ist, sind die Eisenspeicher bereits leer. Eine Korrektur des Eisenmangels und ein Auffüllen der Eisenspeicher ist alleine mit der Nahrung kaum möglich, weswegen in dieser Situation eine Eisenbehandlung empfohlen wird. Ansonsten sind Nahrungsmittel wie rotes Fleisch, Getreideflocken, Vollkornprodukte, Nüsse oder Hülsenfrüchte gute Quellen für Eisen. Sie sind wichtig für eine ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft.
swissmom: Wie wirkt sich ein gut eingestellter Eisenspiegel auf den Schwangerschaftsverlauf und das Kind aus? Gibt es da tatsächlich Vorteile?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Hauptvorteil des gut eingestellten Eisenspiegels sind die Verhinderung der eisenmangelbedingten Anämie und die Vermeidung von Eisenmangel-Symptomen bei der Schwangeren. Es gibt bisher noch keine Studien beim Menschen, welche Nachteile eines reinen Eisenmangels ohne Anämie für den Fetus belegen. Möglicherweise „nimmt“ sich der Fetus die Menge Eisen aus dem mütterlichen Organismus, welches er benötigt, auch wenn die Mutter einen Mangel hat; hier ist aber einiges noch nicht bekannt. Wir selbst an der Frauenklinik Bern sind zur Zeit daran, in einem vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützen Forschungsprojekt die genauen Regluationsmechanismen des Eisentransportes in der Placenta zu untersuchen.
swissmom: Wie wird ein diagnostizierter Eisenmangel therapiert? Tabletten oder Infusionen, was empfehlen Sie?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Die Richtlinien sind klar: In jedem Falle sollte zuerst eine Behandlung mittels Eisentabletten erfolgen. Leider gibt es nicht wenige Schwangere, welche diese Behandlung schlecht vertragen und beispielsweise Übelkeit, Bauchkrämpfe oder Verstopfung davon kriegen, weswegen dann auf eine intravenöse Eiseninfusion umgestellt werden muss. Dennoch möchte ich an dieser Stelle davor warnen, ohne vorherigen Versuch der Behandlung mit Eisentabletten direkt Eiseninfusionen in der Schwangerschaft machen zu lassen, so wie dies von einigen nicht immer ganz seriösen sogenannten „Eisenzentren“ in der Schweiz teilweise propagiert wird. Die Eiseninfusion in der Schwangerschaft muss den Frauen vorbehalten sein, welche die Tabletten nicht vertragen oder bei welchen die Eisenaufnahme im Darm ungenügend ist, d.h. wenn der Hämoglobinwert nicht ansteigt.
swissmom: Manche Frauen haben mit Eisentabletten Nebenwirkungen wie Verstopfung und Übelkeit und nehmen darum die Tabletten ungern. Was gibt es da für Einnahmetricks, um die Verträglichkeit zu verbessern?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Die Eisentabletten können zusammen mit oder direkt nach dem Essen eingenommen werden, am besten in zwei Raten. Dies verbessert die Magenverträglichkeit; allerdings kann die vermehrte Tendenz zur Verstopfung damit nicht verbessert werden. Die Aufnahme wird in Kombination mit Vitamin C (z.Bsp. Orangensaft) oder sauren Lebensmitteln (Tomatensauce) verbessert. Hingegen hemmen Calcium, Zink, Mangan, Phosphate (Softdrinks wie Cola), Ballaststoffe, Milch, Schwarztee, Koffein oder säurebindende Medikamente die Eisenresorption im Körper.
swissmom: Reicht eine Therapie mit Tabletten nicht aus, können im zweiten und dritten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) auch Infusionen verabreicht werden. Neben dem seit den 1990-er Jahren verwendeten Eisen-III-Saccharat wird heute die Eisencarboxymaltose intravenös verwendet. Was sind die Vorteile des neuen Präparates?
Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Beide Präparate sind in der Schweiz im 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel zugelassen und können verwendet werden. Das neue Eisencarboxymaltose-Präparat hat den Vorteil, dass es besser verträglich ist und somit auch in höheren Dosen verabreicht werden kann. Damit ist meist eine Infusion in der Schwangerschaft genügend, im Gegensatz zum Eisen-III-Sacharat, bei welchem es mehrere Infusionen braucht. Dies belegt eine schweizerische Studie, welche wir zusammen mit der Frauenklinik Genf an über 200 Schwangeren mit Eiseninfusionen gemacht haben. Deshalb wird Eisencarboxymaltose von den meisten Gynäkologinnen und Gynäkologen in der Schweiz bevorzugt. Für beide Präparate – sowohl für das alte wie auch für das neue – gibt es noch keine grossen Langzeitstudien bei Schwangeren. Bis die Ergebnisse dieser z. Zt. laufenden Studien vorhanden sind, muss der Arzt in jedem Falle Nutzen und Risiken der Eiseninfusion in der Schwangerschaft gut abwägen.