3D-Ul­tra­schall in der Schwan­ger­schaft

In­ter­view mit Prof. Dr. med. Sev­gi Tercan­li

Schwangere mit Ultraschallbildern

swiss­mom: Ul­tra­schall kennt jede Schwan­ge­re. Was ist ei­gent­lich an­ders bei ei­ner 3D-Ul­tra­schall-Un­ter­su­chung?

Prof. Tercan­li: Zu­nächst ein­mal un­ter­schei­det sich der Un­ter­su­chungs­ab­lauf nicht von ei­ner nor­ma­len zwei­di­men­sio­na­len Ul­tra­schall-Un­ter­su­chung. Sie wird mit ei­ner Ul­tra­schall­son­de über die Bauch­de­cke oder von der Schei­de her durch­ge­führt. Aber das ent­ste­hen­de Bild ist an­ders: Die drei­di­men­sio­na­le Be­trach­tung (3D) er­mög­licht eine räum­li­che Dar­stel­lung des un­ge­bo­re­nen Kin­des bzw. ein­zel­ner Or­ga­ne und Kör­per­par­ti­en. Dazu wer­den nor­ma­le Ul­tra­schall­schnitt­bil­der von ei­ner be­weg­li­chen Son­de drei­di­men­sio­nal zu­sam­men­ge­setzt. Mit auf­wän­di­ger Com­pu­ter­tech­nik wer­den dann Vo­lu­men- oder Ober­flä­chen­bil­der be­rech­net, die für den Be­trach­ter sehr echt wir­ken und das Kind bes­ser er­ken­nen las­sen. 

Zur Per­son

Prof. Dr. med. Sevgi Tercanli

Frau Prof. Dr. med. Sevgi Tercanli ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe FMH und spezialisiert auf Peri- und Pränatalmedizin, DEGUM III.

swiss­mom: Kann man mit der 3D-So­no­gra­fie also mehr und ge­nau­er se­hen?

Prof. Tercan­li: In der Pres­se und im Fern­se­hen wird die 3D-Tech­nik pau­schal häu­fig mit ei­ner bes­se­ren Qua­li­tät gleich­ge­setzt. Das ist aber durch­aus nicht im­mer rich­tig. In der Re­gel wer­den die Be­fun­de im nor­ma­len sog. B-Bild Ver­fah­ren er­kannt und die 3D-So­no­gra­phie ist eine er­gän­zen­de Un­ter­su­chung. Ent­schei­dend für ein gu­tes 3D-Bild sind die Un­ter­su­chungs­be­din­gun­gen. Ei­nen Vor­teil bie­tet 3D-Ul­tra­schall in man­chen Fäl­len, wenn der Ver­dacht auf be­stimm­te kör­per­li­che Be­son­der­hei­ten (Ge­sichts-Spal­ten so­wie For­men von Neural­rohr­fehl­bil­dun­gen wie Spi­na bi­fi­da) be­steht. Ober­flä­chen­ver­än­de­run­gen kön­nen mit ei­nem hoch­auf­lö­sen­den 3D-Ul­tra­schall bes­ser ge­se­hen und dann evtl. in ih­rer Aus­prä­gung und Be­han­del­bar­keit bes­ser ein­ge­schätzt wer­den. In den letz­ten Jah­ren zeig­te sich, dass die 3D-So­no­gra­phie sehr hilf­reich ist bei der Un­ter­su­chung des kind­li­chen Ge­hirns. Da­durch, dass in 3 Ebe­nen und in ver­schie­de­nen Schnit­ten die fe­ta­len Hirn­struk­tu­ren un­ter­sucht wer­den, kön­nen die nor­ma­len Be­fun­de bes­ser zu­sätz­lich be­ur­teilt wer­den. In Zu­kunft sind mit der ver­bes­ser­ten Tech­nik vor al­lem bei der Dia­gnos­tik des kind­li­chen Her­zens grös­se­re Fort­schrit­te zu er­war­ten. 

Grund­sätz­lich gilt für jede Art von Ul­tra­schall: Wie gut das Un­ge­bo­re­ne mit sei­nen ein­zel­nen Or­ga­nen zu se­hen ist und ob z.B. auch Fehl­bil­dun­gen er­kannt wer­den kön­nen, hängt we­sent­lich vom Un­ter­su­chungs­ge­rät, den Un­ter­su­chungs­be­din­gun­gen und auch dem Kön­nen des Arz­tes oder der Ärz­tin ab. Ein gros­ses Pro­blem sind aber schlech­te Be­din­gun­gen auf der müt­ter­li­chen und kind­li­chen Sei­te: Län­ge­re Stre­cke bis zu der zu un­ter­su­chen­den Stel­le, Bauch­la­ge des Kin­des, eine an der Vor­der­wand lie­gen­de Pla­zen­ta, we­nig Frucht­was­ser oder echo­di­ch­te bzw. sehr di­cke Bauch­de­cken las­sen eine gute 3D-Dar­stel­lung re­la­tiv häu­fig nicht gut zu. Im Durch­schnitt sind aus­rei­chen­de Sicht­ver­hält­nis­se, je nach Schwan­ger­schafts­wo­che, in ca. 80%  der Un­ter­su­chun­gen zu er­war­ten. 

swiss­mom: Wann ist die bes­te Zeit für eine 3D-Un­ter­su­chung? Wo wer­den 3D-Un­ter­su­chun­gen ge­macht und wel­che Kos­ten sind da­mit ver­bun­den?

Prof. Tercan­li: Am güns­tigs­ten für 3D-Auf­nah­men sind die 12. bis 16. Schwan­ger­schafts­wo­che (für Bil­der vom gan­zen Kör­per) und die 25. bis 33. Schwan­ger­schafts­wo­che (für De­tail­bil­der ein­zel­ner Or­ga­ne). Auch frü­he­re und spä­te­re Un­ter­su­chungs­zeit­punk­te sind aber prin­zi­pi­ell mög­lich. Manch­mal wer­den 3D-Auf­nah­men mit ei­nem NT-Scree­ning (= Mes­sung der Na­cken­trans­pa­renz des Un­ge­bo­re­nen) am Ende des ers­ten Schwan­ger­schafts­drit­tels kom­bi­niert. 3D-Ge­rä­te ste­hen heu­te in vie­len ge­burts­hilf­li­chen Zen­tren zur Ver­fü­gung. Ihr Frau­en­arzt oder Ihre Frau­en­ärz­tin kann Ih­nen si­cher Emp­feh­lun­gen ge­ben. Auch die je­wei­li­gen Zu­satz­kos­ten, die Sie nor­ma­ler­wei­se selbst tra­gen müs­sen, soll­ten Sie di­rekt bei dem Un­ter­su­cher an­fra­gen, ins­be­son­de­re wenn Sie zu­sätz­lich zu den vor­ge­se­he­nen Ul­tra­schall­ter­mi­nen eine 3D-Un­ter­su­chung nur für Bil­der wün­schen.

swiss­mom: 3D-Ul­tra­schall wird auch als "Baby-Fa­cing" oder "Schwan­ger­schafts-TV" be­zeich­net. Ist es nicht ver­ständ­lich, dass wer­den­de El­tern ihr Baby ger­ne se­hen?

Prof. Tercan­li: Für die meis­ten wer­den­den El­tern (und auch für die Vä­ter!) ist es ein be­son­de­res Er­leb­nis, ihr un­ge­bo­re­nes Kind be­reits Mo­na­te vor der Ge­burt an­se­hen und be­ob­ach­ten zu kön­nen. Man­che 3D-Auf­nah­men se­hen ja fast wie Por­trät­fo­tos aus. Und das kann si­cher zu ei­ner in­ten­si­ve­ren El­tern-Kind-Bin­dung bei­tra­gen. 

Das heisst aber nicht, dass eine 3D-Ul­tra­schall-Un­ter­su­chung nur ge­macht wird, weil die El­tern das Ge­sicht ih­res Kin­des an­schau­en möch­ten. Auch die­ses Ul­tra­schall­ver­fah­ren ist eine me­di­zi­ni­sche Tech­nik und soll­te - wie alle prä­na­tal­dia­gnos­ti­schen Un­ter­su­chun­gen - der Fest­stel­lung bzw. nä­he­ren Be­trach­tung von Be­son­der­hei­ten beim Un­ge­bo­re­nen die­nen. Kein Kind soll­te nur teil­wei­se oder ober­fläch­lich "an­ge­schaut" wer­den, es muss im­mer eine kom­plet­te Dia­gnos­tik durch­ge­führt wer­den, um wich­ti­ge Ver­än­de­run­gen nicht zu über­se­hen. Da­her ist bei uns eine 3D-Un­ter­su­chung al­lein zur Er­stel­lung von Er­in­ne­rungs­fo­tos oder -vi­de­os nicht sinn­voll und wird se­ri­ös nur kom­bi­niert an­ge­bo­ten. Grund­sätz­lich sind die Bil­der je­doch zu­neh­mend bes­ser ge­wor­den und kön­nen leich­ter und schnel­ler er­stellt wer­den. Wenn tech­nisch mög­lich, ge­ben wir El­tern im Rah­men der Ul­tra­schall­ab­klä­run­gen nach Aus­schluss von Fehl­bil­dun­gen na­tür­lich gern auch ein 3D–Bild ohne Zu­satz­kos­ten mit.

swiss­mom: Gibt es auch schon den 4D-Ul­tra­schall?

Prof. Tercan­li: Ja, dann kommt zu den drei räum­li­chen Di­men­sio­nen noch als vier­te die Zeit hin­zu. Beim 4D-Ul­tra­schall er­zeugt das Ul­tra­schall­ge­rät ein drei­di­men­sio­na­les Bild des Un­ter­su­chungs­ob­jekts in Echt­zeit. Aus die­sem Grund wird der 4D-Ul­tra­schall auch Live-3D-Ul­tra­schall ge­nannt. Man er­kennt dann wäh­rend der Un­ter­su­chung na­he­zu zeit­gleich die Be­we­gun­gen im 3D-Bild.

Letzte Aktualisierung: 03.08.2016, BH

Mehr zum The­ma

Ak­tu­el­les

kurz&bündigkurz&bündig
9/18/2023
Kind mit Smartphone

Lan­ge Bild­schirm­zeit im 1. Le­bens­jahr kann Ent­wick­lung stö­ren

In ei­ner ak­tu­el­len Stu­die wur­de fest­ge­stellt, dass Kin­der, die im ers­ten Le­bens­jahr viel Zeit vor Bild­schir­men …

Neu­es­te Ar­ti­kel

Unsere Partner