Schwangerschaftsgymnastik im Wasser
Interview mit Brigitte Schwarz-Aeschbacher
swissmom: Viele Schwangere möchten weiter Sport treiben, merken aber, dass sie im normalen Training nicht mehr mithalten können. Der Bauch wird hart und schmerzt, der Atem wird kürzer. Ist Schwangerschaftsgymnastik im Wasser eine Alternative zum Training?
Brigitte Schwarz-Aeschbacher: Unbedingt! Schwangere sind hier unter sich. Die Gruppendynamik ist vollkommen anders. Die Übungen sind modifiziert und ich achte sehr auf eine moderate Form in Intervallen. Die Pulsfrequenz wird nie zu hoch, die Kreislaufbelastung moderater als im normalen Training. Es soll nicht Kraft und Ausdauer aufgebaut werden sondern erhalten bleiben.
Brigitte Schwarz-Aeschbacher ist Gymnastikpädagogin GDS, Feldenkraispädagogin SFV, Pilates Expertin SAFS, Yoga YTT 200 und Craniosacral Therapeutin BCST. Sie leitet die mueven Bewegungs- und Gesundheitswerkstatt in Grünenmatt. Sie ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.
swissmom: Bewegung ist gut für das werdende Baby und beeinflusst den Geburtsverlauf positiv. Wozu aber im Wasser?
Brigitte Schwarz-Aeschbacher: Wasser trägt. Mit seinen 3 % hydrostatischem Druck entlastet es nicht nur die Haltemuskulatur. Es unterstützt u.a. das Lymphsystem, d.h. die schweren Beine werden leichter, weil das angestaute Wasser durch den Druck und die speziellen Uebungen im Wasser leichter zurückfliesst. Bereits gehen oder Aquajoggen stimulieren den venösen Rückfluss und das lymphathische System. Es braucht keine besondere Begabung, um Freude an der Bewegung im Wasser zu haben. Das Wasser trägt, es geht nicht um Leistung es geht darum, sich an dem zu freuen, was durch den Auftrieb des Wassers in der Schwangerschaft leichter wird und im Gegensatz zum „Trockentraining“ leichter möglich ist.
swissmom: Viele Schwangere haben oft Rückenschmerzen und Schwimmen wird daher empfohlen. In der Bauchlage zieht der Bauch aber oft stark und die Rückenlage kann auch unangenehm sein. Was empfehlen Sie?
Brigitte Schwarz-Aeschbacher: Sowohl Crawl- wie auch Brustbeinschlag aktivieren die gerade Bauchmuskulatur. Der Bauch wird in die Länge gezogen. Das kann durchaus unangenehmes Ziehen im Bauch verursachen. In Rückenlage kann das Bauchgewicht bereits auf die Vena Cava (Hohlevene hinter dem Bauch) drücken. Ein unangenehmes Gefühl als Warnung für die Mutter entsteht. In der Aquagymnastik für Schwangere tragen wir diesem Umstand Rechnung. Wir unterstützen die Muskulatur durch für Schwangere speziell angepasste Uebungen. Wir bewegen uns in brusttiefem Wasser. So wird der Bauch nicht hart, die Haltung trotzdem bauchgerecht gefördert.
Oft gehen wir Rückwärts, also Rücken voran statt Bauch voraus. Es entsteht ein anderes Körpergefühl und der Rücken wird mit „rückenvoraus“ entlastet während die aufrechte Haltung trotzdem geschult werden kann.
swissmom: Wieso Atemübungen im Wasser?
Brigitte Schwarz-Aeschbacher: Die Bewegung im Wasser fördert eine vertiefte Atmung. Zum einen durch den sanften Druck, den das Wasser auf die Atemhilfsmuskulatur ausübt. Zum anderen regt die Bewegung im Wasser den Kreislauf an. Die verbesserte Atmung bringt dem Baby mehr Sauerstoff. Atmen unterstützt die Entspannung auf vielen Ebenen. Bewusste Atmung hilft der Persönlichkeit im Umgang mit Angst und neuen Situationen sowie den Entspannungsphasen zwischen den Wehen unter der Geburt oder ganz praktisch, wenn der Bauch einmal fest und hart geworden sein sollte. Dazu gibt es aus Atemtherapie und Yoga Uebungen, die den Atem bewusst schulen und gezielt einsetzen lernen. Diese im Wasser zu Ueben bringt mehr Tiefe, der Körper wird vom Wasser getragen. Das Gleichgewicht muss nicht gehalten werden, das Wasser trägt und hält, die Konzentration auf den Atem ist einfacher.
swissmom: Wieso hat man als Schwangere plötzlich viel weniger Gleichgewicht?
Brigitte Schwarz-Aeschbacher: Der Schwerpunkt im Körper verändert sich während der Schwangerschaft immer wieder. Es gibt Frauen, die damit nicht so einfach klar kommen. Im Wasser lassen sich viele Uebungen dazu leicht und einfach machen. Kein Sturzrisiko bei Fussarbeit. Und: Fussarbeit unterstützt den venösen Rückfluss. Das Blut wird buchstäblich durch die Wadenmuskulatur zurückgepumpt. Im Wasser brauchen wir uns dabei keine Sorgen um die Standfestigkeit zu machen. Ohne Sturzgefahr können wir das Gleichgewicht herausfordern und damit fördern. Ja, auch den Beckenboden können wir über verschiedenen Fuss-Stellungen aktiv in die Arbeit mit einbeziehen und so seine Durchblutung anregen. Er kann seine Arbeit so ebenfalls besser übernehmen und ein gut durchbluteter Beckenboden verheilt nach einer allfälligen Geburtsverletzung besser, kann seine Dehnung besser verarbeiten.
swissmom: Gibt es geburtsunterstützende Stellungen auch in der Wassergymnastik?
Brigitte Schwarz-Aeschbacher: Spielerisch lassen sich diese in die Uebungen einbauen. Was sonst oft so ernst und trocken klingt, kann mit Spass im Wasser erlebt werden. Niemand muss sich um’s Gleichgewicht kümmern und ein vielschichtiger Trainingseffekt ist auch noch gegeben. Ein Wechsel zwischen Arbeit im Wasser und am Wasser erlaubt eine tiefere Erfahrung ohne Belastung und Geburtssituation.