Zwillinge ohne Kaiserschnitt?
Aus der Forschung
Mehrlingsschwangerschaften sind für viele Geburtshelfer ein wichtiger Grund, sich schon lange vor dem Geburtstermin für eine geplante Sectio zu entscheiden. Eine grosse randomisierte Studie, an der 106 Zentren aus 25 Ländern teilnahmen, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass eine vaginale Entbindung nicht riskanter für die Neugeborenen ist.
Unter einem erheblichen logistischen Aufwand gelang es bei der Twin Birth Study in siebeneinhalb Jahren etwa 2.800 Schwangere mit einer Zwillingsschwangerschaft zu begleiten. Bedingungen für die Teilnahme an der Studie waren eine Schwangerschaft in der 32. bis 38. Schwangerschaftswoche, ein Alter der Frauen zwischen 18 und 49 Jahren, ein geschätztes Geburtsgewicht von 1.500 bis 4.000 Gramm sowie die Kopflage (Schädellage) des ersten Kindes. Ausgeschlossen waren zudem monoamniotische Zwillinge (die sich eine Fruchtblase teilen) sowie schwere fetale Störungen oder Fehlbildungen, ein starker Grössenunterschied zwischen den Feten oder Narben im unteren Uterusabschnitt beispielsweise nach einer früheren Sectio.
Die eine Hälfte der Schwangeren sollte nach zufälliger Verteilung per geplantem Kaiserschnitt, die andere Hälfte vaginal entbunden werden. Letztendlich wurde in der zweiten Gruppe in einer Notsituation natürlich dennoch ein Kaiserschnitt durchgeführt, aber immerhin die Hälfte dieser Frauen konnten ihre Zwillinge vaginal gebären.
Schwere Geburts-Komplikationen wie Rückenmarksverletzungen, Schädelbrüche, Hirnblutungen und ein Apgar-Wert unter 4 (fünf Minuten nach der Geburt) oder sogar Tode eines Kindes traten in der geplanten Kaiserschnitt-Gruppe bei 2,1% der Fälle, in der geplanten Vaginalgeburt-Gruppe in 1,9 % der Fälle auf. Selbst bei der hohen Anzahl von 2800 teilnehmenden Zwillings-Schwangeren ist dies statistisch nicht aussagekräftig. Auch für die Mütter zeigte sich praktisch kein Unterschied in den Komplikationsraten.
Die Studie bedeutet, dass bei Zwillingen mit Kopflage des ersten Kindes eine vaginale Geburt angestrebt werden kann, ohne die Gesundheit des Kindes oder der Mutter zu gefährden. Bei Beckenendlage (Steisslage) sind die Risiken nach einer früheren Studie der gleichen Forschergruppe dagegen erhöht (Lancet 2000; 356: 1375-83).
Ein wichtiger Aspekt ist allerdings, dass die Studie an Zentren mit erfahrenen Geburtshelfern durchgeführt wurde. Nicht viele Geburtshelfer sind heute darin ausgebildet, Kinder in komplizierten Situationen, etwa in Beckenendlage, auf die Welt zu bringen.
Aus der Forschung: Barrett JFR et al.: New England Journal of Medicine (2013; 369: 1295-1305)