Grippeimpfung in der Schwangerschaft
Interview mit Dr. med. Cristina Volz
swissmom: Würden Sie einer schwangeren Frau grundsätzlich raten, sich gegen Grippeviren impfen zu lassen?
Cristina Volz: Bei gewissen Personengruppen wie Säuglingen, älteren Menschen, schwangeren Frauen und Personen mit einer chronischen Erkrankung kann die Grippe alles andere als harmlos verlaufen und zu schweren Komplikationen führen. Die Impfung schützt vor der Grippe und ihren Komplikationen während Schwangerschaft und Stillzeit. Sie verhindert aber auch die Übertragung der Grippeviren auf Ihnen nahestehende Personen. Daher empfehle ich schwangeren Frauen, sich gegen Grippeviren impfen zu lassen.
Dr. med. Cristina Volz ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Frauenpraxis4u
swissmom: Was wären denn die Folgen einer Grippeinfektion für Schwangere?
Cristina Volz: Die saisonale Grippe kann bei schwangeren Frauen vor allem während des zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittels und in den ersten vier Wochen nach der Entbindung schwerwiegende Atemwegskomplikationen (Nasennebenhöhlenentzündung, Mittelohrentzündung, Lungenentzündung) auslösen, die eine Einweisung ins Spital nötig machen oder sogar zum Tod führen können. Auch sind Grippeviren vermutlich von der Mutter auf das Kind übertragbar. (Anm. d. Red.: Bisher konnte eine Übertragzung des Grippevirus auf das Ungeborene nicht nachgewiesen werden). Fehlgeburten, Frühgeburten und Wachstumsverzögerungen des Ungeborenen können bei schweren Grippeverläufen vorkommen.
swissmom: Ist eine Grippeimpfung in jeder Schwangerschaftswoche möglich?
Cristina Volz: Die Grippeimpfung ist in jeder Schwangerschaftswoche möglich. Mittlerweile besteht ausreichend Erfahrung und wissenschaftliche Evidenz für die gute Verträglichkeit von inaktivierten, trivalenten Grippeimpfstoffen während der Schwangerschaft. Die Impfung gilt auch im ersten Trimenon als sicher. Schwangerschaft und Stillzeit sind keine Gründe, nicht zu impfen. Die trivalenten und inaktivierten Grippe-Impfstoffe werden gut vertragen und sind nicht teratogen.
swissmom: Gibt es Risiken oder Nebenwirkungen, welche während oder nach der Impfung auftreten können?
Cristina Volz: Unter gewissen Umständen ist bei der Impfung Vorsicht geboten. Personen mit Fieber sollten erst nach Abklingen der Symptome geimpft werden, da ihre Immunantwort sonst beeinträchtigt sein könnte. Bei schweren Allergien gegenüber Impfstoffkomponenten oder Eiproteinen wird ausdrücklich von der Grippeimpfung abgeraten. Das Risiko ernsthafter Komplikationen bei einer Grippeerkrankung ist um ein Vielfaches höher als die Wahrscheinlichkeit schwerer Nebenwirkungen nach der Impfung.
Die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung der saisonalen Grippeimpfung ist bei etwa 10-40% der Geimpften eine Rötung oder Schmerzen an der Injektionsstelle. Einzelne Symptome wie Temperaturerhöhung, Muskelschmerzen oder ein leichtes Unwohlsein werden bei 5-10% der Geimpften beobachtet. Diese Nebenwirkungen sind harmlos und klingen ohne Therapie spätestens nach zwei Tagen ab.
Sehr selten können im Falle einer Allergie Hautausschläge, Ödeme oder Asthma, sowie in ganz seltenen Fällen eine allergische Sofortreaktion (anaphylaktischer Schock) auftreten. Bei einem Fall pro 1 Million geimpfte Personen wurde das autoimmun bedingte Guillain-Barré-Syndrom (GBS, ein akut auftretendes neurologisches Krankheitsbild) in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Grippeimpfung beobachtet. Viel häufiger tritt ein GBS jedoch bei einer Grippeerkrankung auf.
swissmom: Kann sich eine schwangere Frau in jeder Apotheke oder bei Ihrem Hausarzt impfen lassen, oder nur beim Frauenarzt?
Cristina Volz: Eine schwangere Frau kann sich sowohl beim Frauenarzt als auch bei ihrem Hausarzt impfen lassen. Auch in einigen Apotheken wird die saisonale Grippeimpfung angeboten. Vor der Impfung soll ein allgemeines Gespräch stattfinden und mögliche Kontraindikationen ausgeschlossen werden.
swissmom: Ist eine Grippeimpfung auch während der Stillzeit möglich und empfehlenswert?
Cristina Volz: Grippe bei Säuglingen führt häufig zu einer Spitaleinweisung. Daher ist eine Grippe-Impfung auch während der Stillzeit sinnvoll und empfehlenswert. Um das Neugeborene bestmöglich zu schützen, ist es auch empfohlen, den Impfschutz des Vaters und der Geschwister zu überprüfen und falls nötig aufzufrischen.
Die Grippeimpfung ermöglicht, dass Antikörper von der Mutter auf das Kind übertragen werden. So ist das Kind während der ersten Lebensmonate geschützt, bis es schliesslich selber geimpft werden kann, es erleidet im ersten Lebensjahr nachgewiesenermassen weniger Infekte der oberen Luftwege.