Unfallgefahren für Babys

Interview mit Dr. med. Jean-Pierre Kapp

Mutter legt ihren Säugling behutsam auf den Wickeltisch
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swissmom: Was sind die häufigsten Unfälle bei Säuglingen im ersten Lebensjahr?

Dr. med. Jean-Pierre Kapp: Bei weitem am häufigsten sind Stürze (41 - 65 % aller Neugeborenen), danach Verbrühungen (18 - 31 %) und Verkehrsunfälle (1 - 2 %).

swissmom: Wie kann es passieren, dass ein Baby herunterfällt?

Dr. Kapp: Es kommt ganz auf das Alter des Säuglings an. In den ersten Lebenswochen ist es meist ein Sturz aus den Armen der Säuglingsschwester oder der Mutter, weil sie Angst hat, ihr Neugeborenes richtig fest und sicher zu halten. Ab dem 5. Lebensmonat häufen sich die Stürze vom Wickeltisch in erschreckender Weise, weil sich der Säugling entsprechend seiner körperlichen und motorischen Entwicklung plötzlich zu drehen beginnt. Es ist interessant, dass ein Säugling häufiger vom Wickeltisch fällt, als in den späteren Jahren die Kinder von den Bäumen! Es ist deshalb enorm wichtig, ein Kind auf dem Wickeltisch nie aus den Augen zu lassen. Nach dem 6. Lebensmonat fallen die Säuglinge, wenn sie sitzen gelernt haben, vom Hochsitz, weil es für die Eltern zu viele Umstände macht, das Kind richtig auf dem Hochstuhl zu fixieren.

swissmom: Verbrühungen und Verbrennungen - wie kann man da vorbeugen?

Dr. Kapp: Schon in den ersten Lebenstagen kann es zu Verbrühungen kommen, und zwar, wenn das Kind eine Wärmeflasche braucht und diese zu heiss ist oder nicht richtig in ein Tuch eingewickelt wurde. Am häufigsten aber ereignen sich Verbrühungen, wenn ein Elternteil während dem Kaffeetrinken den Säugling auf dem Schoss hält und durch eine Ungeschicklichkeit oder weil das Kind unruhig ist, der heisse Kaffee über das Kind geschüttet wird. Später dann, wenn das Kind aufsteht und an den Möbeln entlang geht, kann es durch Herunterreissen von Tischtüchern und elektrischen Kabeln zum Umkippen von heissen Tassen oder mit heisser Flüssigkeit gefüllten Töpfen zu Verbrennungen kommen. Innerliche Verbrühungen können passieren, wenn der Schoppen im Mikrowellenherd aufgewärmt wird. Der Schoppeninhalt ist dann oft gefährlich heiss, das Glas aussen jedoch nur mässig warm. Im Winter droht Gefahr durch Heissluftverdampfer, der für das Kind einen verführerischen und sehr interessanten Dampf produziert. Das Kind wird durch die weissen Dampfwolken magisch angelockt. Eine weitere Unfallquelle bei der Erforschung der Wohnung bildet das von innen beleuchtete Backofenfenster. Der Säugling wird davon angezogen und berührt mit seinen Händen das leuchtende Fenster. Trotz der enormen Hitze wird das Kind seine Hände nicht sofort von der Scheibe wegziehen, weil seine Schutzreflexe noch nicht entwickelt sind. Es kommt deshalb oft zu recht tiefen Verbrennungen 2. und 3. Grades. Die Eltern sollten deshalb beim Kauf eines Backofens immer zusätzlich eine Schutzfolie für Infrarotstrahlen auf das Backofenfenster kleben.

swissmom: Was muss man beachten, wenn man ein Baby im Auto transportiert?

Dr. Kapp: Verkehrsunfälle mit Säuglingen sind sehr selten, aber ihre Folgen umso ernsthafter. Der Säugling ist dabei immer passiv beteiligt. Im Personenwagen ereignen sich die Unfälle meist dann, wenn ein Säugling unfixiert auf dem Schoss der Mutter transportiert wird. Bei einer Frontalkollision werden enorme Kräfte frei, die das Kind unweigerlich aus den Armen der Mutter reissen wird. Der Säugling gehört deshalb fixiert in einem geeignetem von der BFU empfohlenen und für das Alter des Kindes entsprechendem Kindersitz auf dem Vordersitz gegen die Fahrtrichtung oder am besten auf dem Rücksitz in die Fahrtsrichtung korrekt montierten Kindersitz.

swissmom: Ab welchem Alter darf ein Säugling auf dem Velo transportiert werden?

Dr. Kapp: Ein Säugling sollte nur dann mit dem Fahrrad transportiert werden dürfen, wenn er einen Helm tragen und sicher sitzen kann. Den Eltern muss man ans Herz legen, einen speziellen Vélo-Sicherheitssitz für ihr Kind anzuschaffen, welcher spezielle Schutzhüllen für die Beine und Füsse aufweist. Gefährlich sind für den Säugling nämlich vor allem die Radspeichenverletzungen, die entstehen, wenn durch unsachgemässe Fixation die Füsse in die Speichen des Fahrrades kommen. Die Verletzungen sind immer sehr tief und heilen nur nach Wochen ab.

Bitte beachten Sie auch unsere Informationen über "Sicheres Wohnen mit Kind" sowie den Artikel "Babys vor Unfällen schützen".

Letzte Aktualisierung: 18.03.2020, BH