Erstgeborene
Die Ausgangslage:
Die frisch gebackenen Eltern betreten Neuland, bringen aber meist ziemlich viele Vorstellungen mit, wie dieses Neuland aussehen soll und welche Regeln darin gelten. Man möchte alles richtig machen, ist zugleich aber unsicher und überfordert, weil die Erfahrung fehlt. Die Eltern haben meist viel Zeit, auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen und je nach Verwandtschaft sind da auch noch andere Erwachsene, die ihm ganz viel Aufmerksamkeit schenken. Jeder Entwicklungsschritt ist ein Ereignis, das bejubelt und im Familienalbum festgehalten wird. Einen grossen Teil seiner Zeit verbringt das erstgeborene Kind in Gesellschaft von Erwachsenen, denen es natürlich auch nacheifert, denn sie sind seine Vorbilder.
Die Chancen:
Das erstgeborene Kind profitiert von viel Aufmerksamkeit und bekommt Dinge erklärt, für die bei einem zweiten oder dritten Kind meist wenig Zeit bleibt.
Der Ansporn, Erwachsnen nachzueifern ist gross. Studien belegen, dass Erstgeborene einen leicht höheren IQ haben, früher laufen und sprechen lernen und später im Leben öfter eine verantwortungsvolle Position inne haben.
Erstgeborene lernen schon früh, Verantwortung zu übernehmen und haben oft einen ausgeprägten Beschützerinstinkt.
Die Anliegen der ältesten Kinder werden meistens besonders ernst genommen, da jeder neue Lebensabschnitt auch für die Eltern neu ist.
Die Herausforderungen:
Viel Aufmerksamkeit durch Erwachsene kann auch viel Druck auslösen, keine Fehler machen zu dürfen. Erstgeborenen wird deshalb oft nachgesagt, sie seien Perfektionisten.
Die Ankunft eines jüngeren Geschwisters und der damit verbundene Verlust der einzigartigen Stellung in der Familie kann ein erstgeborenes Kind hart treffen.
Sobald ein zweites Kind da ist, ist das Erstgeborene "gross", unabhängig davon, wie klein es eigentlich noch ist. Oft wird deshalb erwartet, dass es vernünftig ist und ein Vorbild für seine kleinen Geschwister abgibt. Nie ein Geschwisterkind vor sich zu haben, das einem den Weg bahnt, kann ganz schön anstrengend sein.
In vielen Familien müssen Erstgeborene mehr helfen als ihre jüngeren Geschwister. Häufig werden sie ungefragt dazu eingespannt, auf die Kleineren aufzupassen.
Erstgeborene erziehen:
Bereiten Sie das erste Kind gut auf die Geburt des Geschwisterchens vor, zeigen Sie ihm, dass sie es noch immer gleich lieb haben wie vorher und schaffen Sie Möglichkeiten, auch nach der Ankunft des Babys Zeit alleine mit ihrem Erstgeborenen zu verbringen.
Geben Sie auch dem ältesten Kind die Möglichkeit, klein und verletzlich zu sein. Im Vergleich zu seinen Geschwistern mag es schon gross sein, von seinem Alter her ist es aber immer noch klein.
Wenn Sie Ihren Kindern Aufträge erteilen, achten Sie darauf, dass nicht immer das Erstgeborene am meisten aufgebürdet bekommt. Auch kleinere Kinder können zu Hause mithelfen und Verantwortung übernehmen. Das Älteste sollte auch mal etwas dürfen, was den Kleineren noch nicht erlaubt ist.
Ein Geschwisterkind im Krabbelalter ist eine zünftige Herausforderung für ein Erstgeborenes, das bis jetzt alles für sich gehabt hat. Andauernd macht es einem die Sachen kaputt und wenn man deswegen böse wird, schimpfen die Eltern. Ein Bereich, zu dem das kleinere Kind keinen Zugang hat, kann die Situation entspannen.
Ist das Erstgeborene deutlich älter als die kleineren Geschwister, spannen Sie es nicht ungefragt zum Babysitten ein. Es spricht nichts dagegen, das Älteste hin und wieder zum Hüten zu engagieren, dann aber mit vorheriger Absprache. Manche Eltern zahlen ihrem ältesten Kind auch mal ein angemessenes Babysitter-Honorar, wenn es den ganzen Abend auf zwei oder drei kleine Geschwister aufpassen muss.
Ab einem gewissen Alter mischen Erstgeborene sich kräftig in der Erziehung der kleineren Geschwister ein und sind dabei nicht selten strenger, weil sie finden, die Eltern liessen "den Kleinen" alles durchgehen. Überlassen Sie Ihre jüngeren Kindern also nicht einfach dem mächtigen grossen Geschwister und greifen Sie korrigierend ein, wenn das Älteste zu hart ist.
Falls Ihr erstgeborenes Kind einen Hang zum Perfektionismus hat, ist es besonders wichtig, es nicht andauernd zu kritisieren, sondern zu betonen, dass Fehler erlaubt sind und dass Ihre Zuneigung nicht von der Leistung des Kindes abhängt. Stehen Sie zu Ihren eigenen Fehlern, denn von Ihnen schaut sich das älteste Kind am meisten ab.