Gibt es den idealen Altersabstand?

Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein weiteres Kind zu bekommen? Medizinische und psychologische Aspekte bei der Familienplanung und dem Abstand der Geschwister.

Geschwister in gelben Regenmänteln am Strand
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Mit der Frage, welcher Altersabstand zwischen Kindern welche Vor- und Nachteile hat,  beschäftigen sich fast alle Eltern, die mehr als ein Kind haben möchten.

Medizinische Aspekte...


Aus medizinischer Sicht ist der Fall klar: Mindestens sechs Monate Pause wären gut, damit sich der Körper der Mutter von den Strapazen der ersten Schwangerschaft erholen kann. Sehr kurze Abstände zwischen Schwangerschaften (0 bis 3 Monate) führen etwas häufiger zu einer Frühgeburt und einem niedrigen Geburtsgewicht. Nach einem Kaiserschnitt sollte es mindestens ein Jahr sein, um die Wunde gänzlich verheilen zu lassen.

... und psychologische


Doch damit ist die Frage der Eltern meist nicht beantwortet, denn sie möchten ja wissen, was für die Entwicklung der Kinder am besten ist. Viele Psychologen erachten einen Altersabstand von drei Jahren als ideal, da die Rivalität unter den Geschwistern dann nicht mehr so gross ist, sie sich aber noch nahe genug stehen, um eine enge Bindung aufzubauen.

Und dann noch...


In der Theorie sind solche Empfehlungen sicher wertvoll, im realen Leben der Familienplanung sieht es manchmal aber ganz anders aus. Zum Beispiel, wenn die zweite Schwangerschaft länger auf sich warten lässt. Wenn finanzielle Sorgen oder Beziehungsprobleme den Wunsch nach einem weiteren Kind aufschieben. Wenn sich das zweite Kind schon ankündigt, während das Erste noch voll gestillt wird. Oder wenn die Eltern schon etwas älter sind und deshalb nicht zu lange warten wollen mit dem zweiten Kind.

Die Sorge, dass die Geschwister keine Beziehung zueinander aufbauen können, wenn sie altersmässig zu weit voneinander entfernt sind, belastet Eltern ebenso wie der Gedanke, dass sie ihren Kindern nicht gerecht werden könnten, weil der Altersunterschied nur gering ist. Geschwister sind aber immer wichtige Bezugspersonen, auch wenn die Familienkonstellation von dem abweicht, was Fachleute als "ideal" bezeichnen. Darum ist es hilfreicher, die Situation zu nehmen, wie sie ist und sich vor Augen zu führen, dass jeder Altersunterschied seine schönen Seiten hat, aber auch seine Herausforderungen mit sich bringt. 

Geringer Altersabstand (bis 3 Jahre)


Die Kinder stehen sich entwicklungsmässig nahe, haben ähnliche Interessen und werden deshalb viel gemeinsam unternehmen können. Die emotionale Bindung ist meist sehr eng, die Rivalität und Eifersucht aber auch besonders gross. Streit kommt häufig vor. Solange die Kinder sich verbal noch nicht gut ausdrücken können, sind auch körperliche Auseinandersetzungen nicht selten. Der Vergleich unter den Geschwistern ist viel direkter, was einerseits Ansporn sein kann, voneinander zu lernen, andererseits aber auch zu einem verstärkten Konkurrenzkampf führt.

Bei einem geringen Altersabstand sind die Eltern während einer verhältnismässigen kurzen Zeit sowohl körperlich als auch emotional stark gefordert. Wenn die Kinder dann kurz hintereinander in den Kindergarten und in die Schule kommen, gibt es aber auch bald wieder spürbar mehr Freiraum. Die Planung von Familienaktivitäten ist einfach, da nicht eines noch in den Streichelzoo möchte, während das andere schon mit der Stranddisco liebäugelt. 

Mittlerer Altersabstand (3 bis 6 Jahre)


Ist das erste Kind schon etwas grösser, empfindet es meist weniger Eifersucht auf das Baby. Es kann in die Pflege und Betreuung einbezogen werden und damit eine wichtige Rolle im Leben des kleinen Geschwisters übernehmen. Da sich die Kinder entwicklungsmässig nicht mehr so nahe stehen, dient das Grössere dem Kleineren als Vorbild. Die Kinder haben weniger gemeinsame Interessen, fechten aber auch weniger Konkurrenzkämpfe aus.

Die Eltern hatten Zeit, sich von den Strapazen der Schwangerschaft und Kleinkindphase zu erholen. Das grössere Kind hat meist schon seine eigenen Aktivitäten ausser Hause, was den Eltern Zeit gibt, sich ganz dem Kleineren zu widmen. Nicht selten muss aber auch der Mittagsschlaf des Babys abgekürzt werden, weil das ältere Kind zu einer Aktivität begleitet werden muss; ein Spagat zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen, den nicht alle Eltern als einfach empfinden. Die Zeitspanne, während derer sich Eltern um kleine Kinder kümmern und eigene Pläne in den Hintergrund stellen, verlängert sich. Der Übergang von der turbulenten Kleinkindphase zum leeren Haus am Morgen verläuft aber auch weniger abrupt und heftig. Das Planen von Familienaktivitäten wird wegen unterschiedlicher Interessen zwar etwas schwieriger, die Auswahl an Angeboten für Familien mit Kindern im Alter von 0 bis 12 ist aber noch ziemlich gross.

Grosser Altersabstand (mehr als 6 Jahre)


Je grösser der Altersunterschied, umso weniger Berührungspunkte zwischen den Geschwistern ergeben sich im Alltag, da sie in ganz unterschiedlichen Welten leben. Auch wenn sie keine Einzelkinder sind, wachsen sie doch in vieler Hinsicht ganz ähnlich wie Kinder ohne Geschwister auf. Dennoch sind die Geschwister wichtig füreinander und nicht selten entwickelt sich eine sehr enge Beziehung. Das ältere Kind ist in diesem Fall Beschützer, Vorbild und manchmal auch Betreuungsperson, alles Dinge, die seine Sozialkompetenz schulen. Konkurrenzkämpfe gibt es in dieser Konstellation eigentlich nicht mehr. Zu Streitigkeiten kommt es, wenn das Jüngere die Privatsphäre des Älteren nicht achtet oder das Ältere dem Jüngeren seine Überlegenheit demonstriert.

Die Eltern haben für jedes Kind viel Zeit und wenn sich das Ältere dazu bereit erklärt, haben sie auch einen Babysitter im Haus, der sie bei der Betreuung des Babys entlasten kann. Eine Situation, die sie aber auf keinen Fall für selbstverständlich nehmen und ausnützen sollten. Schwieriger dürfte es sein, gemeinsame Aktivitäten zu finden, die für alle spannend sind. Zudem fällt es nicht allen Eltern leicht, sich nach einer längeren Pause noch einmal ganz auf ein Baby einzustellen.

Häufige Fragen zum Thema

In der Zeit, in der Sie voll stillen, haben Sie recht geringe Chancen auf eine erneute Schwangerschaft. Ausserdem muss aufgrund Ihres Alters mit einer leicht verminderten Fruchtbarkeit und leicht erhöhten Fehlgeburtsrate gerechnet werden. Sofern Sie gesund sind und die Rückbildung bisher normal …
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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024, TV