Stel­lung­nah­me zu Val­proat


09. Fe­bru­ar 2017

Me­di­en­mit­tei­lung/State­ment von gy­né­co­lo­gie su­is­se SGGG, Schwei­ze­ri­sche Epi­lep­sie-Liga, Schwei­ze­ri­sche Ge­sell­schaft für Neu­ro­päd­ia­trie, Schwei­ze­ri­sche Ar­beits­ge­mein­schaft für Pe­ri­na­ta­le Phar­ma­ko­lo­gie und Schwei­ze­ri­sche Aka­de­mie Feto-Ma­ter­na­le Me­di­zin (AFMM)

Val­proat - was sind die Tat­sa­chen?


Mit dem Ti­tel „Schä­den we­gen Epi­lep­sie-Me­di­ka­ment" er­weckt ein Bei­trag in der Sen­dung „10­vor­10" (SRF 1, 7. Fe­bru­ar 2017) den Ein­druck, es hand­le sich um ein neu­es Me­di­ka­ment bzw. um bis­her un­be­kann­te Ne­ben­wir­kun­gen. Die Schwei­ze­ri­sche Ge­sell­schaft für Gy­nä­ko­lo­gie und Ge­burts­hil­fe (SGGG), die Schwei­ze­ri­sche Epi­lep­sie-Liga (SEL), die Schwei­ze­ri­sche Ge­sell­schaft für Neu­ro­päd­ia­trie (SGNP), die Schwei­ze­ri­sche Ar­beits­ge­mein­schaft für pe­ri­na­ta­le Phar­ma­ko­lo­gie (SAPP) und die Schwei­ze­ri­sche Aka­de­mie Feto-Ma­ter­na­le Me­di­zin (AFMM) neh­men Stel­lung.

Wir be­dau­ern sehr, dass un­ter Val­proat Fehl­bil­dun­gen auf­ge­tre­ten sind, die mög­li­cher­wei­se ver­meid­bar ge­we­sen wä­ren und die viel Leid in Fa­mi­li­en ge­tra­gen ha­ben. Mit die­ser Stel­lung­nah­me und In­for­ma­ti­on en­ga­gie­ren wir uns, dass sol­che Ge­scheh­nis­se mög­lichst nicht mehr auf­tre­ten.

  • Bei ei­ner gan­zen Grup­pe von be­stimm­ten Epi­lep­sie­for­men (so­ge­nann­te pri­mär ge­ne­ra­li­sier­te Epi­lep­sie-Syn­dro­me) ist Val­proat al­len an­de­ren An­ti­epi­lep­ti­ka si­gni­fi­kant über­le­gen wirk­sam. Dies ist umso be­deu­tungs­vol­ler, als die sog. Auf­wach-An­fäl­le ohne jeg­li­che Vor­war­nung zum so­for­ti­gen Be­wusst­seins­ver­lust mit Sturz und zu aus­ge­präg­ten Zu­ckun­gen und Ver­kramp­fun­gen mit ent­spre­chend ho­her Ver­let­zungs- bis Le­bens­ge­fahr füh­ren. Es be­stehen auch Hin­wei­se, dass län­ge­re Krampf­an­fäl­le wäh­rend der Schwan­ger­schaft den Fö­tus schä­di­gen kön­nen. Val­proat wird auch mit Er­folg in der Psych­ia­trie ein­ge­setzt und beugt Mi­grä­ne-An­fäl­len vor.

  • Val­proat ist seit 1972 auf dem Schwei­zer Markt. In der Schweiz wird seit den 80er Jah­ren da­vor ge­warnt, dass Val­proat, wäh­rend der Schwan­ger­schaft ge­nom­men, bei rund 10 Pro­zent der Kin­der zu Fehl­bil­dun­gen führt (z.B. so­ge­nann­te Spi­na bi­fi­da oder „of­fe­ner Rü­cken"). Dies war in Fach­krei­sen und bei der Aus­bil­dung für Neu­ro­lo­gen und Gy­nä­ko­lo­gen eben­falls viel­fach The­ma.

  • Die Ri­si­ken stei­gen mit der Do­sis, sind aber auch un­ter ei­ner nied­ri­gen Do­sis hö­her als bei an­de­ren An­ti­epi­lep­ti­ka. Die Ri­si­ken sind auch hö­her bei Kom­bi­na­ti­on mit an­de­ren An­ti­epi­lek­ti­ka als un­ter ei­ner Mo­no­the­ra­pie.

  • Seit 2006 warnt aus­ser­dem die Pa­ckungs­bei­la­ge, dass es zu Ent­wick­lungs­stö­run­gen bei Kin­dern kom­men kann, de­ren Müt­ter Val­proat neh­men (in­tel­lek­tu­el­le Ein­schrän­kun­gen, Au­tis­mus). Es ist al­ler­dings noch nicht in al­len Punk­ten ein­deu­tig be­legt, dass Val­proat die ein­zi­ge Ur­sa­che für die­se Stö­run­gen ist.

  • Laut Swiss­me­dic sind in der Schweiz 15 Fäl­le von Fehl­bil­dun­gen und we­ni­ger als 10 Fäl­le von Kin­dern mit Ent­wick­lungs­stö­run­gen als Fol­ge ei­ner Be­hand­lung der Mut­ter wäh­rend der Schwan­ger­schaft be­kannt, in ei­nem Zeit­raum von 26 Jah­ren. Das wä­ren we­ni­ger als 0,1 Pro­zent al­ler Epi­lep­sie-Pa­ti­en­tin­nen in der Schweiz (ins­ge­samt rund 70‘000 Be­trof­fe­ne, da­von rund die Hälf­te weib­lich).

  • In ei­ni­gen Be­rich­ten taucht nur der Mar­ken­na­me De­pa­ki­ne auf. Das Me­di­ka­ment mit dem Wirk­stoff Val­pro­in­säu­re oder Val­proat ist in der Schweiz ver­füg­bar als De­pa­ki­ne Chro­no, Or­firil, Con­vulex, Val­proat Chro­no De­si­tin re­tard, Val­proat San­doz re­tard und Val­proa­te Chro­no Zen­ti­va.

  • Bei Män­nern kann Val­proat wei­ter­hin weit­ge­hend ge­fahr­los an­ge­wen­det wer­den. Al­ler­dings gibt es zahl­rei­che Wech­sel­wir­kun­gen mit an­de­ren Me­di­ka­men­ten, es kann di­ver­se Or­ga­ne be­ein­träch­ti­gen und ist für Men­schen mit ei­ner sel­te­nen Stö­rung so­gar le­bens­ge­fähr­lich.

  • Bei vie­len kind­li­chen Epi­lep­si­en ist Val­proat das Mit­tel der Wahl in der Be­hand­lung. Kann die an­ti­epi­lep­ti­sche Me­di­ka­ti­on bei den ju­gend­li­chen Mäd­chen nicht er­folg­reich vor Er­rei­chen der Ge­bär­fä­hig­keit ab­ge­setzt wer­den, soll­te eine Um­stel­lung auf ein an­de­res An­ti­epi­lep­ti­kum sorg­sam über­legt wer­den.

  • Un­ser Rat an Ärz­te und Be­trof­fe­ne: am bes­ten soll­ten ge­bär­fä­hi­ge Mäd­chen und Frau­en kei­ne Be­hand­lung mit Val­proat be­gin­nen oder wei­ter­füh­ren. Nur wenn wirk­lich kei­ne der Al­ter­na­ti­ven hilft, lässt sich die Ein­nah­me von Val­proat ver­tre­ten. Die Be­trof­fe­nen sind über die Ri­si­ken ei­ner Ein­nah­me von Val­proat in der Schwan­ger­schaft und die Grün­de für eine Be­hand­lung in Kennt­nis die­ser Ri­si­ken aus­führ­lich auf­zu­klä­ren und ihr Ein­ver­ständ­nis ist schrift­lich zu do­ku­men­tie­ren. Nach Mög­lich­keit soll­ten die­se Pa­ti­en­tin­nen ver­hü­ten. Bei be­stehen­dem Kin­der­wunsch soll­te im­mer die al­ler­nied­rigs­te Do­sis an­ge­strebt und gleich­zei­tig Fol­säu­re mit 4-5 mg pro Tag zum Schutz vor ei­ner kind­li­chen Fehl­bil­dung ein­ge­nom­men wer­den.

  • Wer be­reits Val­proat nimmt und schwan­ger wer­den will oder schwan­ger ist, soll­te das Me­di­ka­ment auf kei­nen Fall ein­fach ei­gen­mäch­tig ab­set­zen - ein An­fall mit Sturz könn­te für das un­ge­bo­re­ne Kind und die Mut­ter ge­fähr­li­cher sein als die Ne­ben­wir­kun­gen des Me­di­ka­ments. Be­trof­fe­ne Pa­ti­en­tin­nen soll­ten drin­gend Rück­spra­che mit ih­rem be­han­deln­den Neu­ro­lo­gen hal­ten.

  • Kommt es un­ter Val­proat zu ei­ner Schwan­ger­schaft, be­stehen Hin­wei­se, dass ge­still­te Kin­der sich ko­gni­tiv bes­ser ent­wi­ckeln als nicht ge­still­te.

  • Ge­ne­rell emp­feh­len wir epi­lep­sie­be­trof­fe­nen Frau­en mit Kin­der­wunsch eine früh­zei­ti­ge Rück­spra­che mit ih­rem be­han­deln­den Neu­ro­lo­gen, ob die Me­di­ka­ti­on an­ge­passt wer­den soll­te.

(fran­zö­si­sche Ver­si­on ver­füg­bar ab 10.02.2017)

  • für gy­né­co­lo­gie su­is­se SGGG (www.sggg.ch): Dr. med. Da­vid Ehm, Prä­si­dent, Bern

  • für die Schwei­ze­ri­sche Epi­lep­sie-Liga (www.epi.ch): Prof. Dr. Ste­phan Rüegg, Prä­si­dent, Ba­sel

  • für die Schwei­ze­ri­sche Ge­sell­schaft für Neu­ro­päd­ia­trie (www.neu­ro­pa­edia­trie.ch): Prof. Dr. Pe­ter We­ber, Prä­si­dent, Ba­sel

  • für die Schwei­ze­ri­sche Ar­beits­ge­mein­schaft für Pe­ri­na­ta­le Phar­ma­ko­lo­gie (www.sap­p­in­fo.ch): Prof. Dr. pharm. Ur­su­la von Man­dach, Prä­si­den­tin, Zü­rich

Kon­takt für Me­di­en: Ju­lia Fran­ke, Epi­lep­sie-Liga, See­feld­stras­se 84, 8008 Zü­rich
fran­ke@e­pi.ch, Tel. 043 477 07 06

Letzte Aktualisierung: 13.02.2017, BH

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