Alles dreht sich nur um uns
Kugelbauch-Kolumne Woche 31
Wer geht schon gerne zum Arzt? Erst recht zur Gynäkologin?
Ich, neuerdings.
Denn die Besuche bei der Hebamme und der Frau Gynäkologin verleihen mir Flügel. Nach jeder einzelnen Sprechstunde in dieser Praxis schwebe überglücklich nach Hause, getragen von der weichen Wolke 7, auf der Nase eine übergrosse rosarote Brille.
Eine Schwangerschaft ohne jegliche Komplikationen liess diese Praxis für mich zu einem ganz wundervollen Ort werden. Hier dreht sich alles nur um unser „Muffin", um mein neues Mama-Ich, um unser Wohlbefinden.
Im „real life“ ausserhalb dieser Praxis würde ich ja auch gerne ununterbrochen über meine Schwangerschaft quatschen, Babybauch streicheln und allen mitteilen, dass unser „Muffin" nun in die stolze Grösse eines Kopfsalats hat. Nur möchte ich mir natürlich nicht nachsagen lassen, ich würde mich seit der Schwangerschaft für nichts anderes mehr interessieren. Also denke ich zwar permanent an unser „Muffin“, gebe mir aber stets Mühe, nicht ununterbrochen davon zu sprechen.
Das Wunderbare an dieser Praxis ist, dass sich hier von der netten Reinigungskraft über die Dame am Empfang, von der Hebamme und ihrer Praktikantin bis hin zur Frau Gynäkologin alle ausschliesslich für meine Schwangerschaft und unser „Muffin“ interessieren. Hier wird einem am Eingang eine Berechtigung dazu erteilt, anstandslos nur von sich zu erzählen, intime Fragen zu stellen und die ganze Zeit seinen entblössten Babybauch zu streicheln.
Die erfahrene Hebamme sieht meinem Rücken die unbequeme Haltung schon an, bevor sie überhaupt unbequem wurde und dann unterlegt sie mich fürsorglich mit Lagerungskissen in allen Formen und Farben. Ich darf ihr derweilen ungeniert von meiner Verdauung erzählen. Ist das nicht einfach herrlich hier?
Auch das heutige Babyshooting mittels Ultraschall ist wieder echt gelungen. Ich darf ein paar hübsche Bilder für die Grosseltern mit nach Hause nehmen. Unser „Muffin“ hat sich dazu auch ganz anständig auf mein Schambein gesetzt.
Jawohl, es sitzt.
Es sitzt da und spielt unschuldig mit seiner Nabelschnur. Schon süss.
Nur dürfte sich das Bürschchen so langsam in Startposition begeben und sich mit dem Kopf in Richtung Beckenausgang drehen.
Ich bräuchte mir deswegen aber noch keine Gedanken zu machen, das „Muffin“ habe ja noch etwas Zeit um sich zu drehen, meint Frau Gynäkologin.
Also lasse ich das mal sein. Oder versuche es zumindest. Denn obwohl ich mich wieder sehr über die gesunde Entwicklung unseres „Muffins“ freue - irgendwie habe ich heute die rosarote Brille wohl zu Hause liegen lassen.
Giulietta Martin ist Hebamme, Mama von drei kleinen Kindern und lebt im Berner Oberland. Unter mama.kritzelei veröffentlicht sie auf Instagram regelmässig humorvolle Szenen aus dem Familienalltag.