Schmerzarme Geburt durch Selbstbestimmung
Interview mit Dr. med. Pascale Stapfer und Dominique Hochuli
swissmom: Eine Geburt kann sehr schmerzhaft sein. Die Geburtshilfe bietet da viele Möglichkeiten, mit dem Schmerz besser umzugehen. Können Sie uns da einige natürliche und medikamentöse Methoden nennen?
Dominique Hochuli: Alternative Methoden zur Schmerzbekämpfung sind unter anderem Akupunktur, Aromatherapie, warme Bäder und Massagen. All diese Anwendungen sind nicht nur gut gegen die Schmerzen, sondern wirken sich auch positiv auf den Geburtsverlauf aus, indem sie die Frau entspannen und die Geburt somit zügiger vorangehen kann. Die medikamentösen Methoden, welche am zuverlässigsten wirken, sind die PDA oder die Schmerzmittelabgabe per Knopfdruck mit individueller Dosierung. Aber auch diese beiden Methoden bedeuten keine hundertprozentige Schmerzfreiheit. Zu Beginn der Geburt können aber auch leichtere Schmerzmittel über eine Infusion oder als Zäpfchen gegeben werden.
Dr. med. Pascale Stapfer ist Anästhesistin mit Schwerpunkt Anästhesie für Geburtshilfe und Gynäkologie sowie Herz-Thoraxanästhesie. Sie arbeitet seit sechs Jahren in der Klinik Im Park in Zürich.
Dominique Hochuli ist in der Klinik Im Park stellvertretende leitende Hebamme mit Zusatzausbildung in Akupunktur (TCM). Sie betreut werdende Mütter seit drei Jahren in der Klinik Im Park.
swissmom: Wie kann sich eine Frau besser einschätzen und herausfinden, welche Methoden für sie am besten geeignet sind?
Dominique Hochuli: Am wichtigsten ist es, dass die Frauen ohne fixe Vorstellungen und Ansprüche an sich selber zur Geburt kommen. Jede Geburt ist individuell, der Verlauf nicht absehbar. Für viele Frauen ist es hilfreich, im Voraus einen Geburtsvorbereitungskurs zu besuchen, um eventuelle Ängste abzubauen. Wichtig unter der Geburt ist auch die Hebammenbetreuung. Durch die kontinuierliche Hebammenbetreuung kann die Hebamme die Situation der Frau am besten einschätzen und mit der Frau gemeinsam die optimale Methode wählen.
swissmom: Die Hirslanden Klinik Im Park in Zürich verwendet seit einem Jahr eine neuartige Schmerzlinderung mit individueller Dosierung. Was können sich die werdenden Mütter darunter vorstellen? Wie funktioniert das? Ist die Mutter noch mobil? Kann sie sich frei bewegen? Ist sogar eine Wassergeburt oder Geburt auf dem Mayahocker denkbar?
Dominique Hochuli: Bei dieser relativ neuen Methode zur Schmerzbekämpfung handelt es sich um ein Medikament, das über eine Infusionspumpe direkt an den venösen Zugang am Arm der Frau angeschlossen wird. Im Gegensatz zu der PDA bedarf es keines anästhesiologischen Eingriffs. Die Frauen können sich das Schmerzmittel per Knopfdruck bei Bedarf (max. alle 2 Minuten) verabreichen. Selten kann ein leichter Schwindel auftreten, der die Frauen aber nicht einschränkt. Die Frauen sind somit völlig mobil, und es spricht bei gutem Wohlbefinden nichts gegen eine Wassergeburt oder eine Geburt auf dem Mayahocker.
swissmom: Ist die Schmerzmittelabgabe per Knopfdruck für alle Patientinnen möglich? Gibt es Einschränkungen, z.B. Risikogruppen, die diese neuartige Therapie nicht anwenden dürfen?
Dr. Stapfer: Das Medikament (ein Opiat) ist ein ultrakurzwirksames und starkes Schmerzmittel, welches einerseits schnell wirkt und andererseits aber auch schnell wieder abgebaut ist. Wir setzen es zur Linderung der Geburtsschmerzen in Form einer so genannten „Patienten-kontrollierter Analgesie“ (PCA) ein. Die Gebärende drückt dabei auf einen Knopf, welcher mit einer speziellen Infusionspumpe gekoppelt ist und durch diesen Befehl wird eine bestimmte vorprogrammierte Medikamentenmenge in den Blutkreislauf der Gebärenden via Infusion verabreicht. Der medizinische Vorteil im Vergleich zu routinemässig eingesetzten Schmerzmitteln ist, dass sich das Medikament nicht im Körper ansammelt. Deshalb kann man das Medikament auch für Patienten mit einer Nieren- oder Leberfunktionsstörung problemlos einsetzen. Selbst falls Nebenwirkungen wie Schwindel und Müdigkeit und Atemdepression direkt nach Verabreichung auftreten, sind diese bereits wenige Minuten nach der letzten Gabe verschwunden. Die Sauerstoffsättigung muss kontinuierlich überwacht werden, was aber mittels eines kleinen portablen Gerätes geschieht und somit die Mobilität nicht einschränkt. Ab und zu muss vorübergehend Sauerstoff verabreicht werden.
swissmom: Wie schnell setzt diese Schmerzlinderung per Knopfdruck ein? Wie lange hält eine solche Schmerzmittelgabe?
Dr. Stapfer: Der Wirkungseintritt dauert ca. 30 Sekunden, die Wirkdauer ist ungefähr 2,5 Minuten. Wir haben die Schmerzpumpe so programmiert, dass man sich das Medikament maximal alle 2 Minuten auslösen kann, damit keine Überdosierung stattfindet. Die Gebärende soll selber entscheiden, wann sie sich die nächste Dosis per Knopfdruck verabreichen will.
swissmom: Wie können Sie verhindern, dass das Baby nach der Geburt Nachwirkungen des Medikamentes wie Müdigkeit, Atemdepression oder ähnliches verspürt?
Dr. Stapfer: Die Wirkdauer ist so kurz, dass, wenn das Medikament wenige Minuten vor der eigentlichen Geburt gestoppt wird, keine Nebenwirkungen beim Baby direkt nach der Geburt auftreten.
swissmom: Ist die frischgebackene Mutter nach der Geburt mit einer solchen Schmerzmittelgabe nicht müde? Kann sie das Kind gleich zum Stillen ansetzen?
Dominique Hochuli: Natürlich sind alle Frauen nach einer Geburt erschöpft, was aber nicht auf das neue Medikament zurückzuführen ist. Das Medikament ist so kurz wirksam, dass es innerhalb von wenigen Minuten vom Körper abgebaut wird. Die Frauen können ihre Kinder deshalb gleich nach der Geburt ansetzen, sofern diese Hunger haben.
swissmom: Gibt es auch andere Kliniken in der Schweiz, die solch eine Methode anwenden? Wie kann sich eine Frau informieren, ob dies auch an ihrer Geburtsklinik verfügbar ist?
Dr. Stapfer: Das Salem-Spital in Bern war die erste Klinik innerhalb der Privatklinikgruppe Hirslanden, welche diese Ultiva-PCA eingeführt hat. Wir sind ihrem Beispiel gefolgt und mit den Resultaten sehr zufrieden. In der Zukunft werden sicher mehrere andere Kliniken diese Methode aufgreifen. Ich empfehle den Frauen, sich direkt bei den Hebammen oder den Anästhesieärzten der jeweiligen Klinik zu informieren.