Brauchen Kinder Nahrungsergänzungsmittel?

Warum Vitaminpräparate in den allermeisten Fällen nicht nötig sind und wie Kinder ihren Nährstoffbedarf decken können.

Kind mit einer ausgeleerten Packung Vitamin-Kaubonbons
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Täglich ein Gummibärchen mit allen wichtigen Vitaminen, einen Löffel Sirup, der das Immunsystem stärkt oder ein Toffee, das die Müdigkeit vertreibt - und schon ist das Kind bestens mit Nährstoffen versorgt, leistungsfähiger und besser geschützt vor Krankheitserregern. So verheisst es zumindest die Werbung. Aber ist das wirklich so?

Was sind Nahrungsergänzungsmittel?


Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind Lebensmittel, die Vitamine, Mineralstoffe, Fettsäuren, Aminosäuren oder weitere Stoffe enthalten. Wie ihr Name schon sagt, sollen sie die Ernährung ergänzen. Sie sind in verschiedenen Formen, z. B. als Tabletten, Kapseln, Pulver, Toffees, Sirup etc. erhältlich. Auch wenn sie oft wie Medikamente aussehen, zählen sie nicht zu den Heilmitteln.

Anders als Arzneimittel durchlaufen Nahrungsergänzungsmittel kein Zulassungsverfahren, durch das die gesundheitliche Unbedenklichkeit nachgewiesen wird. Die Verantwortung, dass Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe nicht überschritten werden, liegt beim Hersteller. Weiter ist geregelt, dass die Produkte die Gesundheit nicht schädigen dürfen und dass Konsumenten aufgrund der Aufmachung und Werbung nicht getäuscht werden dürfen. Ob diese Bedingungen eingehalten werden, wird von kantonalen Behörden stichprobenweise kontrolliert. 

Warum können NEM für Kinder problematisch sein?


Die erlaubten Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln beziehen sich auf Erwachsene. Für Kinder existieren keine spezifischen Regelungen bezüglich solcher Höchstmengen, obschon es wissenschaftlich definierte Referenzwerte gibt. Dies hat zur Folge, dass Vitamine und Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen oder Zink in Präparaten für Kinder zu hoch dosiert sein können

Während der Körper ein Zuviel an wasserlöslichen Vitaminen wie Vitamin C einfach ausscheidet, kann eine Überdosierung von Mineralstoffen und fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin A oder D zu Gesundheitsschäden führen. Eine Supplementierung mit Vitamin D ist zwar für Säuglinge im ersten Lebensjahr wichtig, sollte aber stets gemäss kinderärztlicher Anweisung erfolgen

Zu einer Überdosierung kann es auch kommen, wenn Kinder zusätzlich zu den Nahrungsergänzungsmitteln viele mit Nährstoffen angereicherte Lebensmittel wie Frühstücksflocken, Joghurts oder Kakaogetränke konsumieren. 

Problematisch ist ausserdem, dass viele Nahrungsergänzungsmittel für Kinder wie herkömmliche Süssigkeiten aussehen. Die meisten sind zudem mit Zucker oder Süssstoffen gesüsst. Auch die auf Kinder ausgerichtete Verpackung kann den Anschein erwecken, es handle sich um normale Süssigkeiten. Die Versuchung, davon zu naschen, ist für Kinder daher gross. So nehmen sie schnell einmal mehr als die empfohlene Tagesdosis zu sich. 

Schliesslich können auch Werbebotschaften problematisch sein. Zwar dürfen die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln keine Gesundheitsversprechen machen und die Produkte nicht als Heilmittel anpreisen. Oft wird aber der Eindruck erweckt, ein Präparat mache ein Kind leistungsfähiger, fördere seine Konzentration oder stärke sein Immunsystem. Die in NEM enthaltenen Nährstoffe dienen aber lediglich dazu, die normalen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten oder einen Mangel auszugleichen. Sie können die Körperleistung jedoch nicht über den Normalzustand hinaus steigern. 

Können Nahrungsergänzungsmittel eine einseitige Ernährung ausgleichen?


Lehnt ein Kind auf Dauer viele gesunde Lebensmittel ab und ernährt sich sehr einseitig, stellt sich die Frage, wie es seinen Nährstoffbedarf decken kann. Der Gedanke, einen möglichen Nährstoffmangel mit Nahrungsergänzungsmitteln auszugleichen, liegt da nahe. Diese Präparate können jedoch eine gesunde Ernährung nicht ersetzen. So enthalten sie zum Beispiel keine Ballaststoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe, die der Körper braucht. Sie können auch die Schäden nicht aufheben, die durch eine einseitige Ernährung mit viel Zucker, Fett und Salz verursacht werden.

Einfach eine Kapsel zu schlucken oder einen Sirup einzunehmen, löst das Problem also nicht. Eltern kommen nicht umhin, dem Kind immer wieder eine Vielfalt von verschiedenen Lebensmitteln anzubieten, unterschiedliche Zubereitungsarten auszuprobieren, gemeinsam einzukaufen und zu kochen und so nach und nach die Freude am gesunden Essen zu wecken. 

Wie bekommen Kinder genügend Nährstoffe?


Eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist das beste Mittel, um einem Nährstoffmangel vorzubeugen. Auch Nüsse, Hülsenfrüchte, Milchprodukte sowie proteinreiche Lebensmittel wie Tofu, Eier, Fleisch oder Fisch sollten regelmässig auf dem Speiseplan stehen. Auf diese Weise bekommen Kinder alle Nährstoffe, die sie brauchen.

Für eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D sollten Kinder sich von Frühling bis Herbst viel draussen aufhalten. Dies, weil das Vitamin durch Sonneneinstrahlung im Körper gebildet wird. 

Bei einer ausschliesslich veganen Ernährung kann der Bedarf an Vitamin B12 nicht über Lebensmittel gedeckt werden, da dieses Vitamin von Natur aus nur in tierischen Nahrungsmitteln vorkommt. Deshalb ist auch bei Kindern eine Supplementierung unerlässlich. Lassen Sie sich hierzu aber unbedingt von Ihrer Kinderärztin beraten. 

Was tun bei einem Verdacht auf Nährstoffmangel?


Gesunde Kinder brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel. Fühlt sich ein Kind jedoch über längere Zeit abgeschlagen, machen sich Eltern oftmals Sorgen, es könnte an einem Nährstoffmangel leiden. Kaufen Sie in diesem Fall nicht einfach ein beliebiges Präparat. Besprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt, ob ein Mangel vorliegen könnte. Falls die Untersuchung tatsächlich einen Nährstoffmangel zeigt, geben Sie Ihrem Kind die verschriebenen Nahrungsergänzungsmittel nur so lange wie nötig und halten Sie sich an die empfohlene Dosierung. 

Letzte Aktualisierung: 24.11.2025, TV