Blut zeigt Ri­si­ko für Stim­mungs­tief

Aus der For­schung

Blutentnahme bei einer Schwangeren
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Nicht jede Schwan­ger­schaft und Ge­burt ei­nes Kin­des löst Glücks­ge­füh­le aus. Etwa 70 Pro­zent der Müt­ter fal­len kurz nach der Ge­burt in ein Stim­mungs­tief, den „Baby-Blues“. Sie sind trau­rig, an­ge­spannt, müde und ge­reizt. Ver­mut­lich ver­ur­sa­chen ab­rup­te Ver­än­de­run­gen im Hor­mon­spie­gel die­se „Heul­ta­ge“. Nach ein paar Ta­gen je­doch ver­schwin­det der „Baby-Blues“ meist von al­lei­ne, das Hor­mon­le­vel pen­delt sich wie­der ein.

Doch etwa 13 Pro­zent al­ler Frau­en ent­wi­ckeln im Wo­chen­bett eine so­ge­nann­te Postpar­ta­le De­pres­si­on mit mög­li­cher­wei­se weit­rei­chen­den Ge­sund­heits­fol­gen für Mut­ter und Kind. Die­se äus­sert sich un­ter an­de­rem in Ängs­ten, Ag­gres­sio­nen, Hoff­nungs­lo­sig­keit und der Schwie­rig­keit, eine Mut­ter-Kind Be­zie­hung auf­zu­bau­en. Schlimms­ten­falls kommt es zu Al­ko­hol- oder Dro­gen­miss­brauch und Selbst­mord­ge­dan­ken. Kin­der der Be­trof­fe­nen lei­den oft un­ter Schlaf­stö­run­gen, ver­zö­ger­tem Wachs­tum oder Fehl­ernäh­rung. Sie ha­ben ein er­höh­tes Ri­si­ko spä­ter selbst De­pres­sio­nen oder Er­kran­kun­gen der Atem- und Ver­dau­ungs­we­ge zu be­kom­men so­wie so­zi­al auf­fäl­lig zu wer­den.

Bis­her wur­den ins­be­son­de­re bio­lo­gi­sche, psy­cho­lo­gi­sche oder so­zia­le Ri­si­ko­fak­to­ren wie Ver­än­de­rung des Hor­mon­le­vels, Dro­gen­miss­brauch, Stress, eine un­glück­li­che Ehe oder fa­mi­liä­re Ge­walt fest­ge­hal­ten. Ne­ben die­sen Um­welt­ein­flüs­sen schei­nen al­ler­dings auch an­ge­bo­re­ne, ge­ne­tisch be­ding­te Fak­to­ren ei­nen Ein­fluss auf das Er­kran­kungs­ri­si­ko an Postpar­ta­ler De­pres­si­on zu ha­ben. Die Er­kran­kung bleibt oft un­be­han­delt, da Frau­en die Sym­pto­me nicht er­ken­nen oder kei­ne Mög­lich­keit ha­ben, pro­fes­sio­nel­le Hil­fe in An­spruch zu neh­men.

Ein For­scher­team um Eli­sa­beth Bin­der am Max-Planck-In­sti­tut für Psych­ia­trie in Mün­chen hat Bio­mar­ker im Blut ge­fun­den, über die be­reits vor der Ge­burt Ri­si­ko­pa­ti­en­ten iden­ti­fi­ziert und ent­spre­chend be­han­delt wer­den kön­nen. In Zu­sam­men­ar­beit mit Wis­sen­schaft­lern der Emo­ry Uni­ver­si­ty School of Me­di­ci­ne (At­lan­ta, USA) ha­ben die For­scher Blut­pro­ben von 45 Frau­en aus dem ers­ten und drit­ten Schwan­ger­schafts­drit­tel un­ter­sucht. Die Pro­ban­din­nen wa­ren zu­vor an­hand ih­rer me­di­zi­ni­schen oder so­zia­len Vor­ge­schich­te als Ri­si­ko­pa­ti­en­tin­nen ein­ge­stuft wor­den. Von die­sen Frau­en ent­wi­ckel­ten 17 tat­säch­lich eine Postpar­ta­le De­pres­si­on, 28 blie­ben sym­ptom­frei. Ein Ver­gleich der Blut­ana­ly­sen er­gab, dass bei Frau­en, die spä­ter an ei­ner De­pres­sio­nen lit­ten, über 100 Gene an­ders ab­ge­le­sen wur­den als bei ge­sun­den Pro­ban­din­nen. Die Wis­sen­schaft­ler be­nutz­ten die­se Gene nun als Bio­mar­ker und konn­ten mit ih­nen in 88 Pro­zent der Fäl­le kor­rekt vor­her­sa­gen, ob eine Pro­ban­din an ei­ner Postpar­ta­len De­pres­si­on er­kran­ken wür­de. Eine wei­te­re Un­ter­su­chung von 24 Frau­en im drit­ten Schwan­ger­schafts­drit­tel kam zum sel­ben Er­geb­nis.

Der Test er­öff­net so­mit die Mög­lich­keit, das Ri­si­ko ei­ner Wo­chen­bett­de­pres­si­on schon vor der Ge­burt ein­zu­schät­zen. In dem Fall könn­te man ge­fähr­de­ten Frau­en recht­zei­tig pro­fes­sio­nel­le Hil­fe an­bie­ten, schrei­ben die For­scher.

„Von den über 100 iden­ti­fi­zier­ten Ge­nen hän­gen rund 34 Pro­zent über­ra­schen­der­wei­se mit Vor­gän­gen zu­sam­men, die durch das weib­li­che Se­xu­al­hor­mon Ös­tro­gen re­gu­liert wer­den“, er­klärt Di­vya Meh­ta, wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Max-Planck-In­sti­tut für Psych­ia­trie und Er­st­au­torin der Stu­die. „Zwar lag der Ös­tro­gen­spie­gel im Blut al­ler Pro­ban­din­nen ähn­lich hoch, aber Frau­en, die spä­ter eine Postpar­ta­le De­pres­sio­nen ent­wi­ckel­ten, schie­nen stär­ker auf Ös­tro­gen-ver­mit­tel­te Si­gna­le zu re­agie­ren.“

Aus frü­he­ren Stu­di­en weiss man, dass Ös­tro­gen ei­nen Ein­fluss auf die Ge­müts­la­ge ha­ben kann. Mög­li­cher­wei­se re­gu­liert das Hor­mon die Men­ge des Glücks­hor­mons Se­ro­to­nin im Ge­hirn. Bei Frau­en mit er­höh­ter Ös­tro­gen­emp­find­lich­keit könn­te dem­nach das Ab­sen­ken des Ös­tro­gen­le­vels nach der Ge­burt ei­nen ver­stärk­ten Se­ro­to­nin­man­gel im Ge­hirn aus­lö­sen und die Ge­müts­la­ge ne­ga­tiv be­ein­flus­sen.

Aus der For­schung: D. Meh­ta et al.:  Psy­cho­lo­gi­cal Me­di­ci­ne, , Page 1 of 14. Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press 2014, doi:10.1017/S0033291713003231

Letzte Aktualisierung: 17.02.2021, BH

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