Entspannung und Linderung durch Schwangerschaftsmassage
Interview mit Gabriela Opprecht
swissmom: Schwangerschaftsmassage ist in der Schweiz nicht sehr verbreitet. Wie haben Sie zu diesem Spezialgebiet gefunden?
Gabriela Opprecht: Vor vielen Jahren wurde eine Freundin von mir schwanger und hatte einige muskuläre Beschwerden. Ich wollte sie behandeln und massieren, doch wir waren beide mit den Liegepositionen nicht zufrieden. Eine Massage im Sitzen kam nicht in Frage, da dies nicht entspannend war und auch die Seitenlage auf einer Massageliege empfand ich nicht ideal zum Arbeiten. So kamen für mich langfristig beide Positionen nicht in Frage und ich ging auf die Suche nach anderen Möglichkeiten. Da ich in der Schweiz nicht fündig wurde, fing ich an, meinen Radius zu erweitern. Bei meiner Suche stellte ich fest, dass die Schwangerschaftsmassage beispielsweise in den USA sehr verbreitet ist. Generell waren im Ausland manuelle Körpertherapien für schwangere Frauen viel weiter verbreitet. Ich fand verschiedene spezielle Lagerungskissen, in welchen eine schwangere Frau mit dem Gesicht nach unten liegen konnte und besorgte mir alle, um diese testen zu können. Ich begann auch, Ausbildungen in diesem speziellen Bereich im Ausland zu machen, da die Techniken und das Wissen dort bereits viel stärker entwickelt waren.
Ich traf damals in der Schweiz auf viel Skepsis von anderen Therapeuten, doch durch meine Zusammenarbeit mit Hebammen und Gynäkologen wurde ich in meiner Arbeit bestärkt. Durch mein langjähriges Wissen um die Bedürfnisse der Frauen und meine Anforderungen durch meine Arbeit habe ich mittlerweile mein eigenes Lagerungskissen für schwangere Frauen entwickelt und anfertigen lassen.
swissmom: Dann liegt es also auch an der Skepsis von Fachleuten, dass Schwangerschaftsmassage in der Schweiz weniger verbreitet ist?
Gabriela Opprecht: Einerseits dies und andererseits ist es auch ein komplett anderes therapeutisches Arbeiten für einen Therapeuten. Es sind zwar die gleichen Muskeln und das gleiche Gewebe bei einer schwangeren und einer nicht schwangeren Frau. Doch durch die hormonellen Veränderungen sind der Zustand und die Bedürfnisse ganz anders. Zudem behandelt man in dieser Zeit zwei Klienten gleichzeitig. Es muss auf beide Rücksicht genommen werden und beide müssen sich wohlfühlen. Fühlt sich das Baby in der Behandlung oder Massage nicht wohl, wird es dies umgehend seinem Mami mitteilen und diese wird sich rasch auch nicht mehr gut und entspannt fühlen. Man braucht die Erfahrung und die Ausbildung, um auf alle Situationen reagieren zu können - und auch die entsprechende Ausstattung.
Gabriela Opprecht ist med. Masseurin und Eidg. Dipl. Komplementärtherapeutin Reflexzonentherapie HFP. Durch Weiterbildungen im Ausland hat sie sich auf dem Gebiet der Massage während der Schwangerschaft und nach der Geburt spezialisiert. Weitere Infos unter schwangerschafts-massage.ch
swissmom: Wie muss man sich denn die Spezialkissen vorstellen, dank denen werdende Mütter auf dem Bauch liegend massiert werden können?
Gabriela Opprecht: Das erste ist ein Kissen, welches eher kleinere Einbuchtungen für Brust und Bauch hat. Dieses verwende ich eher für den Anfang des zweiten Trimesters, wenn der Bauch noch klein ist.
Mehrheitlich arbeite ich mit meinem grösseren Kissen. Dieses hat grössere Einbuchtungen für die Brust, da diese grösser und empfindlicher wird. Im Bereich des Bauchs bildet die Öffnung eine Art Bettchen. Das Material am Oberbauch ist eher weich und passt sich mehr der Form an. Das Material im Bereich des Beckens ist etwas fester, damit es mehr stützt und entlastet. So liegt die Frau nicht mit ihrem Eigengewicht auf dem Baby auf. Zudem befindet sich ein weicher Schaumstoff unter dem Babybauch, damit das Baby nicht frei in den Bändern hängt. Denn es darf auf keinen Fall eine Liege sein, die einfach eine Öffnung hat. Dies kann für das Baby gefährlich sein.
Die Öffnung für den Bauch lässt sich bei meinem Kissen bis zum Ende der Schwangerschaft vergrössern, sodass jeder Bauch Platz hat, auch bei einer Zwillingsschwangerschaft.
Nach der Geburt biete ich den Frauen ein weiteres spezifisches Lagerungskissen, sodass sie auch während der Stillzeit bequem mit dem Gesicht nach unten liegen können.
swissmom: Welche Möglichkeiten gibt es für Frauen, die trotz des bequemen Kissens nicht auf dem Bauch liegend massiert werden möchten?
Gabriela Opprecht: Da ich den Frauen mehrere Kissen anbieten kann, finden wir meistens eines, auf dem sie sich wohlfühlen und dies kommt nur noch selten vor. Doch wenn sich eine Frau in dieser Position besser fühlt, biete ich ein spezielles Seitenlagerungskissen an. Auf diesem liegen sie mit dem ganzen Oberkörper. Das Kopf- und Körperkissen sorgt dafür, dass die Schulter freiliegt und nicht gequetscht wird. Das Becken wird damit zusätzlich gesondert entlastet. Bauch und Bein werden mit einem weiteren Kissen gestützt. Damit wird eine Seitenlage ebenfalls sehr bequem.
swissmom: Welche Schwangerschaftsbeschwerden können durch eine Rückenmassage gelindert werden?
Gabriela Opprecht: Die Massage kann auf verschiedene Bereiche oder Beschwerden einen lindernden und positiven Effekt haben. Verspannungen im Bereich von Schulter und Nacken können zu Kopfschmerzen und Stauungen führen. Verspannungen oder Blockaden im Bereich der Brustwirbelsäule können nicht nur die Bewegung, sondern auch die Atmung einschränken. Blockaden im Becken führen oft zu Reizungen des Ischiasnervs. In Verbindung mit der Auflockerung durch die Hormone kann dies gerne zu sehr unangenehmen Schmerzen im Gesäss führen. Mit gezielten Techniken im Becken sowie in Kombination mit Kinesiotapes kann eine deutliche Linderung dieser Beschwerden erzielt werden.
Durch die generelle Entspannung nach einer Massage verbessert sich auch der Schlaf der Frauen. Die Wirkung bzw. Linderung nach einer Schwangerschaftsmassage kann vielfältig und unterschiedlich sein und ist auch abhängig von der angewendeten Technik. Wichtig ist jedoch, dass die Massage, Reflexzonentherapie oder andere Körpertherapie von einer ausgebildeten Fachperson durchgeführt wird. Denn eine Schwangerschaftsmassage darf nicht unterschätzt werden. Obwohl sie sich sanft anfühlt, hat sie eine sehr intensive Wirkung auf die werdende Mutter und das ungeborene Kind.
swissmom: Welche Vorzüge bringt die Lymphdrainage in der Schwangerschaft?
Gabriela Opprecht: Diese verschafft vor allem bei Schwellungen und Stauungen in den Beinen Linderung. Auch bei Schweregefühl oder Brennen in den Füssen bringt sie Besserung. Allerdings geht es hier mehr darum, die Symptome zu bekämpfen, denn wenn eine Frau viel stehen muss, kehren die Beschwerden nach einiger Zeit wieder zurück. Wenn im Becken etwas blockiert ist, kann man das mithilfe verschiedener Techniken lösen und eine anhaltende Besserung bewirken. Bei Schwellungen ist das anders, diese kommen nach einiger Zeit wieder zurück. Darum arbeite ich hier zusätzlich mit Lymphtapes oder leichten Kompressionsleggings. Bei plötzlich auftretenden starken Ödemen sollte jedoch auch immer eine Gynäkologin oder ein Gynäkologe kontaktiert werden.
swissmom: Was bewirken die von Ihnen erwähnten Kinesiotapes?
Gabriela Opprecht: Mittlerweile bezeichne ich Kinesiotapes als meine "Wunderwaffe" und ich kombiniere sie täglich in meinen Behandlungen. Da sie frei von Medikamenten oder anderen Wirkstoffen sind, ist die Kombination in der Behandlung von schwangeren oder auch stillenden Frauen ideal. Je nach Technik, wie sie angebracht werden, können sie z. B. den Bauch entlasten und zugleich die Lende stützen. Dadurch fühlen sich die Frauen im Alltag entlastet und finden nachts auch einfacher eine bequeme Schlafposition. Nacken-Tapes entlasten; Lymph-Tapes verbessern die Flüssigkeitszirkulation. Nach der Geburt können die Tapes den Milchfluss oder die Rückbildung unterstützen.
swissmom: Welche Vorteile bringt eine Fussreflexzonenmassage in der Schwangerschaft?
Gabriela Opprecht: Über die Füsse besteht die Möglichkeit, auf Organsysteme im ganzen Körper Einfluss zu nehmen. In der Schwangerschaft leiden viele Frauen unter Verdauungsbeschwerden und Verstopfung. Da kann man mit der Reflexzonentherapie ohne Medikamente unterstützend einwirken. Ich verwende Fussreflexzonentherapie oft auch in der Geburtsvorbereitung.
swissmom: Gibt es Fälle, in denen eine schwangere Frau auf Massagen verzichten sollte?
Gabriela Opprecht: In den ersten Schwangerschaftswochen bzw. bis zur 14. SSW rate ich, mit einer Massage abzuwarten. In der Schwangerschaft sollten Frauen nur bei einer Fachperson zur Massage gehen. Frauen, die eine Risikoschwangerschaft haben, sollten verzichten bzw. mit ihrem Gynäkologen oder ihrer Gynäkologin besprechen, ob eine Massage möglich ist. Besteht beispielsweise ein Thromboserisiko, sollte man definitiv von einer Massage absehen. Auch bei frühzeitigen Wehen oder einem schlechten Allgemeinzustand sollten Schwangere auf Massagen verzichten. Wenn Frauen eine Massage möchten, jedoch unsicher sind, dürfen sie bestimmt bei ihrem Arzt, ihrer Ärztin oder ihrer Hebamme nachfragen. Im Weiteren stehe ich den Frauen sehr gerne jederzeit für zusätzliche Informationen zur Verfügung.
swissmom: Sie empfehlen die Schwangerschaftsmassage ab dem 4. Schwangerschaftsmonat. Warum sollte eine Frau sich nicht bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel massieren lassen?
Gabriela Opprecht: Dies liegt daran, dass in den ersten drei Monaten die meisten Veränderungen im Körper stattfinden. Da sind einerseits die ganzen hormonellen Veränderungen, andererseits die körperlichen und psychischen Veränderungen. Der Körper bildet mehr Flüssigkeiten und das Kind muss sich gut einnisten. Aus diesem Grund ist es besser, wenn man dem Körper diese Zeit der Veränderung lässt und einige Wochen abwartet. Die Gynäkologen und Hebammen, mit denen ich mich zu diesem Thema ausgetauscht habe, waren sich jedoch einig, dass es kaum möglich sei, durch eine Massage bei einer gesunden, normal verlaufenden Schwangerschaft eine Frühgeburt auszulösen.
swissmom: Sie bieten auch Massagen nach der Geburt an. Dienen diese ausschliesslich der Entspannung oder helfen sie auch bei Beschwerden, die im Alltag mit dem Neugeborenen auftreten?
Gabriela Opprecht: Nach der Schwangerschaft und der Geburt verändert sich die Körperhaltung erneut. Durch das Stillen und einseitige Tragen ist der Körper oft enorm verspannt. Da können Massagen einen sehr positiven Effekt auf die Muskulatur ausüben.
Nach der Schwangerschaft verwende ich noch immer ein besonderes Lagerungskissen, damit die Frauen während der Stillzeit trotzdem bequem in Bauchlage liegen können. Zusätzlich verwende ich auch hier nach Bedarf ein Kinesiotape, z. B. bei einer Rektusdiastase, um die Rückbildung zu unterstützen.
Ich biete in meiner Praxis eine Federwiege mit Motor an. So können Frauen, die ihr Baby zur Massage mitnehmen möchten, es bequem für ein "Powernap" in die Wiege legen, wo es friedlich geschaukelt wird.
swissmom: Wie sieht es mit der Kostenübernahme der Massage durch die Krankenkasse aus?
Gabriela Opprecht: Massagen werden über die Zusatzversicherung abgegolten, es bleibt aber meistens ein Selbstbehalt. Ob die Kosten übernommen werden, hängt einerseits von der Versicherung ab, andererseits davon, ob der Therapeut von den Krankenkassen anerkannt ist. Ich bin von den meisten Krankenkassen anerkannt. Ich empfehle den Frauen jeweils, vor der Behandlung mit der Krankenkasse Rücksprache zu halten, damit keine Missverständnisse diesbezüglich bestehen. Die Behandlungen müssen vor Ort bezahlt werden, danach erhalten die Frauen einen Rückforderungsbeleg, den sie bei ihrer Krankenkasse einreichen können.
swissmom: Wie finden Frauen ein Angebot für Schwangerschaftsmassage in ihrer Nähe?
Gabriela Opprecht: Mehrheitlich über das Internet. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Person für Schwangerschaftsmassagen ausgebildet ist. Ich würde ausschliesslich eidgenössisch diplomierte Therapeuten empfehlen. Dies bedeutet immer, dass der Therapeut oder die Therapeutin eine langjährige Ausbildung hat. Oft können auch Hebammen oder Gynäkologen Auskunft geben.