Haben Eltern ein Imageproblem?

Vater sitzt mit Baby auf dem Sofa
©
iStock

Autsch! Diese Ohrfeige hat weh getan. Dass die Mehrheit der Bundesräte die Einführung des Vaterschaftsurlaubes nicht unterstützt, haben wohl viele erwartet. Dass aber an ein und demselben Tag verkündet wird, für eine gigantische Sportveranstaltung hätte man schon noch ein paar Milliönchen übrig, war ziemlich heftig. Selbst einige der Väter und Mütter, die nicht ganz sicher sind, ob sie eine 20-tägige Papizeit befürworten, dürften sich nach dieser Watsche einen Moment lang die brennende Wange gerieben haben. Immerhin bekommt man nicht alle Tage so deutlich vor Augen geführt, welchen Stellenwert familienpolitische Anliegen hierzulande haben. 

Menschen, die keine Kinder haben, fragen sich wohl zuweilen, ob wir Eltern wirklich nur diese eine alte Litanei kennen, die wir immer und immer wieder herunterbeten: Ein Vaterschaftsurlaub, der knapp dazu reicht, der Mutter beim Gebären beizustehen. Mutterschaftsurlaub viel zu kurz. Krippenkosten zu hoch. Lebenskosten horrend, so dass ein Einkommen pro Familie in den wenigsten Fällen reicht. Kein Ansehen für Eltern, die auf Luxus verzichten, um trotzdem mit einem Einkommen durchzukommen. Kein Raum, wo sich Kinder austoben können. Die totale Überforderung, wenn keine Grosseltern da sind, die hin und wieder einspringen. Kaum Möglichkeiten, einmal auszuspannen, um neue Kräfte zu tanken für das anspruchsvolle Leben mit Kind... Natürlich ist es stets die gleiche Litanei. Aber wir stimmen sie doch nur darum immer und immer wieder an, weil wir an so vielen Tagen nicht wissen, wie wir alles schaffen sollen, ohne dabei verrückt zu werden. Und weil wir - falls das Familienbudget Reisen noch zulässt - weit genug in Europa herumkommen, um zu wissen, dass man an anderen Orten pfleglicher umgeht mit Eltern und Kindern.

Wer solche Dinge in Zeiten von Social Media jedoch öffentlich äussert, bekommt schnell einmal eins aufs Dach. Man braucht sich nur einmal die Kommentare anzuschauen, die unter einem Artikel erscheinen, in dem es um ein Familienanliegen wie den Vaterschaftsurlaub geht. Oder in dem ein Erziehungsexperte erläutert, woran die Jugend von heute krankt. Dort darf man dann lesen, was man von uns Eltern hält: Nicht viel. Wir sind faule Egoisten, die sich den Luxus Kind leisten, ohne die Konsequenzen, die dieser Entscheid mit sich bringt, tragen zu wollen. Und dann lassen wir uns fürs Nichtstun auch noch mit Kinderzulagen, Mutterschaftsurlaub und bezahlten Stillpausen fürstlich entlöhnen. Während frühere Generationen noch wussten, dass die Mama im Büro und der Papa am Wickeltisch nichts zu suchen hat, wollen wir einfach alles auf den Kopf stellen. Karriere, Smartphone und teure Ferien sind uns wichtiger als unsere Knöpfe, die wir komplett vernachlässigen und viel zu früh in die Krippe abschieben.

Klar, solche Kommentare sind Extrembeispiele, doch auch wer schon einmal mit einem tobenden Kleinkind in einem vollen Bus unterwegs war, hat es zu spüren bekommen: Wir Eltern haben ein Imageproblem. Man glaubt uns nicht, dass wir alles dafür tun, damit unsere Kinder gesund und wohlumsorgt aufwachsen können. Man erkennt nicht, dass es uns meistens nicht an gutem Willen, sondern an guter Unterstützung fehlt. Man wirft uns vor, wir wollten auf Biegen und Brechen den Fünfer und das Weggli haben. Dabei brauchen wir doch den Fünfer, damit wir unserem Kind das Weggli bezahlen können. Solange man uns das alles nicht glaubt, kommen wir natürlich nicht weiter mit unseren Anliegen. Erst recht nicht, wenn manche Eltern die Diskussion dazu missbrauchen, Gift und Galle zu speien gegen Mütter und Väter, die sich erfrechen, ein anderes Familienmodell als das Ihre zu leben.  

Wie wäre es denn, wenn wenigstens wir Eltern über unsere Differenzen hinwegsähen und uns stattdessen endlich zusammenraufen würden? Dann könnten wir mit einer Stimme laut und deutlich verkünden: „Wir sind diejenigen, die sich hier und heute um die heranwachsende Generation kümmern. Folglich wissen wir auch am besten, was es braucht, damit wir unseren Job gut machen können. Also lasst uns endlich vorwärts machen mit einer Familienpolitik, die diesen Namen verdient.“

Damit wären zwar nicht alle Widerstände aus dem Weg geräumt und unser Image würde sich auch nicht von heute auf morgen verbessern. Aber immerhin könnte man uns nicht mehr mit dem Argument kommen: „Die Eltern sind sich ja auch nicht einig, ob sie das wirklich wollen, also können die Dinge doch bleiben, wie sie sind."

Letzte Aktualisierung: 02.11.2017, TV