Ich packe in meinen Koffer...
Na ja, eigentlich müsste der Titel ja lauten: "Ich würde in meinen Koffer packen, so ich denn noch einen für mich ganz alleine hätte", aber das ist ein bisschen sperrig. Also klingt es jetzt halt so, als hätte ich noch einen Koffer ganz für mich alleine, den ich nach meinen Bedürfnissen packen darf. In Wirklichkeit bin ich natürlich schon längst dazu übergegangen, kurz vor der Abreise meine allernötigsten Habseligkeiten in die letzten verbliebenen Freiräume des Reisegepäcks zu wursteln. Mehr liegt nicht mehr drin, seitdem wir mit Kindern reisen.
Anfangs ist es noch die pure Furcht, am Reiseziel plötzlich etwas ganz Entscheidendes nicht dabei zu haben, die uns Eltern dazu treibt, die komplette Babyausstattung mitzuschleppen, wenn wir verreisen. In der Theorie wissen wir zwar, dass ein Baby nichts weiter braucht als Nahrung, Kleidung, Wickelutensilien und ganz viel Nähe und meistens reisen wir ja auch in Länder, in denen alles, was trotzdem fehlt, problemlos zu haben wäre. Aber was, wenn der Hochstuhl in der Ferienwohnung nicht bequem genug ist? Wenn das Babybett, von dem in der Wohnungsbeschreibung die Rede war, keine Gitter hat? Wenn das Nachtlicht dem Baby nicht zusagt? Wenn die Hotelküche nicht in der Lage ist, das Fläschchen genau so zu wärmen, wie es der eigene Fläschchenwärmer hinkriegt? Wen die Handtücher nicht so weich sind, wie die zarte Babyhaut sie liebt? Also schleppen wir die ganze Bagage, die uns zu Hause den Alltag erleichtert, mit uns mit, und wenn wir wieder zurück sind, fragen wir uns, warum wir uns das angetan haben, wo das Baby doch ohnehin fast die ganze Zeit im Tragetuch geschlafen hat und nichts brauchte als Nahrung, Kleidung und Wickelutensilien.
Wenn wir das nächste Mal verreisen, sind wir klüger, wir Eltern. Ginge es nach uns, nähmen wir diesmal nur das Allernötigste mit. Aber das geht nicht mehr, denn inzwischen ist aus dem Baby ein Kleinkind geworden und Kleinkinder können nun mal nicht sein ohne den grossen Teddy, der sie jeden Abend in den Schlaf begleitet. Dann ist da noch die Kuscheldecke, die das fremde Bett zu einem vertrauten Ort machen soll. Und ein ganzer Stapel Bilderbücher, die ihren festen Platz im Tagesablauf haben. Ein Tagesablauf, den man in den Ferien besser nicht allzu sehr durcheinander bringt, weil das negative Auswirkungen auf die kindliche Laune haben könnte. Mit grosser Wahrscheinlichkeit kommen noch ein paar Spielsachen hinzu, die gerade hoch im Kurs stehen, weshalb sie natürlich auch mit müssen. Dies ist nur die Grundausstattung, ohne die kein halbwegs anspruchsvolles Kleinkind sich auf Reisen begibt, je nach Vorlieben können auch noch weitere unentbehrliche Dinge hinzukommen, die den Platz im Kofferraum eng werden lassen.
Irgendwann kommt dann der Tag, an dem das Kind seinen eigenen Koffer packen will, also machen wir ihm eine Packliste, damit bestimmt nichts vergessen geht. Wir sollten uns nicht wundern, wenn der Inhalt des fertig gepackten Koffers leicht von dem abweicht, was wir auf der Liste notiert haben, denn Kinder setzen gewöhnlich andere Prioritäten als ihre Eltern. In unserem Fall sah das vor einer dreiwöchigen Ferienreise mal folgendermassen aus:
300 Legosteine (Vielleicht waren es auch 299 oder 305, auf alle Fälle ganz schön viele.)
Ein Veloschloss ohne Schlüssel
Zwei Holzschwerter
Ein Buch mit dem Titel "Zum Glück bist du nicht Tutanchamun" (Nein, die Reise führte nicht nach Ägypten.)
Zwei Stofftiere
Eine kaputte Baustellenlaterne
Ein Malkasten
Eine Unterhose
Ein Paar Socken
Ein T-Shirt
Eine Badehose
Eine kurze Hose
Ein Pyjama
In zähen Verhandlungen gelang es uns, den Anteil an Kleidungsstücken zu erhöhen und die Zahl der Legosteine zu reduzieren, aber der Rest musste mit, darauf bestand das Kind und irgendwann sahen wir uns zum Nachgeben gezwungen, weil sonst der Nachtzug ohne uns abgefahren wäre.
Wer glaubt, es werde später, wenn die Kinder gross und halbwegs vernünftig sind, ein wenig besser, der irrt. Bei den einen muss plötzlich ein ganzes Arsenal an Kosmetikprodukten mit, andere weigern sich, ohne ihre Geige zu verreisen und es soll gar vereinzelte Teenager geben, die auch in den Ferien das Lernen nicht lassen können, weshalb sie ihr halbes Schulmaterial mitschleppen.
Übrigens haben Kleinkinder, Schulkinder und Teenager in Sachen Gepäck noch etwas gemeinsam: Sie würdigen die Dinge, die sie auf alle Fälle mitschleppen wollten, während der Ferien keines Blickes. In der Regel bleiben die Sachen die ganze Zeit über im Koffer verstaut.
Jawohl, genau in dem Koffer, den ich ganz gerne für mich alleine gehabt hätte, damit ich auch noch ein paar Dinge hätte mitschleppen können, die ich in den Ferien gar nicht brauche.