Badevergnügen
In diesen Tagen öffnen die ersten Freibäder ihre Tore und schon bald werden wir wieder am Rand des Babybeckens sitzen, die Füsse im seichten, lauwarmen Wasser, die Augen auf unseren Nachwuchs gerichtet, dazwischen aber immer wieder abgelenkt durch die Menschen, die sich um uns herum tummeln. Da wären zu Beispiel...
Die Ausgerüsteten
Für jedes Familienmitglied ein überdimensioniertes Strandtuch, ein riesiger Sonnenschirm mit Standfuss, Liegestühle, eine Kühlbox mit Vorräten, die für drei Tage reichen würden, Aufblasbares in allen Farben und Formen, Spielsachen für den Sandkasten, Kartenspiele für die Pause nach dem Mittagessen, Sonnenschutz für jede erdenkliche Art von Sonneneinstrahlung, eine Apotheke für kleine Notfälle, eine breite Palette an Schwimmhilfen, Lektüre für Mama und Papa, Ersatzkleider für alle, vielleicht ein kleiner Grill und sonst noch ein paar Dinge, die man im Laufe des Tages eventuell brauchen könnte. Hat sich diese Familie erst mal breit gemacht, bleibt für alle anderen nur noch ein kleiner Rest der Liegewiese frei.
Der Aufblastier-Kapitän
Aufblastier-Kapitäne sind in der Regel Abkömmlinge der Ausgerüsteten. Der aufblasbare Delfin ist um einiges grösser als das Kind, das ihn andauernd hinter sich herzieht und damit ein verfrühtes Ableben seines geliebten Schwimmtiers riskiert. (Was kein Problem wäre, denn die Eltern hätten bestimmt ein Ersatztier dabei.) Stolz wie Oskar lässt sich das Kind auf dem Delfinrücken durchs Wasser treiben, wer nicht rechtzeitig zur Seite springt, muss abtauchen. Das majestätische Schauspiel findet meist im Flussbad sein Ende, wo der Aufblastier-Kapitän in Seenot gerät und von seinen Erzeugern aus den kühlen Fluten gerettet werden muss.
Die Poolside-Mama, auch grosse Wasserverächterin genannt
Um nichts in der Welt würde sie ihren Nachwuchs, der schon längst schwimmen kann und sie um Haupteslänge überragt, aus den Augen lassen. Dabei darf sie aber auf gar keinen Fall nass werden, denn sonst könnte die Frisur leiden, oder der Nagellack oder sonst irgendwas. Also sitzt sie mit Leidensmiene neben dem Schwimmbecken, sorgsam darauf bedacht, nicht einen einzigen Spritzer Wasser abzubekommen, wenn Söhnchen oder Töchterchen ins Wasser hüpft.
Das Spielplatz-Kind, auch kleiner Wasserverächter genannt
Eigentlich sind die Eltern ja gekommen, um dem Kind etwas Spass im Wasser zu bieten, aber es hat nur Augen für den Spielplatz. Den ganzen Nachmittag buddelt es vergnügt im Sand, schaukelt auf dem Pferdchen und macht das Klettergerüst unsicher.
Sicheres Badevergnügen
Ums Babybecken macht es einen weiten Bogen und bekommt es trotzdem mal einen Tropfen Wasser ab, bricht es in Tränen aus. Das wäre an sich kein Problem, bloss hätten die Eltern dazu nicht mit dem Auto herfahren, zwanzig Minuten nach einem Parkplatz suchen, Eintritt bezahlen und sich umziehen müssen. Diese Art von Spass hätte das Kind nämlich auch auf dem Spielplatz gleich vor dem Haus haben können.
Die „Ich treibe mich bestimmt nicht im Babybecken rum“- Mama
Sie glaubt doch allen Ernstes, sie könne sich ersparen, was alle anderen über sich ergehen lassen müssen: Die quälenden Stunden am seichten Wasser, das nicht allein von der Sonneneinstrahlung so warm hat werden können. Mit Vorliebe planscht sie mit ihrem Baby im Auffangbecken vor der Wasserrutsche, würde es der Bademeister nicht verbieten, hielte sie sich auch im Sprungbecken unter dem Dreimeterbrett auf. Natürlich ist sie stets in Begleitung anderer Mamas ihrer Sorte, denn nur so bekommt sie den aktuellen Tratsch mit. Hier, im tiefen Wasser, ist sie der glücklichste Mensch auf Erden. Zumindest solange keines dieser grässlichen Schulkinder angerutscht kommt und ihrem kleinen Liebling Chlorwasser in die Äuglein spritzt.
Der überengagierte Opa
Er holt nach, was er bei seinen Kindern verpasst hat und zwar mit vollem Einsatz. Mit der Ernsthaftigkeit eines Offiziers unterweist er seine Enkel in der Kunst des Schwimmens, Tauchens und Springens, seine mit kräftiger Stimme vorgetragenen Anweisungen sind im ganzen Schwimmbad zu vernehmen. Wer es wagt, quer durch seinen Exerzierplatz zu schwimmen, bekommt eine Standpauke zu hören, die es in sich hat.
Der Babybecken-Schreck
Eigentlich gehörte dieses Kind ins Kinderbecken, denn schwimmen kann es schon längst, wenn auch nicht besonders gut. Es macht ihm aber viel mehr Spass, den Kleinkindern, die sich eben erst ans Wasser gewöhnen, einen Schrecken einzujagen. Mit etwas Glück finden sich sogar zwei oder drei Gleichgesinnte, die mit lautem Kreischen und gewagten Sprüngen Leben ins beschauliche Babybecken bringen. Ein herrlicher Badespass. Wenn bloss diese bornierten Kleinkind-Eltern nicht wären, die andauernd motzen.
Der Rutschbahn-Papa
Im Alltag ist er ein seriöser Mann, der brav seinen Pflichten nachgeht. Kaum aber sieht er eine Wasserrutsche vor sich, erwacht das Kind in ihm und bald kann er nicht mehr genug davon bekommen, sich mit seinem Sprössling auf dem Schoss wie ein Irrer ins Vergnügen zu stürzen. Wunderbar, wie er sich gehen lassen kann. Zu blöd, dass sein inneres Kind nie Manieren gelernt hat, weshalb er sich an der Warteschlange andauernd vordrängt und auch nicht davor zurückschreckt, kleine Mädchen und Jungen rücksichtslos zur Seite zu schieben, um schneller auf die Rutsche zu kommen.
Die ewig Hungrigen
Baden macht Appetit, erst recht wenn der Wind den Duft von Pommes und Nuggets in Richtung Schwimmbecken weht. Wieder und wieder eilen sie zum Kiosk, um für sich und ihre Kinder die Delikatessen zu besorgen, die in der Fritteuse baden. Natürlich darf zwischendurch auch etwas Süsses nicht fehlen. Das Geld, das sie bis Ende Saison am Kiosk liegen lassen, würde locker für drei Wochen Familienferien am Mittelmeer reichen.
Die kleine Nervensäge
Dieses eine Kind, das sämtlichen anderen Kindern Eimerchen, Wasserbälle und Badeentchen entreisst, sich hinterrücks an sie ranmacht, um ihnen Wasser über den Kopf zu kippen und mit Genuss den kalten Wasserstrahl des Brunnens auf die am Rande sitzenden Poolside-Mamas richtet. Vergeblich warten alle darauf, dass die Eltern den kleinen Tyrannen in die Schranken weisen; einschreiten mag aber niemand, denn der Nervensägen-Papa ist nicht nur muskelbepackt, sein grimmiger Blick macht auch unmissverständlich klar, dass man sich mit ihm besser nicht anlegt.
Die Schwimmbad-Muffel
Sie möchten nicht hier sein, das sieht man ihnen schon von Weitem an, aber sie müssen, weil es schlicht und einfach unmenschlich wäre, dem Nachwuchs an diesem heissen Tag eine Abkühlung zu versagen. Alle drei Minuten schielen sie zur grossen Uhr um zu sehen, ob sie jetzt endlich lange genug mit gequälter Miene am Beckenrand gesessen haben und spätestens nach einer Stunde fangen sie an, auf Aufbruch zu drängen. Leider haben ihre Kinder dafür ganz und gar kein Musikgehör, denn wo sie es schon mal geschafft haben, ihre unwilligen Eltern ins Bad zu locken, werden sie nicht so schnell wieder aus dem Wasser kommen. Gewöhnlich schlurfen diese Mütter und Väter erst kurz vor Schwimmbadschluss mit gesenktem Kopf im Schlepptau ihrer triumphierend grinsenden Knöpfe in Richtung Ausgang.