Erfahrungsbericht einer Au Pair-Gastmutter
Mit der Frage, ob wir ein Au Pair einstellen möchten, befassten wir uns zum ersten Mal, als unser fünftes Kind unterwegs war. Bald einmal stellten wir jedoch fest, dass es gar nicht so einfach war, über eine Agentur ein Au Pair für einen Aufenthalt in der Deutschschweiz zu finden. Schliesslich vermittelte uns eine Bekannte eine junge Frau, die ihre Ausbildung abgeschlossen und noch keine feste Stelle gefunden hatte. Da sie aus der Deutschschweiz stammte, war es kein klassisches Au Pair-Arbeitsverhältnis, denn der Aspekt der Fremdsprache entfiel.
Nach drei Schnuppertagen war für alle klar, dass wir uns eine Zusammenarbeit gut vorstellen konnten. Ideal war, dass die junge Frau bereits eine Lehre abgeschlossen hatte und deshalb für den Arbeitsalltag in einer Grossfamilie besser gerüstet war als dies eine Schulabgängerin gewesen wäre. Die Kinder waren begeistert, eine "grosse Schwester" im Haus zu haben und wir Eltern schätzten es sehr, eine Entlastung in unseren alltäglichen Aufgaben zu haben. Da unser Au Pair sehr zuverlässig war, konnten wir Eltern uns den Luxus eines gemeinsamen freien Nachmittags erlauben. Im Gegenzug hatte das Au Pair dann frei, wenn wir Eltern beide zu Hause waren. Ein Vorteil war, dass die junge Frau bereits vor der Geburt zu uns kam. So war in der turbulenten Zeit rund um Geburt und Wochenbett alles eingespielt und wir konnten auf ein drittes Paar Hände zählen. Zwar fiel es mir nicht ganz leicht, klare Anweisungen zu geben und darauf zu bestehen, dass Arbeiten so ausgeführt werden, wie ich es erwarte, ansonsten klappte aber alles bestens und wir stehen noch heute in losem Kontakt zu der jungen Frau.
Unser zweites Au Pair kam zu uns, als unser Jüngster noch nicht ganz zwei Jahre alt war und ich mich in einem grösseren Projekt zu engagieren begann. Zwar konnte ich zu Hause arbeiten, doch ohne Mithilfe in der Kinderbetreuung wäre die Arbeit nicht zu schaffen gewesen. Nachdem wir erfolglos versucht hatten, über eine Agentur ein Au Pair aus der Romandie oder dem Tessin zu finden, schalteten wir ein Profil bei AuPairWorld auf. Bald entstand ein Kontakt zu einer jungen Frau aus Deutschland, die ihren Au Pair-Aufenthalt im englischen Sprachraum abgebrochen hatte und nun auf der Suche nach einer Zwischenlösung für ein halbes Jahr war. Bereits im schriftlichen Kontakt hatten wir einen sehr guten Eindruck von ihr, der sich während der Schnuppertage bestätigte. Auch diese junge Frau schlossen unsere Kinder sogleich ins Herz. Da sie sowohl herzlich als auch konsequent war, vermochte sie unsere Rasselbande in Schach zu halten. Weil sie auch Wochenenden und Ferien mit uns verbrachte, entstand ein familiäres Verhältnis, das bis heute andauert. Entsprechend schwer fiel es, die junge Frau nach den vereinbarten sechs Monaten wieder ziehen zu lassen.
Nach diesen zwei positiven Erfahrungen war für uns klar, dass wir weiterhin mit Au Pairs arbeiten wollten und so suchten wir unser nächstes Au Pair wieder im Internet. Nach einiger Zeit hatten wir Kontakt zu einer jungen Frau, die uns als geeignet erschien. Im schriftlichen und telefonischen Kontakt bekamen wir einen sehr positiven Eindruck. Weil die junge Frau aus Nordeuropa stammte, waren Schnuppertage leider nicht möglich, doch da sie vor ihrem Arbeitsantritt auf der Durchreise in der Schweiz war, kam es zumindest zu einem persönlichen Kennenlernen. Uns war bewusst, dass das Einleben diesmal etwas schwieriger werden könnte, da unsere Kinder das ehemalige Au Pair sehr vermissten und das neue Au Pair erst wenig Deutsch sprach. Wir waren aber zuversichtlich, dass diese Hürden bald einmal überwunden sein würden.
Leider war diese Einschätzung zu optimistisch gewesen. Die junge Frau stammte aus einer Familie, die sich stark von unserer lebhaften und teilweise chaotischen Grossfamilie unterschied. Daher fühlte sie sich nicht wohl bei uns, was sie allerdings nicht offen anzusprechen wagte. Wir spürten zwar, dass etwas nicht in Ordnung war und dass unser Au Pair ihrer Arbeit ohne grosse Begeisterung nachging, doch wir waren überzeugt, dass sich die Situation verbessern würde, sobald sie sich an den Alltag bei uns gewöhnt hätte und besser Deutsch spräche. Bei einem Standortgespräch erlangten wir den Eindruck, dass unsere Einschätzung richtig war und dass wir alle wohl einfach noch etwas Zeit brauchten. Offensichtlich hatten wir die Situation falsch eingeschätzt, denn von einem Wochenendausflug kehrte unser Au Pair nicht mehr zurück, dafür fanden wir in ihrem Zimmer einen Abschiedsbrief. Die Enttäuschung war gross, dass das Arbeitsverhältnis auf diese Weise endete und vor allem die Kinder litten unter diesem abrupten Abbruch.
Nach dieser Erfahrung beschlossen wir, vorerst einmal kein weiteres Au Pair zu suchen. Eine erneute Enttäuschung wollten wir unseren Kindern nicht zumuten und auch wir Eltern brauchten Zeit, um zu analysieren, was schief gelaufen war. Inzwischen sind unsere Kinder grösser und wir sind nicht mehr auf die Unterstützung durch ein Au Pair angewiesen. Alles in allem haben wir diese Art der Kinderbetreuung aber als eine grosse Bereicherung erlebt. Dass auch negative Erfahrungen dazu gehören, würde uns nicht davon abhalten, wieder ein Au Pair einzustellen, sollte es unsere familiäre Situation je wieder erfordern.