Schwanger und Rückenschmerzen? Es könnte schlimmer sein…
Aus der Forschung
Mit zunehmender Dauer der Schwangerschaft verschiebt sich mit dem Wachstum des Kindes nicht nur der Bauch, sondern auch der Schwerpunkt des Körpers nach vorne. Könnten Männer schwanger werden, hätten sie bald das Gefühl vorne überzukippen. Denn wenn der Körperschwerpunkt vor der Ebene des Hüftgelenks liegt, kann der Körper das Gleichgewicht nicht mehr halten. Aber schwangere Frauen kippen niemals um: Sie verdanken ihre Balance anatomischen Besonderheiten ihrer Lendenwirbelsäule, die erst jetzt entdeckt wurden.
Bekannt ist, dass die Wirbelsäule bei beiden Geschlechtern im unteren Bereich nach vorne gekrümmt ist. Diese so genannte Lordose erstreckt sich bei der Frau über drei Lumbalwirbel, bei Männern nur auf zwei Wirbel. In der Schwangerschaft erlaube dies eine stärkere Biegung ins Hohlkreuz und somit in Richtung des verschobenen Schwerpunktes. Zudem sorgten bei Frauen auch grössere Flächen und eine etwas andere Platzierung der Gelenke, die die Lendenwirbel verbinden, für eine bessere Ableitung des Gewichts und mehr Stabilität, sagt die Forscherin Katherine Whitcome von der Harvard University in Massachusetts, USA. Dies lasse die Wirbel nicht so leicht nach vorne abgleiten und entlaste damit die Rückenmuskulatur. Ein kleiner Trost für Hochschwangere mit quälenden Rückenschmerzen: Ohne diese anatomischen Besonderheiten wäre die Schwangerschaft noch viel anstrengender.
Schwangere Frauen seien in früheren Zeiten in ihrer Fortbewegung so eingeschränkt gewesen, dass sie zur leichten Beute von wilden Tieren geworden wären, vermutet die Forschergruppe. Deshalb habe sich die vermehrte Lordose schon früh in der Evolution des Menschen herausgebildet. Die Veränderungen fänden sich bereits beim Homo australopithecus, der vor zwei bis drei Millionen Jahren lebte. Bei Schimpansen sei sie dagegen noch nicht nachweisbar.
Aus der Forschung: K. Whitcome et al.: Nature 450, 2007, S. 1075–1078