Late Tal­ker - wenn das Kind erst spät spre­chen lernt

Kleines Kind versteckt sich unter dem Bett
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Man­che Kin­der las­sen sich mit dem Spre­chen­ler­nen viel Zeit. Wann wird ein Kind als "Late Tal­ker" be­zeich­net? Holt es sei­nen Rück­stand von selbst wie­der auf? Und wie kön­nen El­tern die Freu­de am Spre­chen för­dern? 

Was ist ein Late Tal­ker?


Wenn der ers­te Ge­burts­tag naht, spre­chen vie­le Kin­der be­reits ihre ers­ten Wört­chen. Im Lau­fe des zwei­ten Le­bens­jah­res wächst der Wort­schatz dann kon­ti­nu­ier­lich an und es wer­den ers­te Zwei­wort­sät­ze ge­bil­det. Man­che Zwei­jäh­ri­ge sind re­gel­rech­te Plau­der­ta­schen, die be­reits bis zu 200 Wör­ter spre­chen und noch viel mehr ver­ste­hen. Bei an­de­ren hin­ge­gen ent­wi­ckelt sich die Spra­che deut­lich lang­sa­mer. Ihre ers­ten Wört­chen spre­chen sie zwar auch ge­gen Ende des ers­ten Le­bens­jah­res, ihr Wort­schatz er­wei­tert sich an­schlies­send je­doch nur lang­sam.

Als "Late Tal­ker" wird ein Kind be­zeich­net, wenn es im Al­ter von 24 Mo­na­ten we­ni­ger als 50 Wör­ter spricht. Zum Kom­mu­ni­zie­ren ver­wen­det es häu­fig Mi­mik, Ges­ten und Ge­räu­sche. Auch im drit­ten Le­bens­jahr wächst sein Wort­schatz nur lang­sam. Ers­te Zwei- und Drei­wort­sät­ze spricht es erst im Al­ter von zwei­ein­halb oder drei Jah­ren und es gibt im­mer wie­der Pha­sen, in de­nen die Sprach­ent­wick­lung still­zu­ste­hen scheint. In al­len an­de­ren Be­rei­chen ist die Ent­wick­lung je­doch al­ters­ge­recht. Be­trof­fen sind zwi­schen 10 und 20 % al­ler Zwei­jäh­ri­gen, Jun­gen häu­fi­ger als Mäd­chen.

Zu­wei­len kön­nen sich wei­te­re Auf­fäl­lig­kei­ten be­merk­bar ma­chen. Dies ist je­doch nicht bei al­len be­trof­fe­nen Kin­dern der Fall und oft sind nur ein­zel­ne die­ser An­zei­chen vor­han­den:

  • Das Kind ver­wen­det über­wie­gend Laut­ma­le­rei­en, kind­li­che Wort­for­men ("Wau­wau" an­stel­le von Hund) und ei­ge­ne Wör­ter ("Baba" statt Ball).

  • Die Aus­spra­che ist oft schwer ver­ständ­lich, da das Kind An­fangs­lau­te weg­lässt,  Lau­te ver­wech­selt oder im­mer nur eine Sil­be von Wör­tern aus­spricht. 

  • Das Kind schaut zwar ger­ne Bil­der­bü­cher an, zeigt je­doch we­nig In­ter­es­se am Vor­le­sen und Ge­schich­ten hö­ren. 

  • Bei man­chen be­trof­fe­nen Kin­dern zei­gen sich auch Ver­ständ­nis­pro­ble­me, z. B. in­dem sie Mühe ha­ben, An­wei­sun­gen kor­rekt zu be­fol­gen. 

  • Das Kind nimmt nur sel­ten Blick­kon­takt auf, wenn man mit ihm spricht.

War­um ei­ni­ge Kin­der spät spre­chen ler­nen, ist nicht ab­schlies­send ge­klärt. Oft gibt es in der di­rek­ten Ver­wandt­schaft je­doch an­de­re Per­so­nen, die "Late Tal­ker" wa­ren oder bei de­nen eine Sprach­ent­wick­lungs­stö­rung fest­ge­stellt wur­de. Dass eine ge­ne­ti­sche Ur­sa­che zu­grun­de liegt, ist da­her na­he­lie­gend. Vor­über­ge­hen­de Hör­pro­ble­me, z. B. bei häu­fi­gen Er­käl­tun­gen, kön­nen sich zu­sätz­lich er­schwe­rend aus­wir­ken, wenn das Kind oh­ne­hin schon Schwie­rig­kei­ten beim Sprach­er­werb hat. 

Was ver­steht man un­ter dem Be­griff "Late Bloo­mer"? 


Man­che Kin­der ho­len ih­ren Rück­stand ganz von selbst auf, wenn der drit­te Ge­burts­tag naht. Der Wort­schatz nimmt deut­lich zu und im Sprach­ge­brauch be­steht kein er­kenn­ba­rer Un­ter­schied mehr zu gleich­alt­ri­gen Kin­dern. Auch spä­ter sind kei­ne Sprach­pro­ble­me mehr fest­stell­bar. Die­se Kin­der wer­den als "Late Bloo­mer" be­zeich­net - ihre Sprach­fer­tig­kei­ten "er­blü­hen" also ein­fach et­was spä­ter als bei an­de­ren Kin­dern. Fach­leu­te schät­zen, dass dies bei 30 - 50 % der "Late Tal­ker" der Fall ist. Bei den üb­ri­gen be­trof­fe­nen Kin­dern be­stehen auch spä­ter leich­te Sprach­auf­fäl­lig­kei­ten oder es wird eine Sprach­ent­wick­lungs­stö­rung dia­gnos­ti­ziert.  

Lei­der lässt sich bei ei­nem zwei­jäh­ri­gen Kind nicht mit Si­cher­heit vor­aus­sa­gen, ob es sei­nen Rück­stand von selbst auf­ho­len wird oder ob die Auf­fäl­lig­kei­ten ein frü­her Hin­weis auf eine Stö­rung sind. Es gibt je­doch ei­ni­ge An­zei­chen, die dar­auf hin­deu­ten kön­nen, dass ein Kind zu den "Late Bloo­mern" zählt: 

  • Das Kind zeigt ein gros­ses In­ter­es­se an Kom­mu­ni­ka­ti­on, ob­schon ihm das Spre­chen noch schwer­fällt. Es be­nutzt eine Viel­falt von Ges­ten und eine aus­drucks­vol­le Mi­mik, um sich sei­nem Um­feld mit­zu­tei­len.

  • Es wie­der­holt Wör­ter, nach­dem es sie ge­hört hat. 

  • Im Spiel ahmt es Si­tua­tio­nen aus dem All­tag nach (Sym­bol­spiel). Es setzt bei­spiels­wei­se die Pup­pe aufs Töpf­chen oder wiegt sei­ne Stoff­tie­re in den Schlaf.

  • Beim Be­trach­ten ei­nes Bil­der­bu­ches zeigt es auf Ge­gen­stän­de, die Sie be­nen­nen, ohne dass Sie ihm die­se vor­her ge­zeigt ha­ben

  • Es kann Auf­for­de­run­gen wie z. B. "Leg den Ted­dy in sein Bett­chen" auch dann be­fol­gen, wenn es nicht aus Ih­rer Ges­tik oder Mi­mik er­ra­ten kann, was ge­meint ist. 

Was tun, wenn ein Kind spät spre­chen lernt?


Wenn Sie den Ein­druck ha­ben, Ihr Kind habe ei­nen sehr klei­nen Wort­schatz und spre­che deut­lich we­ni­ger als Gleich­alt­ri­ge, soll­ten Sie nicht ein­fach ab­war­ten, ob es sei­nen Rück­stand von selbst auf­holt. Spre­chen Sie Ihre Be­ob­ach­tun­gen un­be­dingt bei der kin­der­ärzt­li­chen Kon­troll­un­ter­su­chung an, da­mit die wei­te­re Sprach­ent­wick­lung auf­merk­sam be­ob­ach­tet wer­den kann. Dies gilt auch dann, wenn Sie ver­mu­ten, Ihr Kind sei ein "Late Bloo­mer".

Bei ei­nem Kind, das spät spre­chen lernt, ist es sehr wich­tig, sei­ne Hör­fä­hig­keit zu un­ter­su­chen. Auch wenn das Hör­s­cree­ning nach der Ge­burt kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten ge­zeigt hat, kön­nen im wei­te­ren Ver­lauf der Ent­wick­lung Hör­stö­run­gen auf­tre­ten. Die­se ha­ben na­tür­lich ei­nen Ein­fluss auf die Sprach­ent­wick­lung. 

Bei ei­ner ver­zö­ger­ten Sprach­ent­wick­lung muss zu­dem die ge­sam­te Ent­wick­lung des Kin­des be­rück­sich­tig wer­den. Die Schwie­rig­kei­ten beim Spre­chen­ler­nen kön­nen ein Hin­weis sein auf eine all­ge­mei­ne Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung.  

Schliess­lich gilt es, die sprach­li­chen Fä­hig­kei­ten des Kin­des ge­nau zu un­ter­su­chen: Wie kom­mu­ni­ka­ti­ons­freu­dig ist es - nicht nur mit Wor­ten, son­dern eben­so mit Ges­ten, Mi­mik und Blick­kon­takt? Ver­steht es Wör­ter und Sät­ze auch ohne be­glei­ten­de Ges­ten und ohne den Zu­sam­men­hang, in dem es sie üb­li­cher­wei­se hört? Wie gross ist sein Wort­schatz? Wie ist sei­ne Aus­spra­che? Spricht es schon Zwei­wort­sät­ze? Etc. 

Die­se Un­ter­su­chun­gen ha­ben zum Ziel, mög­lichst gut ein­zu­schät­zen, ob wach­sa­mes Zu­war­ten an­ge­sagt ist oder ob das Kind schon früh eine sprach­the­ra­peu­ti­sche Un­ter­stüt­zung be­kom­men soll­te. 

5 Tipps, wie Sie die sprach­li­che Ent­wick­lung un­ter­stüt­zen kön­nen:


  1. Das Al­ler­bes­te, was Sie Ih­rem Kind bie­ten kön­nen, ist eine Um­ge­bung, in der das Spre­chen­ler­nen Freu­de macht. Dies ge­lingt, in­dem Sie All­tags­tä­tig­kei­ten nut­zen, um mit ihm ins Ge­spräch zu kom­men. Spra­che, die an Sin­nes­er­fah­run­gen und Er­leb­nis­se ge­knüpft ist, prägt sich be­son­ders gut ein. Wich­tig ist da­bei je­doch, dass Sie Ih­rem Kind nicht "die Oh­ren voll quas­seln". Da es sich sprach­lich noch nicht so gut aus­drü­cken kann, braucht es Zeit, um sei­ne Ge­dan­ken in Wor­te zu fas­sen. Ma­chen Sie dar­um im­mer wie­der Pau­sen beim Spre­chen, um ihm die­se Ge­le­gen­heit zu ge­ben. War­ten Sie ge­dul­dig, bis es ge­sagt hat, was es sa­gen möch­te. 

  2. Be­stehen Sie nicht dar­auf, dass Ihr Kind sei­ne Be­dürf­nis­se aus­schliess­lich mit Wor­ten aus­drückt. In ei­nem ers­ten Schritt soll es Freu­de an der Kom­mu­ni­ka­ti­on ent­wi­ckeln, in­dem es er­lebt, dass es ver­stan­den wird. Wie viel ein­fa­cher die Kom­mu­ni­ka­ti­on ge­lingt, wenn man die pas­sen­den Wör­ter ver­wen­det, lernt es nach und nach.

  3. Kor­ri­gie­ren Sie die Aus­sa­gen Ih­res Kin­des nicht di­rekt, wenn es Feh­ler macht. Grei­fen Sie statt­des­sen sei­ne Aus­sa­ge in Ih­rer Ant­wort auf und ver­wen­den Sie da­bei die kor­rek­te Form. Auf ähn­li­che Wei­se kön­nen Sie die Wör­ter, die es ver­wen­det, in ei­nen grös­se­ren Zu­sam­men­hang bet­ten. Zeigt es bei­spiels­wei­se auf ei­nen Ap­fel und sagt "Ap­fel", könn­ten Sie sa­gen: "Ja, ge­nau, das ist ein Ap­fel. Fühl mal, wie glatt sei­ne Scha­le ist."

  4. Re­den Sie mit Ih­rem Kind über die Din­ge, die es in­ter­es­sant fin­det. Weil es noch nicht vie­le Wor­te macht, müs­sen Sie dazu ganz be­son­ders auf sei­ne Ges­ten, sei­ne Mi­mik und sei­ne Blick­rich­tung ach­ten. Ge­hen Sie im­mer wie­der auf Au­gen­hö­he mit ihm, um die Welt aus sei­nem Blick­win­kel zu be­trach­ten. Hö­ren Sie ganz ge­nau hin, was es sagt und ver­su­chen Sie, es zu ver­ste­hen, auch wenn sei­ne Spra­che noch schwer ver­ständ­lich ist. 

  5. Ver­zich­ten Sie auf Drill und "Ab­fra­gen" von Wör­tern, die es schon kennt, aber noch nicht ganz kor­rekt aus­spre­chen kann. Bie­ten Sie ihm statt­des­sen die Mög­lich­keit, in sei­nen Ant­wor­ten Wör­ter zu wie­der­ho­len, die Sie ver­wen­den. Also z. B. beim Zvie­ri: "Möch­test du lie­ber das Bröt­chen oder die Bir­ne?" Viel­leicht zeigt Ihr Kind nur, was es ha­ben möch­te. Viel­leicht aber ver­wen­det es auch ei­nes der Wör­ter, das es von Ih­nen ge­hört hat - und das ist ein wich­ti­ger klei­ner Schritt in die ge­wünsch­te Rich­tung.

Letzte Aktualisierung: 14.03.2022, TV

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