Warum spricht unsere Tochter mit 27 Monaten noch fast nichts?
Die Sprachentwicklung verläuft bei jedem Kind unterschiedlich. Die ersten Wörter, der erste Zweiwortsatz, veranlassen Eltern häufig zu Vergleichen mit gleichaltrigen Kindern, was nicht selten zu Verunsicherungen führt.
Im Alter von 24 Monaten sprechen etwa 20 Prozent aller Kinder noch keine 50 Wörter und keine Sätze. Sie gelten als "späte Wortlerner". Die Hälfte dieser Kinder holen diesen Rückstand bis ins Alter von 3 bis 4 Jahren auf. Man nennt sie dann "Aufholer" oder "late bloomer" (to bloom = aufblühen). Trifft das "Aufblühen" nicht ein, muss eine Sprachentwicklungsstörung diagnostiziert und abgeklärt werden.
Für den Spracherwerb braucht es verschiedene Voraussetzungen. Ein gutes Hörvermögen ist entscheidend. Kinder erlernen die Sprache durch Imitation, durch Zuhören und durch Ausprobieren, wie ein Wort klingt, wenn es dies selbst artikuliert. Hat man im Alltag oder im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen beim Kinder- oder Hausarzt den Eindruck, ein Kind höre nicht gut, ist es wichtig, das Gehör möglichst rasch abzuklären. Eine Hörstörung kann angeboren sein oder zum Beispiel durch wiederholte Mittelohrentzündungen mit Erguss im Mittelohr erworben werden.
Ein weiterer Grund für eine Verzögerung des Spracherwerbs kann eine gestörte Motorik der Muskeln im Mund- und Zungenbereich sein, was dann auch zu einer undeutlichen Sprache führt. Selten gibt es auch eine emotionale Störung oder eine hirnorganische Erkrankung.
Weitere Ursachen für Spracherwerbsstörungen sind auch für den Kinderarzt nicht immer einfach zu diagnostizieren. Ein Beispiel wäre die Störung des Sprachverständnisses. Das Sprachverständnis ist für das Erlernen der Sprache wichtig, das heisst, die Kinder müssen den Symbolcharakter unserer Sprache begreifen und verstehen. Nur dann können sie die Sprache auch selber anwenden.
Im Bereich der Spracherwerbsstörungen arbeitet der Arzt eng mit einer Logopädin zusammen. Sie ist die Spezialistin auf diesem Gebiet. Sollte Ihr Kind eine unauffällige Gehöruntersuchung haben und im nächsten halben Jahr keine sprachlichen Fortschritte machen, kann eine Untersuchung bei einer Logopädin durch ihren Kinder- oder Hausarzt veranlasst werden.
Sie selber können in dieser Zeit darauf achten, dass Sie alltägliche Vorkommnisse gegenüber Ihrem Kind laufend kommentieren, damit es sprachliche Eindrücke bekommt. Versuchen Sie es jedoch nicht zu überfordern. Vielleicht gehört es ja zu den oben erwähnten "late bloomern".
Quelle: Dr. Nadia Sauter Oes und Prof. Gregor Schubiger, Kinderspital Kantonsspital Luzern.