Wenn der Partner kein Interesse an der Schwangerschaft zeigt

Eltern werden ist eine Paarangelegenheit. Doch was tun, wenn der Partner sich nicht mit einbringt?

Mann am Handy ignoriert Frau, die ihm einen Strampelanzug zeigen will
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Das Babybettchen aussuchen, bei der Vorsorgeuntersuchung gebannt den Herztönen lauschen, im Geburtsvorbereitungskurs das korrekte Atmen einüben: Viele Paare wollen diese speziellen Momente gemeinsam erleben. Doch manchmal zeigt der werdende Vater herzlich wenig Interesse an der Schwangerschaft - was für betroffene Frauen meist sehr schmerzhaft ist. 

In der Theorie wäre es ganz einfach: Sie beide werden Eltern - also stehen beide in der Verantwortung. Ihr Partner hat keinen Freipass, sich dieser Verantwortung zu entziehen, bloss weil die Schwangerschaft Ihr Leben zunächst einmal deutlich stärker verändert als seines. Dass er Sie unterstützt und Ihre Bedürfnisse wahrnimmt, während Sie die körperliche und mentale Hauptlast der Schwangerschaft tragen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. 

In der Praxis ist es dann zuweilen aber doch etwas schwieriger, denn da gibt es unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen, ungestillte Bedürfnisse, verletzte Gefühle und unausgesprochene Ängste. Im Folgenden einige Anregungen, wie Sie dennoch zu einem guten - oder zumindest einem besseren - Miteinander finden:  

Frau und Mann erleben die Schwangerschaft unterschiedlich


Dass ein Mann viele Dinge nicht nachvollziehen kann, die eine werdende Mutter erlebt, liegt in der Natur der Sache: Bei ihr machen sich schon bald einmal die ersten Symptome bemerkbar und die Frage, was für das Baby gut ist und was nicht, dominiert ab sofort ihr ganzes Leben. Für ihn hingegen bleibt das alles zunächst sehr abstrakt. Er bekommt zwar mit, unter welchen Beschwerden sie leidet, sieht den Bauch wachsen und spürt irgendwann die Kindsbewegungen durch die Bauchdecke. Davon, wie sich das alles anfühlt, kann er sich aber nur eine vage Vorstellung machen. 

Selbst der einfühlsamste und interessierteste Mann muss ziemlich viel zuhören und sich ins Thema einlesen, wenn er halbwegs nachvollziehen möchte, was seine Partnerin in den neun Monaten der Schwangerschaft alles erlebt. Ein werdender Vater, der die Schwangerschaft für eine reine Frauensache hält, hat noch eine Hürde mehr zu überwinden: Er muss erst mal zur Einsicht kommen, dass das Thema Familie beide gleichermassen betrifft. Bei manchen Männern verbergen sich hinter dem scheinbaren Desinteresse aber auch Ängste und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Vaterrolle. 

Frauen, die mit Freundinnen oder Verwandten darüber reden wollen, wie sehr die Situation sie belastet, bekommen oft zu hören: "Nun mach doch kein Drama! Er ist halt ein Mann. Der wird sich dann schon freuen, wenn das Baby da ist." Ein Stück weit mag dies stimmen. Vielen Vätern wird tatsächlich erst bewusst, was für eine grosse Sache sie da erleben, wenn sie ihr Kind in den Armen halten.

Das alles ist aber kein Grund, warum Sie als werdende Mutter alles alleine tragen sollten - weder die schweren Kinderzimmermöbel noch die Sorgen, die Ihnen nachts den Schlaf rauben. Monatelang Ihre eigenen Gefühle runterzuschlucken und Ihre Bedürfnisse zu ignorieren, ist keine Option. Die Dinge, die für Sie unverzichtbar sind, sollten Sie freundlich aber bestimmt einfordern. Bevor Sie jedoch Ihrem Partner vorwerfen, er interessiere sich doch gar nicht für Sie und das Baby, sollten Sie etwas genauer hinschauen, ob er wirklich so gleichgültig ist, wie es sich anfühlt.

Desinteresse oder unterschiedliche Vorstellungen?


Unsere Erwartungen, wie sich ein Mann nach dem positiven Schwangerschaftstest zu verhalten hat, sind stark geprägt durch romantische Komödien und Werbebilder. Dort wird der werdende Vater als sanfter Held gezeigt, der seiner Partnerin Cracker und Tee gegen die Morgenübelkeit ans Bett bringt und die Wiege, in der er als Säugling selber gelegen hat, liebevoll restauriert. Einer, der bei der Ultraschalluntersuchung ergriffen ihre Hand drückt, während ihm die Tränen der Rührung übers Gesicht laufen. Der ihr abends sanft die schmerzenden Füsse massiert und dem Baby im Bauch auf der Gitarre ein Ständchen zupft. 

Auch wenn viele Männer sich grosse Mühe geben, diesem Bild nahezukommen, geht es im realen Leben längst nicht immer so kuschelig und harmonisch zu. Und das kann zu bitterer Enttäuschung führen. Wenn der Mann an Ihrer Seite sich so anders verhält, als es dem gängigen Bild entspricht, kommt schnell einmal das Gefühl auf, mit der Beziehung stimme etwas nicht.

Es ist daher wichtig, die eigenen Erwartungen an den Menschen anzupassen, mit dem Sie Ihr Leben teilen. Ein eher rational denkender Mann, der seine Gefühle meistens für sich behält, wird dem Ungeborenen wohl kaum Bilderbücher vorlesen und Ihnen bei jeder Gelegenheit zärtlich den Bauch streicheln. Und einer, der zu jeder Lebenssituation einen lockeren Spruch parat hat, tut sich vielleicht schwer damit, liebevolle Worte zu finden.

Das muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass ihn die Sache kalt lässt. Vielleicht zeigt er sein Interesse am Nachwuchs eher, indem er über die Finanzen geht, sich in Sachen Versicherungen beraten lässt und das Balkongeländer ausbessert, damit für das Kind keine Gefahr besteht. Das mag unromantisch sein - ist aber keineswegs unbedeutend. Hat sich jedoch erst einmal eine gewisse Enttäuschung breit gemacht, ist es zuweilen schwer, diese ganz praktischen Dinge überhaupt noch wahrzunehmen.

Die eigenen Bedürfnisse klar benennen


Ihre eigenen Bedürfnisse nach Zuwendung und Unterstützung sollten Sie deswegen natürlich trotzdem nicht ignorieren. Und wenn Sie mit der Lupe nach dem allerkleinsten Engagement seinerseits suchen müssen, geht dieses definitiv nicht weit genug. 

Um klar benennen zu können, was Ihnen fehlt, hilft es, erst einmal die Gefühle zu sortieren: Was belastet Sie am meisten? In welchen Bereichen fühlen Sie sich alleingelassen? Was ist für Sie unverzichtbar, damit Sie die Schwangerschaft möglichst unbeschwert geniessen können? Über welche Unzulänglichkeiten könnten Sie hinwegsehen, wenn die Dinge im Grossen und Ganzen so wären, wie Sie sie gerne hätten? 

Diese Gedankenarbeit hilft Ihnen, im Gespräch mit Ihrem Partner auf den wunden Punkt zu kommen. Kippen Sie ihm nämlich zwischen Tür und Angel eine ganze Ladung von unsortiertem Frust vor die Füsse, wird er höchstwahrscheinlich wenig Bereitschaft zeigen, etwas zu ändern. Können Sie hingegen klar und sachlich die Gründe benennen, warum Ihnen gewisse Dinge wichtig sind, kann er Ihre Anliegen nicht einfach vom Tisch wischen. Sagen Sie: "Ich mache mir Sorgen, dass mit dem Baby etwas nicht stimmen könnte und darum will ich bei der Ultraschalluntersuchung nicht alleine sein", kann sich ein konstruktives Gespräch entwickeln. Werfen Sie ihm hingegen vor: "Die Gesundheit unseres Babys ist dir ja eh egal", ist der Zoff fast schon programmiert. 

Finden wir einen Kompromiss?


Das Sortieren in unverzichtbare Anliegen und Dinge, die zwar nett wären, aber nicht unbedingt sein müssen, hilft Ihnen auch in einem weiteren Punkt: Es gelingt leichter, Kompromisse zu finden. Andauernd einen übellaunigen Partner zum Mitmachen motivieren zu müssen, ist auf Dauer sehr anstrengend. Gelingt es Ihnen hingegen, sich in der Mitte zu treffen, finden Sie vielleicht sogar zu einem Miteinander, das Ihnen vor einiger Zeit noch unvorstellbar erschien. 

Ein Beispiel: Für Sie ist es unverzichtbar, dass er sich beim Geburtsvorbereitungskurs über den Ablauf der Geburt informiert. Für ihn ist es unvorstellbar, zehn Abende mit anderen Paaren in einem stickigen Raum zu verbringen. Als Kompromisslösung finden Sie vielleicht einen Kurs, bei dem die werdenden Väter nur an einem oder zwei Abenden dabei sind. Mit grosser Wahrscheinlichkeit nimmt Ihr Partner dabei mehr Wissen mit, als wenn er um des lieben Friedens willen Woche für Woche widerwillig mitkäme. 

Ist der Partner immer der richtige Adressat?


Kein Zweifel, es gibt Dinge, die Sie unbedingt mit Ihrem Partner besprechen sollten: Wie das Kind heissen soll, welche grösseren Anschaffungen nötig sind, wer Gotti und Götti werden soll, wie Sie sich nach der Geburt Ihre Aufgaben teilen wollen etc. Falls er selbst daran kein Interesse zeigt, dürfen und müssen Sie darauf bestehen, dass er mit Ihnen darüber redet.

Es gibt aber auch Themen, die in einer Frauenrunde ebenso gut aufgehoben sind - oder sogar besser. Da reicht zuweilen ein bestimmtes Stichwort und schon nicken alle anderen zustimmend und meinen: "Ich weiss ganz genau, was du meinst. Bei mir war das auch so." Die Situation kann sich deutlich entspannen, wenn Ihr Partner nicht Ihre einzige enge Bezugsperson ist in der Schwangerschaft. Natürlich soll er wissen, wenn Ihnen Schwangerschaftsbeschwerden zu schaffen machen; so richtig darüber ausheulen können Sie sich aber bei einer Freundin, die Ähnliches durchgemacht hat, vermutlich besser. Und Babykleider einzukaufen macht viel mehr Spass mit einer Person, die bei all den zuckersüssen Sachen ebenso in Verzückung gerät wie Sie. 

Insbesondere beim ersten Kind ist es nicht immer ganz einfach, Anschluss bei anderen Müttern zu finden. Möglicherweise haben Sie auch zu den Frauen in Ihrer Familie ein eher angespanntes Verhältnis, weshalb Sie keine Lust haben, sich mit ihnen über die Schwangerschaft auszutauschen. Ein Geburtsvorbereitungskurs ist eine gute Möglichkeit, mit werdenden Müttern in Kontakt zu kommen. Auch im swissmom-Forum können Sie sich mit anderen Frauen zu den verschiedensten Themen rund um Schwangerschaft, Geburt und Familienalltag unterhalten. 

Was tun, wenn alles Reden nichts hilft?


Leider machen Frauen zuweilen die Erfahrung, dass weder klares Aussprechen von Erwartungen noch Kompromissbereitschaft etwas bewirken. Der Partner zeigt weiterhin kein Interesse, beteiligt sich nicht an den Vorbereitungen und nimmt keine Rücksicht auf ihre veränderten Bedürfnisse. Dass sich diese Probleme mit der Ankunft des Babys einfach in Luft auflösen, ist in den meisten Fällen illusorisch.

Selbst Paare, die gut miteinander harmonieren, erleben die erste Zeit mit dem Neugeborenen meist als herausfordernd. Darum sollte das Thema unbedingt schon vor der Geburt auf den Tisch kommen. Dazu braucht es bei grossen Differenzen oft fachliche Unterstützung - insbesondere, wenn hinter dem Desinteresse des werdenden Vaters Ängste stecken, die er gegenüber seiner Partnerin nicht anzusprechen traut. 

Falls er zu einer Paarberatung nicht bereit ist, sollten Sie zumindest für sich selber eine Beratung in Anspruch nehmen, damit Sie einen für Sie gangbaren Weg finden. Adressen für entsprechende Beratungsstellen finden Sie beispielsweise bei den kantonalen Familienberatungsstellen. Zudem existieren inzwischen diverse Angebote, wo sich werdende Väter austauschen und auf ihre neue Aufgabe vorbereiten können. Möglicherweise fällt es Ihrem Partner leichter, sich in einer solchen Männerrunde zu öffnen und die Dinge anzusprechen, die ihn beschäftigen. 

Letzte Aktualisierung: 08.01.2024, TV