Keime im Haushalt: Die Küche ein Tummelplatz?
Interview mit Prof. Dr. med. Thomas Szucs
swissmom: Die Testung in einem typischen Zürcher Haushalt bringt Hygiene-Facts an den Tag. Wo finden sich die meisten Keime?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Die meisten Keime sind eindeutig in der Küche anzutreffen. Der Spüllappen ist die grösste Bakterienfalle und besonders gefährlich, weil die Keime hier besonders gut gedeihen und sich diese von hier aus sehr schnell auf grössere Flächen verteilen. Ebenfalls stark befallen ist in vielen Fällen der Wasserhahn in der Küche. Aber auch Schneidebretter sind vielfach trotz Waschen voll von Bakterien. Diese setzen sich vorwiegend in den feinen Schnittritzen ab. Und auch in Schweizer Kühlschränken finden sich haufenweise Keime.
swissmom: Welche Bakterientypen findet man vor allem in der Küche? Und wo?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Die häufigsten Erreger sind Staphylococcus aureus, E. Coli, Enterobakterien sowie Pseudomonas-Arten.
swissmom: Erstaunlich, erwartet hätte man die höchste Keimbelastung am WC-Spülknopf oder auf der WC-Brille. Wie kommt es zu diesem Resultat?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Laut unserer Hygiene-Studie waren der WC-Spülknopf sowie die WC-Brille in den meisten Schweizer Haushalten praktisch keimfrei bzw. nur schwach kontaminiert. Das liegt wahrscheinlich daran, dass den Menschen diese Oberflächen deutlicher als Bakterienfallen bekannt und auch bewusst sind und deshalb öfter gereinigt werden. Dabei sind Bakterien in der Küche viel gefährlicher, denn hier wird mit Lebensmitteln hantiert, was dazu führt, dass die Keime in den Magen-Darm-Trakt gelangen.
Professor Dr. med. Thomas Szucs ist Extraordinarius am Institut für Pharmazeutische Medizin und CO-Direktor des Europäischen Zentrums für Pharmazeutische Medizin an der Universität Basel.
swissmom: Wo lauern die meisten Keime in einem "normal" sauberen Haushalt?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Wie oben erwähnt der Spüllappen in der Küche. Auch das Holzschneidebrett weist einen hohen Keimbefall auf, verwenden Sie besser Plastikschneidebretter. Böden sind voller Keime, deshalb ist es wichtig mit Kindern im Krabbelalter beim Saubermachen auch darauf zu achten. Stofftiere, Mobiltelefone weisen eine hohe Keimanzahl auf, wie erwähnt meist mehr als WC-Brille und Toilette.
swissmom: Welche Keime, die man in einer Wohnung findet, sind die gefährlichsten?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Wie bereits erwähnt, sind Keime tendenziell problematisch, wenn diese durch Lebensmittel in den Magen-Darm-Trakt gelangen. Bei Personen mit offenen Wunden können etliche Erreger zu Abszessen und anderen Wundinfektionen führen. Besondere Aufmerksamkeit gilt Personen mit geschwächter Immunabwehr (z. Bsp. betagte Personen, Säuglinge oder Krebskranke): Hier braucht es tendenziell weniger Erreger, um eine Infektion auszulösen.
swissmom: Welche Hygienemassnahmen empfehlen Sie?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Natürlich ist es wichtig, gerade Oberflächen im Bad, der Küche und im Kinderzimmer immer gründlich zu reinigen. Die einfachste und wirksamste Methode, um eine Verbreitung der Bakterien sowie eine Ansteckung zu verhindern, ist es jedoch, sich regelmässig die Hände gründlich zu waschen – besonders nach dem Besuch der Toilette sowie vor und nach dem Umgang mit Lebensmitteln. Um die Bakterien zuverlässig zu bekämpfen, ist die Verwendung einer antibakteriellen Seife empfehlenswert.
swissmom: Es gibt Studien, die aufzeigen, dass auf einem Bauernhof aufwachsende Kinder weniger an Allergien leiden. Man geht davon aus, dass das Vorhandensein von Keimen auch dazu beiträgt. Was sollen Eltern nun tun? Ihr Kind in peinlich genauer Sauberkeit aufwachsen lassen oder es auch mal mit "unsauberer" Materie wie Erde und Sand spielen lassen?
Prof. Dr. med. Thomas Szucs: Diese Theorie stammt aus dem Jahr 1989 und wird als “Hygiene Hypothesis” bezeichnet. Bis heute wurde diese Theorie wissenschaftlich nicht glaubhaft belegt oder bewiesen. Das Auftreten von Allergien geht auf eine Vielzahl anderer, auch vererbter Faktoren zurück. Es wäre falsch, Kinder “steril” aufzuziehen. Vorsicht ist aber dennoch angezeigt - gerade bei offenen Wunden.
Wichtige Hygienetipps
Händewaschen: Zwischenräume zwischen den Fingern, Fingerspitzen, Daumen einzeln und Handrücken nicht vergessen
Hände solange mit warmem Wasser waschen, wie man braucht, um "Alli mini Äntli" zu singen
Bei Bedarf Händedesinfektion
Spüllappen komplett durch Papiertücher ersetzen
Hand- und Geschirrtücher trennen