Wie schützen wir unsere Kleinsten am besten vor der Sonne?
Interview mit Dr. Renato Kaiser
swissmom: Sommerzeit, Sonnenzeit, eine Jahreszeit, in der sich Familien gerne draussen tummeln. Wie schützen Eltern Kleinkinder am besten vor der Sonnenbestrahlung?
Dr. R. Kaiser: Das wohl Wichtigste: Säuglinge und Kleinkinder sollten nie der prallen Sonne ausgesetzt werden. Es ist besonders darauf zu achten, dass Kleinkinder eine Kopfbedeckung tragen. Die sehr empfindlichen Augen sollten unbedingt geschützt werden. Empfehlenswert sind auch T-Shirts und Shorts, besonders geeignet sind solche mit UV undurchlässigen Textilien. Nicht bedeckte Körperstellen sollten mit einem für Kinder geeigneten Sonnenschutzmittel
Dr. Renato Kaiser ist promovierter Apotheker und ist für Neuentwicklungen und Pflege der Produkte-Linie Pelsano verantwortlich.
swissmom: Können Sie kurz erklären, weshalb Kinderhaut vor Sonne gut geschützt werden muss?
Dr. R. Kaiser: Die Kinderhaut ist noch nicht vollständig entwickelt. Im Vergleich zur Haut der Erwachsenen ist die schützende Oberhautschicht deutlich dünner. Die Reparatur- und Eigenschutzmechanismen sind noch nicht voll ausgebildet. Daher zeigt die Kinderhaut nur eine geringe Pigmentierung, d.h. die Haut von Kleinkindern bräunt nicht oder nur sehr wenig, weshalb nur eine sehr geringe Eigenschutzzeit besteht. Dies bedeutet nichts anderes, als dass Kleinkinder ungeschützt sehr schnell einen Sonnenbrand haben. Kinderhaut ist im Allgemeinen sehr empfindlich gegenüber chemischen und physikalischen Schadstoffen.
swissmom: Man unterscheidet chemische und physikalische UV-Filter. Was bedeutet das und welcher sollte bevorzugt werden?
Dr. R. Kaiser: Chemische UV-Filter sind chemische Substanzen, die in die Haut eindringen und dort die schädlichen UV-Strahlen des Sonnenlichtes aufnehmen und in Wärme umwandeln.
Physikalische UV-Filter sind winzig kleine Teilchen mineralischen Ursprungs (Titandioxid oder Zinkoxid). Man bezeichnet diese auch als mineralische Filter oder - weil die Teilchen so winzig klein sind (mit dem Auge nicht sichtbar) - als Mikropigmente. Diese Mikropigmente verbleiben weitestgehend auf der Hautoberfläche und reflektieren das Sonnenlicht.
Für Kinder sind Sonnenschutzpräparate mit physikalischen Filtern zu empfehlen.
Gegenüber den chemischen UV-Filtern bieten diese einige wichtige Vorteile:
Physikalische UV-Filter wirken sofort nach dem Auftragen und bieten somit einen Sofortschutz.
Physikalische UV-Filter sind fotostabil, d.h. sie werden in der Sonne nicht zersetzt und der UV-Schutz bleibt aufrecht erhalten.
Physikalische UV-Filter sind sehr gut hautverträglich und zeigen kein Allergierisiko.
Einige der chemischen UV-Filter sind in der Diskussion, im Körper eine hormonähnliche Wirkung zu haben. Sie sind deshalb für Säuglinge und Kleinkinder nicht zu empfehlen.
swissmom: Wann muss welcher Sonnenschutz aufgetragen werden, um optimal vor UV-Strahlen geschützt zu sein?
Dr. R. Kaiser: Sonnenschutzprodukte mit Mikropigmenten (physikalischen UV-Filtern) schützen sofort nach dem Auftragen, da sie das Sonnenlicht reflektieren. Sonnenschutzpräparate mit chemischen UV-Filtern sollten mindestens 20 Minuten vor dem Sonnenbad aufgetragen werden – also am besten bereits, bevor man in die Badi geht.
swissmom: Ab welchem Alter können chemische Filter in Sonnencremen oder – lotionen verwendet werden?
Dr. R. Kaiser: Sonnenschutzprodukte mit chemischen UV-Filtern können für Kinder ab einem Jahr verwendet werden. Unter einem Jahr sind auf jeden Fall nur Sonnenschutzprodukte mit mineralischen Mikropigmenten zu verwenden.
swissmom: Welche weiteren Inhaltsstoffe in Sonnenschutzmitteln sind nützlich, welche haben ein Allergiepotenzial?
Dr. R. Kaiser: Sonnenschutzprodukte enthalten oft pflegende Zusätze. Tocopherol (Vitamin E) neutralisiert schädliche Radikale in der Haut und beugt somit der Hautalterung vor. Panthenol verbessert das Feuchthaltevermögen der Haut, wirkt entzündungshemmend und stimuliert die Erneuerung der Haut. Aloe Vera spendet Feuchtigkeit und beruhigt die Haut. Kamillenextrakte oder Bisabolol (ein Wirkstoff der Kamille) wirken ebenfalls entzündungshemmend und beruhigend.
Sonnenschutzpräparate, die besonders gut verträglich sind, erkennen sie daran, dass sie auch für Allergiker geeignet sind. Häufig werden sie als „dermatologisch getestet“ , „allergiegetestet“ oder „hypoallergen“ bezeichnet. Ob ein Präparat gut verträglich ist, hängt natürlich von seiner Zusammensetzung ab. Auf einige Inhaltsstoffe kann gut verzichtet werden. Achten sie deshalb beim Kauf auf Produkte, die frei von Farbstoffen und Allergie-auslösenden Duftstoffen sind.
swissmom: Was bedeutet „wasserfest“? Schützt dieses Sonnenprodukt auch bei ausgiebigem Spiel, Sport und Bad?
Dr. R. Kaiser: Wasserfeste Sonnenschutzprodukte haften besser auf der Haut und gewähren einen besseren Schutz im Wasser. Zu beachten ist aber, dass auch wasserfeste Produkte beim Baden oder Duschen zum Teil abgewaschen werden können.
Daher gilt: Tragen sie nach dem Baden oder auch nach körperlicher Anstrengung und damit verbundenem starken Schwitzen unbedingt wiederholt das Sonnenschutzpräparat auf, um den Schutz aufrecht zu erhalten.
swissmom: Was heisst der Vermerk „australischer Standard“? Wie gut ist ein Produkt, welches den „australischen Standard“ erfüllt?
Dr. R. Kaiser: Der „australische Standard“ ist ein Mass für die Qualität des UVA-Schutzes. Sonnenschutzprodukte, die mindestens 90% der UVA-Strahlung abgehalten, erfüllen den „australischen Standard“.
Was die meisten Leute nicht wissen: Das tun heutzutage nahezu alle Sonnenschutzprodukte. Für Kleinkinder geeignete Produkte halten mindestens 98% der UVA-Strahlung ab und erfüllen locker den „australischen Standard“.
Die Erfüllung des „australischen Standards“ allein ist aber nicht ausreichend für ein gutes Sonnenschutzprodukt!
swissmom: Lässt sich durch erneutes Auftragen eine Verlängerung des Sonnenschutzes erzielen? Was bewirkt ein erneutes Auftragen?
Dr. R. Kaiser: Durch ein erneutes Auftragen lässt sich der Sonnenschutz nicht verlängern! Erneutes Auftragen ist aber wichtig, um den Schutz aufrecht zu erhalten.
Beim Baden und beim Spiel (insbesondere im Sand) wird das Sonnenschutzpräparat von der Haut abgewaschen bzw. abgerieben. Auch wasserfeste Produkte haften nicht 100% an der Haut. Deshalb ist ein regelmässiges Nachcrèmen unerlässlich.
swissmom: Heute werden Sonnenschutzpräparate mit zum Teil hohem Lichtschutzfaktor verwendet. Besteht nicht die Gefahr, dass bei ständiger Verwendung von solchen Präparaten die Bildung von Vitamin D in der Haut vollständig unterdrückt wird?
Dr. R. Kaiser: Nein. Für die Bildung einer ausreichenden Menge an Vitamin D ist kein direktes Sonnenlicht nötig. Es reicht aus, sich draussen aufzuhalten. Während der Sommermonate sind schon 10-15 Minuten indirekte Sonnenstrahlung auf Handrücken und Gesicht pro Tag ausreichend. Während des restlichen Jahres benötigt man ungefähr die doppelte Dauer; also etwa 30 Minuten.
swissmom: Wie sinnvoll sind Sonnenschutzpräparate mit einem Lichtschutzfaktor (LSF) 40 oder grösser?
Dr. R. Kaiser: Für einen ausreichenden Sonnenschutz sollte das Sonnenschutzpräparat mindestens den Licht-Schutzfaktor 20 haben, ein LSF 40 oder grösser ist jedoch – zumindest für unsere Breitengrade - nicht nötig. Es ist hier wichtig zu wissen, dass der Schutz-Faktor 40 nicht doppelt so gut wie ein Schutzfaktor 20 ist! Der LSF 20 absorbiert bereits etwa 95% der UVB-Strahlung. Der LSF 40 absorbiert etwa 97% der Strahlung, also nur etwa 2 Prozent mehr. Dafür wird jedoch eine deutlich grössere Menge an Lichtschutzfiltern benötigt. Bei chemischen Lichtschutzfiltern erachte ich das als nicht unproblematisch.
swissmom: Welches sind die so genannten „K-Tipp-Kriterien“ und wie sind diese zu beurteilen? Welches sind nach heutigem Kenntnisstand die problematischen Inhaltsstoffe für Kosmetika?
Dr. R. Kaiser: Zu vermeiden sind:
Formaldehyd/Formaldehydabspalter. Allergiepotenzial. Steht in Verdacht, Krebs erregend zu sein.
Polyzyklische Moschusverbindungen. Reichern sich im Körper an (Fettgewebe). Es gibt Hinweise auf Leberschädigung (Tierversuch).
Phthalate. Verdacht, dass sie in den Hormonhaushalt eingreifen. Möglicherweise Schädigung von Leber und Niere.
Halogen-organische Verbindungen. Anreicherung in der Umwelt. Mögliches Allergiepotenzial. Manche Verbindungen stehen in Verdacht, Krebs zu verursachen.
Allergene Duftstoffe. Kritisch sind insbesondere Isoeugenol, Cinnamylalkohol, Lyral, Hydroxycitronellal
swissmom: Können Sie nochmals die Grundregeln für den Sonnenschutz zusammenfassen?
Dr. R. Kaiser:
Sonnenschutz bei Kindern:
Babys unter 1 Jahr sollten nie der direkten Sonne ausgesetzt werden
Der beste Schutz ist entsprechende Kleidung und Schatten, Textilien mit UV-Protektions-Faktor
Augen besonders schützen!
Für Kinder konzipierte Sonnenschutzprodukte mit hohem Lichtschutzfaktor (LSF ab 25) verwenden Präparate mit physikalischen UV-Filtern
Wasserfeste Präparate verwenden
„4-H-Regel": langes Hemd und Hose, breitkrempiger Hut, hoher Lichtschutzfaktor
Sonnenschutz allgemein:
Langsam an die Sonne gewöhnen!
Nie ungeschützt in die Sonne!
Richtige Wahl des Sonnenschutzpräparates:
Hauttyp, Hautzustand (empfindliche Haut, Allergiker, Neurodermitiker), Alter
Sonnenexposition (Breitengrad, Hochgebirge, Tropen)
Reflexion des Sonnenlichtes durch Wasser und Schnee beachten
Mittagssonne möglichst meiden
Sonnenschutzpräparat mit chemischen Filtern 20 Min, vorher auftragen, mit physikalischen Filtern: Sofortwirkung
Ausreichend Sonnenschutzmittel auftragen, wiederholt auftragen, um den Schutz aufrecht zu erhalten, insbesondre nach dem Bad. --> Auch wasserfeste Präparate wiederholt anwenden
Weitergehende Schutzmassnahmen: Bekleidung, Sonnenbrille, Kopfbedeckung, Sonnenschirm, T-Shirt im Wasser
Lippen besonders schützen (kein Eigenschutz); besonders bei Herpes-Geplagten
Verzicht auf Parfüms. Vorsicht bei Deodorants und Kosmetika. Diese könnten Allergien auslösen oder Pigmentflecken machen.
Medikamente können die Lichtempfindlichkeit erhöhen. Daher unbedingt die Packungsbeilage lesen oder den Arzt / Apotheker / Drogisten fragen
Max. mögliche Aufenthaltsdauer an der Sonne nicht vollständig ausnützen.
swissmom: Vermeiden möchten wir ihn alle, den Sonnenbrand. Welche Tipps geben Sie den LeserInnen, die trotz aller Vorsicht einen Sonnenbrand eingefangen haben?
Dr. R. Kaiser: Ein Sonnenbrand entspricht einer Verbrennung.
Sofortmassnahme: Kühlen der betroffenen Hautstellen mit kaltem Wasser, anschliessend Auftragen von kühlenden, abschwellenden Gelen. Dünn auftragen.
Bei sehr starker Rötung (beim Erwachsenen): Kortison (Hydrocortison), z.B. als Schaum. Säuglinge und Kleinkinder sollten zum Arzt!
Viel trinken! Bei einem Sonnenbrand geht dem Körper viel Flüssigkeit verloren.
Wenn die akute Entzündung abgeklungen ist: Anwendung von Heilsalben (abwaschbare, wasserhaltige Emulsionssalben) mit Dexpanthenol (z. B. Pelsano med Salbe, Bepanthen Crème)
Auf keinen Fall Mehl, Puder oder Öl verwenden. Von der Anwendung von Quark wird abgeraten (Infektionsgefahr wegen geschädigter Haut)
Wann zum Arzt?
- bei starker Rötung, starken Schmerzen und Fieber
- bei Blasenbildung
- bei einem Sonnenstich (Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen)
- Säuglinge und Kleinkinder
swissmom: Wie äussert sich ein Sonnenstich und welche Sofortmassnahmen, besonders bei Kleinkindern, müssen getroffen werden?
Dr. R. Kaiser: Ein Sonnenstich äussert sich durch starke Kopfschmerzen, Schwindel, Nackenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Als Sofortmassnahme muss die betroffene Person in den Schatten gebracht werden. Der Kopf soll hoch gelagert und mit kalten feuchten Tüchern gekühlt werden. Besonders gefährdet sind kleine Kinder. Hier sollte ein Arzt konsultiert werden.
Aber vorbeugen ist besser: z.B. durch das Tragen einer hellen Kopfbedeckung.