Das Neugeborenen-Screening
Die Natur hat leider einigen Kindern Eigenschaften mitgegeben, die eine gesunde Entwicklung verhindern können, wenn sie nicht möglichst früh schon behandelt werden. Etwa eines von tausend Kindern hat solch eine Stoffwechselerkrankung, die zu schweren Schäden, Behinderungen und unbehandelt sogar manchmal zum Tod führen kann.
Um diese angeborenen Stoffwechselstörungen rechtzeitig erkennen und behandeln zu können, werden alle Neugeborene in den Industriestaaten mittels eines Bluttestes bald nach der Geburt untersucht. Es ist natürlich nicht möglich, alle Neugeborenen auf alle angeborene Erkrankungen zu untersuchen. Dafür gibt es zu viele verschiedene Krankheiten. Das Screening (das heisst „einfacher Suchtest“) beschränkt sich daher auf Erkrankungen, die relativ häufig in der Bevölkerung vorkommen, durch die normalen Vorsorgeuntersuchungen in der Praxis nicht erfassbar und erst noch behandelbar sind.
Dem gesunden, unauffälligen Neugeborenen wird von der Hebamme oder vom Kinderarzt, der Kinderärztin zwischen dem 4. und 7. Lebenstag etwas Blut aus der Ferse oder der Vene abgenommen und auf sechs bis neun fingerkuppengrosse Felder eines Filterpapiers getropft. Dieses Filterpapier wird dann an ein Speziallabor geschickt. Das Ergebnis kommt innerhalb weniger Tage zurück. Ein gewisser Prozentsatz der Ergebnisse erweist sich bei der weiteren Abklärung als falscher Alarm, was den Eltern immer viele unnütze Sorgen bereitet. Sollten Sie dazugehören, bedenken Sie bitte, dass eine gewisse "Fehlerquote" in der Natur der Screening-Untersuchungen liegt, die nur eine orientierende Aussage, aber noch kein endgültiges Ergebnis liefern.
Frühgeborene werden ebenfalls zu diesem Zeitpunkt getestet. Allerdings sollte sicherheitshalber etwa in der 4. Lebenswoche oder um den ursprünglich errechneten Geburtstermin herum der Test wiederholt werden.
Für alle Neugeborene in der Schweiz empfohlen und durchgeführt wird die Früherkennung von
Phenylketonurie (PKU, Guthrie-Test),
MCADD (Medium Chain AcylCoA-Dehydrogenase-Mangel),
Adrenogenitale Syndrom (AGS oder 21-Hydroxylase-Mangel)
Mucoviszidose (Cystische Fibrose)
Glutarazidurie Typ 1 (GA-1)
Ahornsirup-Krankheit (MSUD)
Schwerer kombinierter Immundefekt (SCID) und schwere T-Zell-Lymphopenie
In Deutschland wurde das Neugeborenenscreening zum 1. Oktober 2021 um zwei weitere angeborene Stoffwechselstörungen erweitert: Spinale Muskelatrophie (SMA) und Sichelzellanämie.
Darüber hinaus können bis zu 20 andere Stoffwechselerkrankungen untersucht werden: z.B. Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel, Carnitin-Stoffwechseldefekte, Isovalerianazidämie, LCHAD- und VLACD-Mangel sowie Tyrosinämie Typ 1.
Um genau zu erfahren, auf welche Erkrankungen Ihr Kind untersucht wird, fragen Sie Ihre Hebamme oder Ihren Kinderarzt, Ihre Kinderärztin.
An vielen Spitälern gibt es inzwischen auch ein Hörscreening bei Neugeborenen, das zwar nichts mit den o.a. Stoffwechselerkrankungen zu tun hat, aber für die weitere Entwicklung des Kindes sehr wichtig sein kann.
Wenn eine Gelbsucht (Ikterus) beim Neugeborenen auftritt, einhergehend mit entfärbtem Stuhlgang und einer Hepatomegalie (durch Abtasten feststellbare Lebervergrösserung) besteht der Verdacht auf einen seltenen Verschluss der Gallengänge (Gallengangatresie). Eltern sollten deshalb die Stuhlfarbe des Neugeborenen während des 1. Lebensmonates beobachten. Sehr praktisch ist eine sog. Stuhlkarte zum Farbvergleich, die Sie beim Kinderarzt bekommen können. In manchen Nachbarländern ist diese Stuhlkarte schon Bestandteil des Neugeborenen-Screenings.