Spinale Muskelatrophie bei Neugeborenen
Was diese schwere Erkrankung bedeutet und wie sie schon früh erkannt und behandelt werden kann.
Diese Muskelerkrankung ist selten, ihr Verlauf gerade bei Babys aber schwerwiegend und mit einer geringen Lebenserwartung verbunden.
Was ist die Spinale Muskelatrophie?
Normalerweise werden die Signale aus dem Gehirn durch die Nervenzellen im Rückenmark an die Muskeln weitergeleitet. Dadurch werden Bewegungen ausgelöst. Bei der Spinalen Muskelatrophie (SMA) kommt es durch einen genetischen Defekt zum Verlust von Nervenzellen, die für die Weiterleitung des Impulses an den Muskel zuständig sind. Die Impulse kommen also nicht beim Muskel an, er kann nicht bewegt werden und bildet sich dadurch zurück (Atrophie).
Die Ursachen der SMA beim Neugeborenen
Die Spinale Muskelatrophie ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Dies bedeutet, dass beide Elternteile ein defektes Gen haben, aber gesund sind. Damit das Kind erkrankt, müssen beide das defekte Gen an das Kind weitergeben.
Ungefähr 1 von 40 bis 50 Personen sind Träger des defekten Gens und können es vererben. Ist dies den Eltern bekannt oder ist bereits ein Kind an SMA erkrankt, ist eine humangenetische Beratung sinnvoll. So kann abgeschätzt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung des zukünftigen Kindes ist.
Verschiedene Formen der Spinalen Muskelatrophie
Die Spinale Muskelatrophie kann zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Darum werden 4 Typen unterschieden, von denen 3 das Kindesalter betreffen:
Die infantile oder schwere SMA (Typ I) ist die häufigste Form. Diese beginnt bereits in den ersten sechs Lebensmonaten. Sie verunmöglicht es den Kindern, das Sitzen zu lernen. Die Lebenserwartung beträgt in den meisten Fällen nur ein Jahr.
Die chronisch infantile oder intermediäre SMA (Typ II) beginnt vor dem 18. Monat. Die Kinder können frei sitzen, jedoch nicht laufen. Die Lebenserwartung ist eingeschränkt und beträgt 10 bis 20 Jahre.
Bei der juvenilen oder leichten SMA (Typ III) wird unterschieden, ob die Krankheit vor oder nach dem 3. und bis zum 18. Lebensjahr auftritt. Die Kinder erlernen das Laufen. Der Krankheitsverlauf ist weniger ausgeprägt und die Lebenserwartung deutlich besser.
Die adulte SMA (Typ IV) beginnt im Erwachsenenalter.
Die Symptome der Spinalen Muskelatrophie bei Kindern
Die Symptome von Typ I sind möglicherweise bereits nach der Geburt sichtbar:
Das Kind bewegt sich sehr wenig.
Es hat zittrige Hände.
Zuckungen der Zunge sind sichtbar.
Durch die Schwäche der Atemmuskulatur atmet das Kind schnell und oberflächlich.
Bei Kindern mit einer SMA Typ II ist oft als erstes die Oberschenkelmuskulatur von Lähmungen betroffen, später kann es auch zu einer Atemschwäche und Schluckstörungen kommen.
Bei der SMA Typ III ist die Muskelschwäche nicht so stark ausgeprägt, trotzdem kann es sein, dass das erlernte Gehen irgendwann nicht mehr möglich ist.
Bei der Spinalen Muskelatrophie ist nur die Muskulatur betroffen, welche für die Bewegung zuständig ist. Sinneswahrnehmungen oder geistige Fähigkeiten sind nicht beeinträchtigt.
Diagnose und Behandlung der SMA bei Babys
Seit dem 1. Juli 2024 ist die Spinale Muskelatrophie Teil des Neugeborenenscreenings und kann so bei 95 Prozent der betroffenen Babys bereits sehr früh diagnostiziert werden.
Mit zwei unterschiedlich wirkenden Medikamenten kann die Krankheit behandelt werden:
Mit Spinraza® kann die Krankheit stabilisiert werden. Bereits eingeschränkte Muskelfunktionen können sich in der Regel aber nicht mehr erholen. Dieses Medikament wird in regelmässigen Abständen direkt in das Rückenmark injiziert.
Zolgensma® ist in der Schweiz seit 2021 für Kinder bis 2 Jahre zugelassen. Dieses Medikament gehört zur Gentherapie und wird einmalig intravenös verabreicht. Studien haben gezeigt, dass die Kinder Fortschritte in der Bewegung erzielen konnten. Ausserdem ist keines der Kinder im 1. Lebensjahr verstorben. Dieses Medikament ist extrem teuer, wird in der Schweiz aber von der Invalidenversicherung übernommen.
Aufgrund der Muskelschwäche ist es wichtig, dass die Kinder mit Physio-, Ergo, Logo- und Atemtherapie behandelt werden. Ist die Atemmuskulatur zu schwach, muss das Kind künstlich beatmet werden.