Kindliches Schnarchen kann Verhalten stören
Aus der Forschung
Wenn kleine Kinder im Schlaf mit offenem Mund atmen, schnarchen oder Atemaussetzer haben, erhöht das ihr Risiko für eine spätere Verhaltensauffälligkeit. Sie sind öfter hyperaktiv, aggressiv oder entwickeln emotionale Probleme und schwierige Beziehungen zu Gleichaltrigen, wie Forscher vom Albert Einstein College of Medicine der Yeshiva University in der Fachzeitschrift "Pediatrics" berichteten. Laut Studienleiterin Karen Bonuck könnten Schlafprobleme durch den resultierenden Sauerstoffmangel die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.
Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass eines von zehn Kindern regelmässig schnarcht und 2-4% an Schlaf-Apnoe leiden. Das bedeutet, dass es im Schlaf zu Atempausen oder zu einer deutlich verschlechterten Atmung kommt. Häufig sind dafür vergrösserte, entzündete Mandeln oder Adenoide („Polypen“) verantwortlich. Bei Erwachsenen kann das zu schwerer Tagesmüdigkeit führen. Bei Kindern gibt es schon länger Hinweise für einen möglichen Zusammenhang zu Verhaltensproblemen - wie etwa zur Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Frühere Studien dazu hatten allerdings nur geringe Aussagekraft, weil sie nur sehr wenige Versuchsteilnehmer hatten, andere mögliche Ursachen nicht mit einbezogen oder nur eines der drei Merkmale für Atemprobleme im Schlaf untersuchten.
Mehr Klarheit sollte die Studie bringen, in der Daten von 11.000 Kindern ausgewertet wurden. Die Eltern sollten per Fragebogen das Ausmass des Schnarchens ihres Kindes in festgelegten Intervallen (im Alter von 6, 18, 30, 42, 57 und 69 Monaten) und eine etwaige eigene Schlaf-Apnoe angeben. Zudem erfassten sie das Verhalten der Kinder (im Alter von 4 und 7 Jahren) mit dem "Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ)". Mit diesem Fragebogen können u.a. Unaufmerksamkeit, Aggressivität und soziales Verhalten aufgezeichnet werden. Das Ergebnis: Kinder mit Atmungsproblemen, v.a. schon früh im Alter von 6 bzw. 18 Monaten, entwickeln bis zum siebten Lebensjahr um 40 und 100 Prozent häufiger neurologische Verhaltensstörungen. Die Wissenschaftler berücksichtigten bei ihrer Analyse weitere mögliche Ursachen für spätere Verhaltensauffälligkeiten, etwa Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft, ein geringes Geburtsgewicht der Kinder oder den sozialen Status der Eltern.
Die Wissenschaftlerin Karen Bonuck geht davon aus, dass Atemprobleme während des Schlafs auf ganz verschiedene Art und Weise zu Verhaltensauffälligkeiten führen können. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns wird verringert, der Erholungsprozess während des Schlafes wird unterbrochen. Zusätzlich könnte es auch zu Störungen im Zusammenspiel der Gehirnchemie kommen. "Diese Studie zeigt deutlich, dass diese Symptome den Verhaltensproblemen vorangehen und damit liegt nahe, dass sie auch diese verursachen. Eltern und Kinderärzte sollten diesem Phänomen bei kleinen Kindern mehr Aufmerksamkeit schenken, vielleicht sogar schon im ersten Lebensjahr. Kinder werden sonst nicht selten fälschlicherweise mit ADHS diagnostiziert und erhalten oft sogar Medikamente. Wenn die Schlafprobleme behandelt werden, bessert sich auch das Verhalten fast sofort."
Die Studienautoren empfehlen Eltern daher, einen Kinderarzt aufsuchen, wenn die Kinder Symptome einer schlafbezogenen Atmungsstörung wie Schnarchen zeigen. Dieser kann sie dann wenn nötig zu einem Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) überweisen.
Aus der Forschung: Bonuck K. et al.: Pediatrics. 2012 Apr;129(4):e857-65.