Mamas freier Tag

Mutter am Laptop mit weinendem Kind auf dem Schoss
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Heute war mein freier Tag. Nun ja, eigentlich war es mein arbeitsfreier Tag. Und wie das so ist mit arbeitsfreien Tagen, startete ich mit diesem unglaublich guten Gefühl: Du musst nicht um eine bestimmte Zeit im Büro sein, wenn du noch im Pyjama steckst, wenn die Kinder aus dem Haus gehen, ist das auch nicht weiter schlimm und bevor du überhaupt etwas tust, gönnst du dir Kaffee und Zeitung.  Danach wirst du dir alle Zeit der Welt nehmen, um die neue Kolumne für Swissmom zu schreiben. Zwei Themen schwirren dir schon seit längerer Zeit im Kopf herum und du wirst die Gedanken drehen und wenden bis sie passen, du wirst die perfekten Worte suchen, Sätze verwerfen und neue schaffen, du wirst dich voll und ganz der Schreibarbeit widmen, denn du hast ja heute frei und nichts anderes zu tun, als zu schreiben und für deine Kinder da zu sein.

Das glaubst du zumindest. Bis du dich daran erinnerst, dass heute Donnerstag ist und du den Abfall an die Strasse stellen musst. Und dass du keine Gebührensäcke mehr im Haus hast. Ach und ja, der Kühlschrank ist auch leer. Na, dann musst du eben noch schnell einkaufen gehen, bevor dein freier Tag anfängt. Aber danach wirst du dich wirklich dem Schreiben widmen. Die Sätze beginnen schon in deinem Kopf herumzuschwirren und können es kaum erwarten, bis sie endlich der Enge deiner Gehirnwindungen entfliehen können. Gleich wirst du dir die Zeit dazu nehmen.

Doch dann ruft dich dein Mann an und fragt, ob du auch daran gedacht hast, dass die Kinder heute und morgen Besuchstag haben in der Schule und dass du unbedingt gehen musst, weil er nicht gehen kann. Mist! Das ist ja tatsächlich vergessen gegangen. Aber wir kriegen das schon hin. Wir haben doch nicht umsonst jahrelange Erfahrung im Improvisieren gesammelt. Der Zeitplan für die drei Schulbesuche ist schon fast fertig, da fällt dir ein, dass du heute mit dem Zweitjüngsten noch zur Vierjahreskontrolle bei der Kinderärztin angemeldet bist. Dann müssen die Schulbesuche eben doch auf morgen verschoben werden, auch wenn du dann nicht mehr frei hast und du mit deinen Mitarbeiterinnen eine Möglichkeit finden musst, gleichzeitig eine gutes Teammitglied und eine aufmerksame Mutter zu sein. Das ist zwar mühsam, aber immerhin hast du dir so die Zeit zum Schreiben freigehalten.

Doch dann hat der Jüngste die Windel voll, der Älteste kommt mit Bauchschmerzen von der Schule nach Hause, die Zeugen Jehovas klingeln an der Tür und stehlen dir die Zeit, die du gar nicht hast und ehe du dich versiehst, ist es Zeit für das Mittagessen und nach dem Mittagessen wirst du bei der Kinderärztin erwartet.  Dann wirst du eben schreiben müssen, wenn du vom Arzttermin zurückkommst. Wird ja nicht so lange dauern, wo doch immer so viele Kinder krank sind und die Ärztin sich vor Terminen kaum retten kann. Gut, die Tochter muss dann noch zur Ballettstunde gebracht werden, aber dazwischen hast du ja noch Zeit und da du den Text schon fast fertig im Kopf hast, ist das alles kein Problem. Zu dumm nur, dass ausgerechnet heute sämtliche Kinder in der Region kerngesund zu sein scheinen und sich die Kinderärztin ausgiebig deinem Sohn widmen kann. Nun ja, eigentlich ist das ja toll, aber die Zeit zum Schreiben ist schon wieder zerronnen und der Abgabetermin verstreicht, ohne dass der Text den Weg aus deinem Kopf in den Computer gefunden hätte. Nachdem du dann auf dem Nachhauseweg durch eine Baustelle zu einem Umweg gezwungen wirst, wird dir klar, dass heute nichts mehr wird mit „Gedanken drehen und wenden bis sie passen, perfekte Worte suchen, Sätze verwerfen und neue schaffen“. Du wirst einfach nur noch über das schreiben können, was dich zurzeit am allermeisten beschäftigt: Die Tatsache, dass ein arbeitsfreier Tag noch längst kein freier Tag sein muss. Zumindest nicht dann,  wenn du Mama bist.

Letzte Aktualisierung: 04.07.2016, TV