Erkältungsmythen: Was ist dran an diesen 21 Behauptungen?
Beim Thema Erkältung kann jeder mitreden, leiden doch Erwachsene gemäss Bundesamt für Statistik durchschnittlich dreimal pro Jahr an einer Erkältung - und Eltern von Kleinkindern eher noch häufiger. Aber stimmt das auch alles, was der Volksmund behauptet? Soll ich bei Schnupfen die Nase hochziehen oder lieber nicht? Helfen Sauna und Vitamin C? Ist Küssen verboten? Und nützt es, im Bett zu bleiben? Wir stellen die gängigsten Erkältungsmärchen auf den Prüfstand. Erfahren Sie, was auch heute noch richtig ist und was eher in die Mottenkiste gehört. Denn viele eingängige Belehrungen entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage - oder beruhen auf einem Missverständnis.
1. "Eine Erkältung kommt drei Tage, bleibt drei Tage und geht drei Tage"
Richtig. Eine Erkältung beginnt meist mit einem leichten Kratzen im Hals, dann kommen Schnupfen und Fieber hinzu und ein Gefühl von Abgeschlagenheit und Erschöpfung. Bis unser Immunsystem aktiviert ist und die Erreger bekämpft hat, dauert es im Durchschnitt neun Tage.
2. "Antibiotika helfen gegen Schnupfen"
Falsch. Der Schnupfen wird überwiegend durch Viren (Rhinoviren) verursacht und nicht durch Bakterien. Da Antibiotika gegen Viren unwirksam sind, können sie bei einer Erkältung meist nichts ausrichten. Nur wenn zu einem viralen Schnupfen eine bakterielle Infektion der Atemwege, z.B. eine Nasennebenhöhlenentzündung, hinzukommt, ist die Verordnung eines Antibiotikums gerechtfertigt.
3. "Eine Grippeimpfung schützt vor Erkältung"
Falsch. Die Grippeimpfung wird für Risikogruppen empfohlen (Kinder, Schwangere und Senioren), aber sie ist kein Universalschutz – sie schützt nur gegen die Erreger einer Influenza, also gegen die gefährliche „echte“ Grippe mit hohem Fieber und Schüttelfrost und einem viel schwereren Verlauf als bei einer einfachen Erkältung. Auch die Behauptung, nach einer Grippeimpfung verlaufen gewöhnliche Erkältungskrankheiten leichter, ist ein Märchen. Eine Impfung gegen eine harmlose Erkältung, einen grippalen Infekt oder den einfachen Schnupfen gibt es bisher nicht – immerhin können über 200 verschiedenen Virusarten die Beschwerden auslösen.
4. "Aus einer Erkältung kann leicht eine Grippe werden"
Falsch. Die Beschwerden bei Erkältung und Grippe ähneln sich, weshalb die Erkältung auch als grippaler Infekt bezeichnet wird. Sie werden jedoch durch unterschiedliche Viren ausgelöst. Wenn aus einem „Schnupfen“ eine Grippe werden soll, muss man sich bei stark geschwächtem Immunsystem zusätzlich zum Erkältungsvirus noch den Grippevirus einfangen.
5. "Erkältung wird durch Kälte verursacht"
Nicht direkt. Durch Kälte allein erkältet man sich nicht. Erkältungen fangen wir uns durch den Kontakt mit erkälteten Personen ein, nicht durch nasse Haare oder zu dünne Kleidung. Aber: Bei Kälte werden die Schleimhäute weniger gut durchblutet. Zudem trocknet die Winter-Heizungsluft unsere Schleimhäute aus. Unser Immunsystem wird dadurch geschwächt, denn es stehen weniger Abwehrzellen (z.B. in der Nasenschleimhaut) zur Verfügung, um die Keime abzufangen. Um einer Erkältung vorzubeugen, sollten Sie bei Kälte immer auf eine ausreichend warme Bekleidung achten. Bei sehr niedrigen Temperaturen schützt ein Schal vor dem Mund die Atemwege. Halten Sie Kopf, Hände und Füsse warm.
6. "Lüften schützt vor Erkältung"
Stimmt. Heizungsluft trocknet die Schleimhäute aus und macht sie anfälliger für Krankheitserreger von Grippe und Erkältung. Und Erkältungsviren haben in überheizten und ungelüfteten Räumen mit trockener Luft ideale Bedingungen. Regelmässiges Lüften wirkt dem entgegen und senkt so das Risiko, sich mit einer Erkältung anzustecken. Außerdem verbessert sich durch Lüften das Raumklima. Lüften Sie mindestens drei- bis vier Mal am Tag für jeweils zehn Minuten. Beim Lüften darauf achten, dass Sie nicht im Zug sitzen - das könnte den Körper schwächen. Auch ein Luftbefeuchter kann bei trockener Raumluft Besserung verschaffen. Ausserdem sollten Sie sich täglich wenigstens einmal an der frischen Luft bewegen. Ein Spaziergang von etwa einer halben Stunde reicht dazu schon aus.
7. "Sport schadet bei Erkältung nicht"
Kommt darauf an. Durch starke körperliche Belastung (das kann schon der Sprint zum Bus sein) wird der Körper weiter geschwächt und es drohen ernsthafte Folgeerkrankungen wie Mandelentzündung, Bronchitis, Lungen- oder Herzmuskelentzündung. Das gilt besonders, wenn Sie ein allgemeines Krankheitsgefühl, Gliederschmerzen, Beschwerden im Brustraum, Husten und/oder Fieber haben. Haben Sie nur vom Hals aufwärts Erkältungsbeschwerden, dürfen Sie leichten Ausdauersport treiben. Und Spaziergänge an der frischen Luft tun fast immer gut.
8. "Wer Stress hat, bekommt leichter eine Erkältung"
Richtig. Bei anhaltendem Stress – ob psychische oder körperliche Belastungen, z.B. Training bis an die Leistungsgrenze - schüttet unser Körper vermehrt Stresshormone wie Kortisol aus. Diese Hormone schwächen das Immunsystem und machen uns anfälliger für Infektionskrankheiten. Viren, die den Körper dann befallen, können weniger gut bekämpft werden und die Erkrankung verläuft oft heftiger. Und wer weniger als sieben Stunden pro Nacht schläft, erkältet sich einer Studie zufolge dreimal so schnell wie jemand mit mehr als acht Stunden Schlaf. Ausreichend Ruhe, Erholung und Schlaf können also Infekten vorbeugen.
9. "Bei einer Erkältung gehört man ins Bett"
Kommt darauf an. Bei einer Erkältung braucht der Körper tatsächlich ausreichend Ruhe, um die Erreger wirkungsvoll bekämpfen zu können. Ein grippaler Infekt bedeutet trotzdem in der Regel nicht strikte Bettruhe. Vor allem wenn Sie sich müde und schlapp fühlen oder gar Fieber haben, sollten Sie sich viel Schlaf und Erholung gönnen. Fühlen Sie sich hingegen ausgeruht, aber die Nase läuft und der Hals kratzt noch, ist ein Spaziergang an der frischen Luft oft wohltuender. Der Sauerstoff aktiviert die Immunzellen und der Kreislauf wird angeregt.
10. "Küssen ist bei einer Erkältung tabu"
Falsch. Zwar übertragen wir beim Küssen durchaus Bakterien und Viren, die Gefahr einer Ansteckung ist aber überraschenderweise gering. Das liegt vermutlich daran, dass die übertragenen Erkältungsviren mit dem Speichel in den Magen transportiert und dort von der Magensäure zersetzt werden. Eigentlich ist Küssen sogar gesund, denn es kurbelt das Immunsystem an. Durch den Austausch unterschiedlicher Bakterien wird die Produktion von Antikörpern angeregt und die Abwehr gestärkt. Ausserdem werden durch den ansteigenden Puls Glückshormone wie Serotonin, Dopamin und Adrenalin ausgeschüttet, die das Immunsystem unterstützen. Aber Achtung: Trotzdem sollte man seinem Partner oder Kind keinesfalls ins Gesicht husten oder niesen. Dabei gelangen grosse Mengen der Krankheitserreger auf die Haut, können sich vermehren und andere anstecken.
11. "Wer erkältet ist, sollte viel trinken"
Richtig. Bei einem grippalen Infekt ist es wichtig, ausreichend zu trinken – denn die Immunzellen der Nasen- und Rachenschleimhaut können wirkungsvoller arbeiten, wenn sie feucht sind. Besonders gut sind Wasser, Fruchtsaft, Schorle, heisse Hühnersuppe oder Tees mit Ingwer, Holunder oder Lindenblüten, die das Immunsystem stimulieren. Die "Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik" empfiehlt einmal täglich einen Anti-Erkältungstrunk, bestehend aus je 100 Milliliter Rüebli- und frisch gepresstem Orangensaft, einem halben Teelöffel geriebenem frischen Ingwer und einem Esslöffel Sanddornsaft. Nur dass der Schleim dadurch flüssiger wird, ist ein Märchen.
12. "Warmes Bier ist das ideale Getränk bei Erkältung"
Nicht unbedingt. Ätherische Öle und Bitterstoffe im Hopfen wirken beruhigend und teilweise antibakteriell. Um die wirksamen Stoffe im Hopfengetränk nicht zu verlieren, sollte es nicht über 40 Grad erhitzt werden. Für den Geschmack empfiehlt es sich, einen Löffel Zucker oder Honig in warmes Bier einzurühren, da es oft bitterer ist als gekühltes. Den positiven Effekt kann man aber auch in der alkoholfreien Variante haben. Denn Alkohol schwächt das Immunsystem, reizt die Schleimhäute und entzieht dem Körper Wasser. Noch besser wäre heisse Milch mit Honig oder ein Erkältungstee. Diese lindern die typischen Beschwerden wie Halsschmerzen und Schluckbeschwerden.
13. "Es geht nichts über einen heissen Grog, wenn man erkältet ist"
Falsch. Alkohol schwächt das Immunsystem, erweitert die Blutgefässe und überlastet den Kreislauf - die Erreger können sich schneller ausbreiten.
14. "Heisse Zitrone lindert die Erkältungssymptome"
Richtig. Mit heissem Wasser aufgegossener Zitronensaft wird durch die Wärme und Säure als sehr wohltuend empfunden. Erkältungssymptome wie Halsschmerzen und Schnupfen plagen dann weniger. Das hat aber nichts mit dem Vitamin-C-Gehalt des Heissgetränks zu tun.
15. "Hochdosiertes Vitamin C beugt einem grippalen Infekt vor"
Falsch. Viele Menschen schlucken bei den ersten Anzeichen einer Erkrankung Vitamin-C-Präparate (Ascorbinsäure) und hoffen so, dem endgültigen Ausbruch einer Erkältung vorbeugen zu können. Solch ein Effekt konnte aber bisher in keiner wissenschaftlichen Studie nachgewiesen werden. Vitamine unterstützen das Immunsystem nur langfristig. Haben sich die Viren schon im Körper ausgebreitet, hat Vitamin C keinen unmittelbaren Effekt mehr auf den Schweregrad der Erkältung. Bei täglicher Einnahme von Vitamin C kann sich allerdings die Krankheitsdauer - wenn auch nur geringfügig - verkürzen.
16. "Zink hilft gegen Erkältungen"
Richtig. In einer Studie mit Kindern konnte nachgewiesen werden, dass die Zahl der Infektionen reduziert wurde und die Erkältungen im Schnitt einen vollen Tag kürzer dauerten, wenn die Schnupfenpatienten Zinkpräparate einnahmen.
17. "In der Sauna kann man die Erkältung ausschwitzen"
Falsch. Regelmässige Saunagänge bringen den Kreislauf in Schwung, stärken das Immunsystem und beugen einer Erkältung vor – aber nur, wenn man gesund ist. Sind Schnupfen und Husten bereits ausgebrochen, wird die Abwehr durch Hitze und das kalte Duschen zusätzlich geschwächt. Das Herz-Kreislauf-System wird enorm belastet, was insbesondere bei Infekten mit starken Kopf- und Gliederschmerzen die Beschwerden verschlimmert. Viren können nicht einfach ausgeschwitzt werden. In der heissen Luft vermehren sich die Keime zudem schneller und der Erkrankte kann andere anstecken.
18. "Ein warmes Bad tut bei Erkältung gut"
Richtig. Ein Erkältungsbad spendet dem Körper wohltuende Wärme. Aber bitte nicht zu heiss und nicht zu lang: Die Badetemperatur sollte zwischen 35 und 38 Grad Celsius liegen, die Badedauer rund 20 Minuten nicht übersteigen. Bei Fieber ist von einem heissen Bad unbedingt abzuraten, weil es den Kreislauf zu sehr belastet.
19. "Schnäuzen ins Taschentuch ist besser als Nasehochziehen"
Falsch. Das Hochziehen ist zwar etwas eklig, aber es ist die gesündere Alternative, weshalb Experten dazu raten. Das Schnäuzen führt zu einem enormen Druckaufbau im Nasen-Rachen-Raum und drückt das Sekret nicht nur Richtung Nasenausgang, sondern auch in die Stirn- und Nasennebenhöhlen, wo die Viren eine Entzündung auslösen können. Die Nasenschleimhäute werden angegriffen, es kann sogar zu Nasenbluten kommen. Wem das Hochziehen dennoch zu unappetitlich ist, der sollte mit wenig Druck arbeiten und sanft ein Nasenloch nach dem anderen ausblasen. Und Ihr benutztes Taschentuch sollten Sie dann sofort entsorgen, damit sich andere Personen nicht daran anstecken. Viren können auf Papiertaschentüchern bis zu sechs Wochen überleben.
20. "Beim Niesen und Husten: Hand vor den Mund!"
Falsch. Das ist zwar gut gemeint, aber der sicherste Weg, andere anzustecken. Die im Nasensekret und Speichel enthaltenen Erkältungsviren gelangen auf die Hände und – wenn man diese nicht sofort wäscht – auf alles, was der Erkrankte anfasst, auf Türklinken, Geländer, andere Gegenstände oder andere Hände. Dort überleben sie mehrere Stunden. Husten und niesen Sie besser in ein Taschentuch oder in den Ärmel am Ellbogen und wenden Sie sich dabei von anderen Personen ab.
21. "Händewaschen ist der beste Schutz vor einer Erkältung"
Richtig. Erkältungsviren werden von Erkrankten überall verteilt. Wir nehmen sie mit den Händen auf, reiben uns mit der Hand die Augen oder greifen uns an den Mund – und schon gelangen Keime auf unsere Schleimhaut und wir haben uns angesteckt. Durch eine verbesserte Hand-Hygiene konnten Atemwegsinfektionen um 21 Prozent reduziert werden, wie eine grosse Studie gezeigt hat. Waschen Sie Ihre Hände regelmässig mit Wasser und Seife, das ist eine effektive Vorbeugungsmassnahme. Mehrmals am Tag und mindestens 30 Sekunden lang! Gründliches Händewaschen ist sogar viel effektiver als eine kurze Desinfektion mit alkoholhaltigen Mitteln.