Familienhebamme

Interview mit Rita Müller

Baby gähnt
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swissmom: Familienhebammen haben neben den klassischen Aufgaben der freischaffenden Hebammen (Begleitung von Frauen in der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett) besondere Fähigkeiten, welche sind dies?

Rita Müller: Die Arbeit einer Familienhebamme beinhaltet die Begleitung von Familien, die sich in einer sozial schwierigen Situation befinden. Somit ist es wichtig, dass die Hebamme weiss, wie unser Sozialsystem funktioniert, damit sie adäquat vernetzen und vermitteln kann. Da sich die Familie meistens in einer Krisensituation befindet, braucht es beraterische Fähigkeiten, um die Familie aufzufangen und mit ihr gemeinsam nach Lösungen suchen zu können.

Zur Person

Rita Müller ist seit 1996 Hebamme und arbeitet seit 1998 mehrheitlich selbständig. Als freipraktizierende Hebamme betreut sie Schwangere und Familien nach der Geburt und im Wochenbett zu Hause. Im Jahr 2009 erweiterte sie ihr Tätigkeitsfeld auf die Begleitung und Unterstützung von schwangeren Frauen und Familien, welche sich in einer schwierigen, sozial belasteten Situation befinden.

swissmom: Familienhebammen arbeiten mit verschiedenen sozialen Institutionen zusammen. Wie hilft dieses Netzwerk den Müttern bzw. Schwangeren?

Rita Müller: Die Eltern sind meistens sehr dankbar für das Aufzeigen von Unterstützungsmöglichkeiten. Sie teilen mir oft mit, dass sie sich sehr hilflos fühlen und davon ausgehen, dass sie das alles einfach alleine schaffen müssten und so auch keine Hilfe anfordern. Das direkte Ansprechen von möglichen Problemen und die Auseinandersetzung damit, wird als entlastend empfunden. Die betroffenen Familien sehen sehr bald, dass sich in jeder noch so verzweifelten Situation eine Lösung finden lässt. Sie werden sensibilisiert, ihre Stärken zu erkennen und lernen, diese gezielt einzusetzen.

Die Unterstützung kann finanziell sein oder mit dem Aufgleisen eines tragenden Umfeldes innerhalb der Familie. Es ist auch möglich, vorübergehend eine sozialpädagogische Familienbegleitung einzusetzen. 

swissmom: Wie betreuen Familienhebammen die werdenden Mütter und wie lange kann eine Mutter nach der Geburt auf sie zählen?

Rita Müller: Während der Schwangerschaft und dem Wochenbett ist die Betreuung durch die Hebamme gewährleistet. Anschliessend ist es möglich, die Familie bis zum ersten Lebensjahr des Kindes weiter zu begleiten, insofern dies durch die Familie gewünscht wird und es von einer Behörde einen klaren Auftrag gibt.   

swissmom: Neben der Mutter profitiert auch das Neugeborene von der Betreuung durch die Familienhebamme, wie insbesonders?

Rita Müller: Das Neugeborene profitiert, indem die Eltern einen sicheren Umgang mit ihm finden, seine Bedürfnisse zu erkennen lernen und bereit sind, eine Bindung mit ihm einzugehen. Durch diesen Rahmen, den ihm die Eltern geben, erfährt es Stabilität, Sicherheit und Vertrauen. Es kann in Ruhe seine Welt entdecken. 

swissmom: Welche Angebote kann eine Familienhebamme der (werdenden) Mutter anbieten?

Rita Müller: Unterstützung mittels Vermitteln bei behördlichen Unklarheiten, Begleitung an Gesprächen mit den Behörden, Stärkung der vorhandenen Fähigkeiten, Unterstützung in der Rollenfindung als Eltern, Tagesstrukturfindung, Unterstützung in der Erziehungsarbeit und Hilfe beim Aufbau eines tragenden Umfeldes. 

swissmom: Wie findet eine Schwangere, wie finden werdende Eltern oder Eltern in schwierigen Lebensumständen eine Familienhebamme?

Rita Müller: Sicher am besten über das Internet beim schweizerischen Hebammenverband (www.hebamme.ch) oder über den/die behandelnde/n Gynäkologen/In oder den Hausarzt, die Hausärztin. Nach der Geburt wird die Familie meistens über das Spital vermittelt.

swisssmom: Wie beschreiben Sie Ihre Tätigkeit in kurzen Worten?

Rita Müller: Die vielen verschiedenen Begegnungen bereichern meinen Alltag und lassen mich immer wieder über die enorme Vielseitigkeit unseres Berufes staunen. Ich finde es schön Hebamme zu sein!

Letzte Aktualisierung: 13.05.2020, BH