Depressionen schon bei Kindergartenkindern

Aus der Forschung

Trauriges Kindergartenkind und Spielzeug
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Bereits Kinder im Vorschulalter leiden unter Angst- und Depressionssymptomen. Das haben Forscher der Universität Leipzig herausgefunden, die lokal einen gesamten Kindergartenjahrgang daraufhin untersuchten. Dabei stellten sie bei zwölf Prozent (über 200) der rund 1.740 einbezogenen Kinder erhöhte Ängstlichkeit und depressive Verstimmtheit fest. Bei etwa der Hälfte dieser Kinder war die Entwicklung sogar schon stärker beeinträchtigt. Lagen Symptome wie Traurigkeit, Schlafstörungen, Gereiztheit oder Spielhemmung vor, wurden Kinder wie Eltern zu einer vertieften kinderpsychiatrischen Diagnostik eingeladen. Parallel dazu wurde eine Kontrollgruppe untersucht, bei denen die Anzeichen nicht auftraten.

Wenn ein Fünfjähriger im Kindergarten wenig Interesse zeigt, sich am Spiel zu beteiligen, wird er zunächst kaum auffallen. "Die Aufmerksamkeit liegt eher auf Hyperaktivität und Aggression", weiss Prof. Kai von Klitzing, Universitätsklinikdirektor für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters. „Wenn ein Kind dauerhaft traurig ist, nicht spielen will oder lustlos in der Ecke sitzt, sollte man genauer hinschauen. Denn erwachsene depressive Menschen berichten häufig, dass ihre Krankheit schon im Kindesalter begann.“ Eine rechtzeitige Früherkennung ist angebracht, denn ohne fachliche Hilfe seien diese Kinder nachweislich einem erhöhten Risiko ausgesetzt, im Erwachsenenalter eine Depression zu entwickeln.

Den Wissenschaftlern zufolge sind vor allem jene Kinder von Angststörungen und Depressionen betroffen, deren Eltern selbst unter einer Depression leiden. Ein höheres Risiko haben aber auch diejenigen, die negative Lebenserfahrungen wie Misshandlung und Vernachlässigung schon in der frühen Kindheit erlebten. Andere Faktoren sind auch das Zerbrechen von Familien und früher Leistungsdruck.

„Viele glauben, die Kindheit sei sorgenfrei. Das ist aber eine Illusion“, unterstrich von Klitzing. Dabei betonte er, dass nicht jedes Kind, das ängstlich sei, gleichzeitig depressiv werde. Phobische Symptome wie Angst vor Dunkelheit und vor grossen Tieren seien genauso normal wie die anfängliche Angst und Traurigkeit, sich morgens vor dem Kindergarten von den Eltern zu trennen (Trennungsangst). „Ich finde es wichtig, die zu identifizieren, die wirklich leiden und echte Entwicklungsprobleme haben“, erklärte der Wissenschaftler.

Eine psychoanalytische Kurzzeittherapie für Kinder von vier bis zehn Jahren, die bereits im Vorschulalter gegensteuert, zeigt überraschend gute Erfolge. In 25 Therapie-Sitzungen, von denen fünf mit und 20 ohne Eltern stattfinden, werden in Gesprächen und im Spiel unverarbeitete Konflikte des Kindes herausgearbeitet. "Es geht nicht darum, einfach die Symptom zu beseitigen, sondern für Kind und Eltern besser verständlich zu machen, welche ungelösten Entwicklungsaufgaben hinter den Symptomen stehen", erläutert von Klitzing. In der Konfliktbearbeitung kommen sehr häufig Themen wie Trennung und Schuld auf. "Kinder fühlen sich rasch schuldig, wenn es Schwierigkeiten in der Familie, wie Partnerschaftsprobleme oder Krankheit der Eltern, gibt. Tief innerlich empfinden sie, dass es ihnen nicht besser gehen darf als den Eltern."

Quelle: Klitzing, K. von, et al.:  (2014). Journal of Child Psychology and Psychiatry. Published online, doi:10.1111/jcpp.12222

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