Geburt unter der Leitung einer Hebamme

Interview mit Dominique Krebs

Hebamme untersucht die Schwangere

swissmom: Bei jeder Geburt ist eine Hebamme anwesend. Wie unterscheidet sich die hebammengeleitete Geburt von einer konventionellen Spitalgeburt? 

Dominique Krebs: Die Hebamme leitet die Geburt eigenständig und selbstverantwortlich. In der letzten Phase der Geburt kommt jeweils eine zweite Hebamme hinzu. Ärztinnen und Ärzte sind in Rufweite, werden aber nur beigezogen, wenn während der Geburt Komplikationen auftreten. In einem Vorgespräch um die 36. Schwangerschaftswoche klären wir ab, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen gegeben sind und welche Vorstellungen die Frau bezüglich der Geburt hat. Also beispielsweise, ob sie zur Schmerzlinderung Aromatherapie möchte oder ob Akupunktur eine Option wäre. Was wir in dem Vorbereitungsgespräch besprechen, halten wir schriftlich fest, so dass das ganze Hebammenteam Zugriff auf die Aufzeichnungen hat. Dadurch ist gewährleistet, dass die Wünsche der Gebärenden berücksichtigt. werden. Viele Frauen kommen für die Schwangerschaftskontrollen zu uns und lernen so bereits einen Teil vom Hebammenteam kennen. Auch auf dem Wochenbett arbeiten Hebammen sowie Pflegefachfrauen eigenverantwortlich bei Frauen nach einer hebammengeleiteten Geburt. So können wir eine enge Begleitung durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bieten, in der wir auf die Wünsche und Bedürfnisse der Schwangeren eingehen können.

Zur Person

Dominique Krebs

Dominique Krebs ist Hebamme und leitet seit 2013 die Gebärabteilung im Stadtspital Triemli, Zürich. Das Angebot der hebammengeleiteten Geburt besteht seit 2015.  

swissmom: Wo liegt der Unterschied zu einer Beleghebammengeburt? 

Dominique Krebs: Eine Beleghebamme ist freischaffend, während für die hebammengeleitete Geburtshilfe unser Hebammenteam verantwortlich ist. Die Beleghebamme führt die Schwangerschaftskontrollen durch, leitet die Geburt im Spital und betreut die Frau meistens auch zu Hause im Wochenbett. Sie bleibt während der ganzen Dauer der Geburt anwesend, es kommt also zu keinem Schichtwechsel. Treten Komplikationen auf, wird auch hier eine Ärztin oder ein Arzt beigezogen. Dank unserer Zusammenarbeit mit drei freischaffenden Hebammen können wir in der Frauenklinik auch Beleghebammengeburten anbieten - ein Angebot, das sehr beliebt ist. 

swissmom: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine hebammengeleitete Geburt in Frage kommt? 

Dominique Krebs: Das Angebot richtet sich an werdende Mütter, die eine natürliche Geburt wünschen, die gesund sind und deren Schwangerschaft ohne Komplikationen verläuft. 

swissmom: In welchen Situationen wird ein Arzt oder eine Ärztin beigezogen? 

Dominique Krebs: Die Hebamme fordert ärztliche Unterstützung an, wenn z. B. wehenfördernde Mittel verabreicht werden müssen oder die Frau eine PDA wünscht. Auch bei Komplikationen wie zum Beispiel einem Geburtsstillstand werden die Ärzte beigezogen. 

swissmom: Welche Vorzüge hat die hebammengeleitete Geburt? 

Dominique Krebs: Die Gebärende hat einerseits die individuelle, enge Begleitung durch die Hebamme, andererseits die Sicherheit der Spitalumgebung. Wenn sie ärztliche Hilfe benötigt, ändert sich für sie nichts. Sie kann im gleichen Zimmer bleiben und es kommt einfach ein Arzt oder eine Ärztin hinzu. Das läuft alles sehr ruhig ab.

swissmom: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Hebamme selbständig Geburten leiten darf?

Dominique Krebs: Eine Hebamme muss mindestens zwei Jahre Berufserfahrung haben sowie die internen obligatorischen Weiterbildungen absolvieren. Dazu gehört beispielsweise ein Nahtkurs, in dem die Versorgung von Geburtsverletzungen erlernt wird. 

swissmom: Was bedeutet dieses Modell für die Arbeit der Hebammen?

Dominique Krebs: Das Angebote der hebammengeleiteten Geburtshilfe trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Hebammenausbildung in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat. Die im Studium erworbenen Kompetenzen kommen stärker zum Tragen und die Arbeit der Hebamme wird dadurch aufgewertet. Die Möglichkeit, innerhalb der Infrastruktur eines Spitals eigenverantwortlich zu arbeiten, wird sehr geschätzt. Darum bewerben sich auch Hebammen, die schon viel Berufserfahrung haben, auf unsere offenen Stellen - etwas, was in einem so grossen Spital sonst eher ungewöhnlich ist. 

swissmom: Als die hebammengeleitete Geburtshilfe eingeführt wurde, gab es vor allem aufseiten der Ärzteschaft eine gewisse Skepsis. Wie sieht dies heute aus? 

Dominique Krebs: Die Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten funktioniert sehr gut und die Skepsis ist verschwunden. Von ärztlicher Seite wird es geschätzt, dass die Hebammen Aufgaben übernehmen können, beispielsweise die Versorgung einer leichten Geburtsverletzung, wenn der Arzt oder die Ärztin bei einer anderen Geburt gebraucht wird. Bei den Hebammen ist das Verständnis dafür gewachsen, welche Verantwortung es mit sich bringt, eine Geburt zu leiten. Dies führt dazu, dass sie se besser nachvollziehen können, warum beispielsweise ein Assistenzarzt sich dazu entschliesst, eine Oberärztin beizuziehen oder warum eine Intervention verordnet wird.

swissmom: Wie rege machen die Gebärenden Gebrauch von dem Angebot der hebammengeleiteten Geburtshilfe?

Dominique Krebs: Wir hatten im Jahr 2017 160 hebammengeleitete Geburten sowie 68 Beleghebammengeburten. Da wir erst einmal Erfahrungen mit diesem Modell sammeln wollten, haben wir es nicht aktiv beworben. Inzwischen ist die hebammengeleitete Geburtshilfe gut etabliert und ein externes Audit, das vor Kurzem durchgeführt wurde, hat ergeben, dass wir die Qualitätsanforderungen vollumfänglich erfüllen. Dadurch ist für uns der Zeitpunkt gekommen, das Angebot bekannter zu machen. 

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