Digitalisierung in Schule und Kindergarten – Fluch oder Segen?

Kinder mit dem Tablet in der Schule

Eigentlich wollte ich diese Woche über etwas ganz anderes schreiben. Dann war ich am Mittwoch aber an einer Lehrerkonferenz zum Thema «Digitalisierung in der Schule» mit anschliessender Diskussionsrunde und mir ist bewusst geworden, welch kontroverse Ansichten es zu diesem Thema gibt. Zu meinem Erstaunen ging es bei den ziemlich erhitzten Diskussionen nicht darum WIE wir digitale Medien im Unterricht nutzen können, sondern OB sie überhaupt eingesetzt werden sollten.

«Pro» Digitalisierung – ein Tablet für jedes Kind!


Wir leben in einer digitalen Welt, das ist ein Fakt und schon längst nicht mehr aufzuhalten. Unsere Gesellschaft hat sich von einer reinen Sprach- über eine Handschrift- und Buchdruck-  inzwischen zu einer Informationsgesellschaft entwickelt, die Informationen jederzeit und überall abrufen und verbreiten kann. Die Kinder, die wir heute im Kindergarten und in der Primarschule unterrichten sind «Digital Natives», das heisst sie sind alle geboren worden, als dieser gesellschaftliche Wandel bereits vollzogen war. Ich kann mich noch an eine Zeit ohne das Internet erinnern, die Kinder in meiner Klasse nicht. Aber können sie es deshalb automatisch besser als ich und müssen den Umgang damit gar nicht mehr lernen? Nein, denn dann wäre ich wohl auch um die vielen Fahrstunden herumgekommen, da Autos in meinem Geburtsjahr schon längst eine Selbstverständlichkeit waren.

Das moderne Leben wird durch ICT dominiert, das bekommen auch unsere Kinder mit. Sie sehen, wie wir morgens die Wetter-App checken, um sie für den Schulausflug richtig anzuziehen, wie wir die schnellste Busverbindung zum Zoo heraussuchen oder wie wir der Oma noch schnell das neueste Bild ihrer Enkel via What’s App schicken. Dieser alltägliche Gebrauch digitaler Medien ist weder gut noch böse, er ist einfach da. Wir müssen den Kindern die Möglichkeit geben, sich mit den Annehmlichkeiten und den Schattenseiten auseinanderzusetzen. Kinder sollten keine Angst vor technischen Geräten entwickeln, sondern sie als Werkzeuge verstehen und auch als solche gebrauchen. Das muss möglichst früh trainiert werden.

«Contra» Digitalisierung – nur analoge Kinder sind glückliche Kinder!


Digitale Medien sind also aus der Lebenswelt der Kinder nicht mehr wegzudenken, einverstanden. Müssten wir als Lehrer dann nicht gerade einen Kontrapunkt dazu liefern? Zu Hause schaut die Mutter wahrscheinlich ohnehin schon mehr auf den Bildschirm ihres Smartphones als ins Gesicht ihres Kindes – da sollten sie wenigstens von der Lehrperson die volle Aufmerksamkeit erhalten.

Und sollten wir den Kindern nicht einen geschützten Raum zur Verfügung stellen, in dem sie wichtige Primärerfahrungen machen können, ohne dabei ständig digitale Medien nutzen zu müssen? Bei einem Ausflug auf den Bauernhof sollten die Kinder die Kühe anfassen, das Heu unter den Füssen spüren und den Kuhfladen riechen, nicht Bilder davon auf ihren Tablets oder Smartphones machen. Kinder werden noch früh genug mit der Digitalisierung konfrontiert. Im Kindergarten und in der Unterstufe sollten sie einfach nur Kind sein dürfen. Allerfrühestens in der Mittelstufe sollten digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden. Zunächst sollten die Kinder eine schöne Handschrift, lesen und rechnen lernen, das kann ihnen ohnehin kein Computer abnehmen. Der Fokus in der Unterstufe sollte aber auf der Förderung der Sozial- und Selbstkompetenzen liegen. Teamfähigkeit, Kreativität oder Empathie sind menschliche Fähigkeiten, die von Robotern nicht erlernt werden können und uns deshalb unersetzbar machen.

Kein entweder-oder sondern ein sowohl-als-auch


Ich kann die Argumente auf beiden Seiten nachvollziehen, bin aber der Meinung, dass sie sich überhaupt nicht gegenseitig ausschliessen, sondern absolut miteinander zu vereinbaren sind. Dafür muss den Kindern ganz einfach ein - und hier schlage ich nun endlich die Brücke zur Achtsamkeit - möglichst achtsamer Umgang mit digitalen Medien vermittelt werden.

Das fängt natürlich zu Hause bei den Eltern an, denn sie sind die ersten Bezugspersonen und wichtige Vorbilder für die Kinder. Am Esstisch sollte es um das Essen und den kommunikativen Austausch miteinander gehen, da haben Smartphones oder Tablets nichts zu suchen. Im Auto sollte die Aufmerksamkeit ausschliesslich auf den Verkehr gerichtet werden - nicht auf das Beantworten einer SMS.

Auf Ausflügen hingegen finde ich es absolut legitim, schöne Momente mit der Handykamera festzuhalten und vielleicht sogar sofort mit den Daheimgebliebenen zu teilen. Auch kann das Smartphone oft dabei helfen, die 1000 Fragen der Kinder nicht immer nur mit "Weiss nicht" zu beantworten, sondern sie dank Google sofort und möglichst fundiert beantworten zu können. So lernen die Kinder, diese Hilfsmittel sinnvoll zu nutzen, ohne sich davon komplett vereinnahmen zu lassen.

Programmieren mit dem "BlueBot"


Auch die Schule hat aber meiner Meinung nach die Möglichkeit - oder vielleicht sogar die Verpflichtung - Kindern einen achtsamen und sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Zum Beispiel durch ein spielerisches Einführen ins Programmieren bereits im Kindergarten, was mit Hilfe kleiner Roboter im wahrsten Sinne des Wortes zum «Kinderspiel» wird. Es gibt aber durchaus auch Methoden, die Grundsätze des Programmierens im Freien, ohne Bildschirm und mit viel Bewegung zu vermitteln. Es lässt sich zum Beispiel wunderbar mit Yogaübungen verbinden (dazu mehr in einem späteren Blogbeitrag!). Wer Programmieren kann, der beherrscht digitale Medien anstatt sich von ihnen beherrschen zu lassen. Dies macht den entscheidenden Unterschied zwischen Auslieferung und unvermeidbarer Abhängigkeit aus. Zudem fördert das Programmieren die Kreativität, das logische Denken und die Problemlösefähigkeit.

Meiner Meinung nach sollten digitale Medien aus der Unterstufe also auf keinen Fall verbannt werden, sondern dazu genutzt werden, den Kindern einen achtsamen Umgang mit ihnen zu vermitteln!

Gastbeitrag von Caroline Hafner

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In ihrem Blog schreibt die Basisstufen-Lehrerin Caroline Hafner regelmässig über Themen, die ihr am Herzen liegen, v.a. aus dem Bereich Kinder-Yoga und seinem Einbau in Erziehungs- und Unterrichtsmethoden.

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