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                              Zu klein bei der Geburt

                              Interview mit Prof. Dr. med. Urs Eiholzer

                              Neugeborenes auf der Waage

                              swissmom: Professor Eiholzer, weshalb kommen heute immer mehr Kinder zu klein oder/und zu leicht zur Welt?

                              Prof. Urs Eiholzer: Ein wichtiger Grund ist das gestiegene Durchschnittsalter von Erstgebärenden und das damit verbundene höhere Risiko von Schwangerschaftskomplikationen. Hinter einem zu geringen vorgeburtlichen Wachstum steckt häufig eine eingeschränkte Kapazität der Plazenta, die zur Unterversorgung des Ungeborenen führen kann. Diesen Einfluss können auch Krankheiten der Mutter wie zum Beispiel Nierenstörungen, Diabetes mellitus, Schwangerschaftsgestose, Anämie, chronische Infektionen sowie starkes Rauchen und Alkoholkonsum haben. Grösse und Gewicht bei der Geburt werden aber auch durch die Gene beeinflusst: Mütter, die selber klein sind oder zu klein oder/und zu leicht zur Welt gekommen sind, haben ein grösseres Risiko, ein zu kleines oder/und zu leichtes Kind zu gebären. In der Fachsprache nennt man diese Kinder SGA-Kinder (small for gestational age), also zu klein für das Gestationsalter.

                              Zur Person

                              Urs Eiholzer

                              Prof. Dr. med. Urs Eiholzer ist Leiter des Pädiatrisch-Endokrinologischen Zentrums Zürich PEZZ (www.pezz.ch)

                              swissmom: Hat die Unterversorgung während der Schwangerschaft langfristige Folgen?

                              Prof. Urs Eiholzer: Diverse Studien weisen darauf hin, dass sich der Stoffwechsel von betroffenen Kindern für immer umschaltet. Das werdende Kind konzentriert sich aufgrund der «Hungersnot» im Bauch auf die Versorgung der lebenswichtigen Organe, was auf Kosten des Wachstums geschieht. SGA-Kinder sind nicht nur kleiner, sie haben auch weniger Muskeln, einen grösseren Fettanteil und sind körperlich weniger aktiv. Bei einer Hungersnot sichert die Umprogrammierung des Stoffwechsels das Überleben. Ist das Kind aber dann ab Geburt mit Überfluss konfrontiert, kann diese Umprogrammierung zu gesundheitlichen Problemen führen.

                              swissmom: Welche Konsequenzen sind möglich?

                              Prof. Urs Eiholzer: Untergewichtige Neugeborene zeigen oft bereits im Kindesalter nachweisbare Auffälligkeiten im Blutzucker und Insulin. Zusätzlich führt die ungenügende Versorgung bei Mutter und Kind zu Stress und einem erhöhten Spiegel des Stresshormons Cortisol, welcher oft lebenslang nachwirkt. Betroffene Kinder sind oft stressempfindlicher als andere und anfälliger für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Diagnose SGA verfolgt Kinder auch in der Schule. Der Zusammenhang zwischen Untergewicht bei der Geburt und späterer geringerer Intelligenz, schlechteren Berufsaussichten, niedrigerer Sozialkompetenz und Verhaltensauffälligkeiten ist gut dokumentiert. 

                              swissmom: Wie sehen denn die Prognosen von SGA-Kindern bezüglich des Wachstums aus?

                              Prof. Urs Eiholzer: Die meisten zu klein geborenen Kinder holen das Wachstumsmanko in den ersten zwei Lebensjahren auf. Rund zehn Prozent der Betroffenen tun das nicht und sind meist auch als Erwachsene zu klein.

                              swissmom: Was empfehlen Sie Eltern von Kindern, die zu klein oder/und zu leicht zur Welt gekommen sind?

                              Prof. Urs Eiholzer: Bei diesen Kindern sind das sorgfältige Messen der Grösse und die Führung einer Wachstumskurve besonders wichtig. Bleibt das Aufholwachstum in den ersten zwei bis vier Lebensjahren aus, sind weiterführende Abklärungen angezeigt.

                              swissmom: Wie kann SGA-Kindern geholfen werden?

                              Prof. Urs Eiholzer: Heute wissen wir, dass diese Kinder mehr Wachstumshormon brauchen, um gemäss ihren genetischen Vorgaben wachsen, wenn kein Aufholwachstum stattfindet. Damit Betroffene von einer Therapie profitieren können, müssen andere Ursachen für das mangelnde Wachstum ausgeschlossen werden und strenge Kriterien erfüllt sein. Nach einem Jahr wird der Erfolg der Behandlung überprüft. Schlägt diese an, wird sie bis zum Abschluss des Wachstums in der Pubertät weitergeführt.

                              swissmom: Welche Faktoren beeinflussen den Behandlungserfolg?

                              Prof. Urs Eiholzer: Eine Behandlung ist ab dem vierten Geburtstag möglich. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto niedriger kann die Dosis gewählt werden und desto grösser ist die Chance, dass das Kind später im Erwachsenenalter seine genetisch vorgegebene Zielgrösse (nahezu) erreicht. Pro Behandlungsjahr kann die Grösse etwa um einen Zentimeter beeinflusst werden. Ziel der Behandlung ist nicht nur die Beeinflussung des Längenwachstums, sondern auch der Aufbau von Muskeln zuungunsten des Körperfettanteils, weil dies das Risiko von Diabetes reduziert.

                              Das Interview wurde von Susanna Steimer Miller im Auftrag von swissmom geführt.

                              Letzte Aktualisierung: 05.11.2019, AS