Es lohnt sich, ganz genau nachzufragen

Interview mit Dr. Claudia Bruckert

Mädchen beim Zahnarzt
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swissmom: Weshalb sollten Eltern eine Zusatzversicherung zur teilweisen Kostenübernahme von kieferorthopädischen Behandlungen abschliessen?

Claudia Bruckert: Die Ansprüche, eine harmonische, ästhetische Verzahnung zu haben, sind heute hoch. Durch die jährlich stattfindenden schulzahnärztlichen Kontrollen werden Eltern darauf aufmerksam, dass eine Behandlung notwendig sein könnte. Es besteht nicht gerade ein Druck, aber doch ein hoher Anspruch im ästhetischen Bereich. Etwa die Hälfte der Zahnkorrekturen ist funktionell notwendig, die übrigen Korrekturen sind ästhetisch begründet. Die Zusatzversicherung übernimmt einen Teil der Kosten dieser wünschenswerten Korrekturen, bei wirklich schwierigen Fällen, die einen Krankheitshintergrund haben, werden die Kosten teilweise von der IV oder der Grundversicherung übernommen. Bei Unfällen werden die Kosten von der Unfallversicherung getragen. 

swissmom: Wann ist der richtige Zeitpunkt, eine solche Zusatzversicherung abzuschliessen?

Claudia Bruckert: So früh wie möglich. Wir empfehlen Eltern sogar, dies schon bei der Geburt zu tun, wenn sie die Versicherung für das Kind abschliessen. Oft ist die Prämie für Kinder unter fünf Jahren noch gratis.

swissmom: Warum sollte man diese Versicherung bereits so früh abschliessen?

Claudia Bruckert: Bis zum Alter von 4 Jahren kann man eine solche Zusatzversicherung bei den meisten Versicherungsgesellschaften ohne zahnärztliches Attest abschliessen. Zu einem späteren Zeitpunkt verlangen die Versicherungen eine zahnärztliche Untersuchung und häufig kommt es vor, dass ein Kind dann nicht mehr aufgenommen wird, weil sich zeigt, dass später eventuell eine Korrektur nötig sein könnte. 

Zur Person

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Frau Dr. Claudia Bruckert ist Fachzahnärztin für Kieferorthopädie. Sie war 4 Jahre Oberärztin an der Universität Zürich in der Abteilung für Kieferorthopädie mit den Schwerpunkten Stundentenausbildung und Betreuung der Kinder mit Lippen-Kiefer- und Gaumenspalten. Seit 2011 führt Sie eine Praxis für Kieferorthopädie in der Stadt Luzern.

swissmom: Wie stehen die Chancen, dass man die Versicherung zu einem späteren Zeitpunkt noch abschliessen kann?

Claudia Bruckert: Bei einem Krankenkassenwechsel sind die Versicherungen sehr streng. Wenn ein Kind mal aus der Zusatzversicherung fällt, wird es von einer anderen Versicherung kaum mehr aufgenommen. Falls doch, gibt es kaum mehr die maximale Deckung. Wenn man für das Kind im Kleinkindalter die Versicherung abgeschlossen hat und sie später doch nicht braucht, hat man zwar etwas zu viel bezahlt, wenn es aber zu einer Behandlung kommt, haben sich die Kosten für die bessere Deckung auf jeden Fall gelohnt.

swissmom: Welche Leistungen werden in der Regel übernommen? Welche Kosten müssen die Eltern selber tragen?

Claudia Bruckert: Das hängt vom Versicherungsmodell und dem Versicherer ab. In der Regel werden 50 bis 75 % der Kosten übernommen, es gibt aber auch Versicherer, die 100% der Kosten übernehmen. Manche Versicherungen bezahlen jährlich einen bestimmten Betrag. Es lohnt sich, sehr genau hinzuschauen, welche Leistungen in der Versicherungspolice inbegriffen sind, denn manchmal decken auch Grundversicherungen bis zum 18. Altersjahr einen Teil der Kosten für die kieferorthopädischen Behandlungen. Da nicht alles immer genau ersichtlich ist, sollte man persönlich bei der Versicherung nachfragen, welche Kosten übernommen werden.

swissmom: Man hört immer wieder von Eltern, die sich beklagen, die Krankenkasse habe nicht so viel bezahlt, wie erwartet. Worauf sollte man beim Abschluss einer Versicherung besonders achten? Wo lauern die Tücken, die man im Vorfeld oft nicht beachtet?

Claudia Bruckert: Es lohnt sich, vor Abschluss der Versicherung, die genauen Angaben, welche Kosten übernommen werden, schriftlich einzufordern. Man sollte aber auch daran denken, dass sich im Laufe der Jahre die Bedingungen ändern können und dann eine Deckung plötzlich wegfällt. Die Versicherungen teilen diese Änderungen zwar jeweils mit, aber dies übersieht man leicht. Eltern sollten also aktiv werden und nachfragen, denn wenn man eine Änderung stillschweigend akzeptiert hat, lässt sich kaum mehr etwas machen. Mit dem Kieferorthopäden sollten sie den Behandlungsplan und die Kostenschätzung genau anschauen und diese Angaben auch schriftlich einfordern. Wenn zum Beispiel die Versicherung jährlich einen bestimmten Betrag übernimmt, ist es sinnvoll, die Behandlung über mehrere Jahre aufzuteilen. Wichtig ist auch der Taxpunkttarif, denn die Versicherung deckt oft nur einen Tarif von Fr. 3.10, der Kieferorthopäde aber arbeitet zu einem höheren Tarif. Je besser die Eltern informiert sind, umso besser funktioniert das Zusammenspiel. Man muss sich unbedingt getrauen, vor der Behandlung genau nachzufragen und eventuell eine Zweitmeinung einzuholen.

swissmom: Was können Eltern tun, die es verpasst haben, rechtzeitig eine Zusatzversicherung abzuschliessen?

Claudia Bruckert: In diesem Fall muss der Kieferorthopäde mit den Eltern schauen, welche Behandlungen dringlich und sinnvoll sind und womit man eventuell noch warten kann. Die meisten Eltern bereuen es, wenn sie es verpasst haben, die Zusatzversicherung rechtzeitig abzuschliessen. Zusatzversicherungen für kieferorthopädische Behandlungen sind im Verhältnis zu den Kosten, die später übernommen werden, relativ günstig und lohnen sich. Zusatzversicherungen, die für alle zahnärztlichen Behandlungen, also zum Beispiel auch für Kariesbehandlungen, aufkommen, sind viel teurer. Eine Versicherung, die das gesamte zahnärztliche Behandlungsspektrum abdeckt, würde ich nur empfehlen, wenn ein Kind motorische und gesundheitliche Probleme hat, bei denen eine normale Mundhygiene nicht möglich ist, denn diese Versicherungen sind im Verhältnis zu den Kosten, die übernommen werden, sehr teuer. 

swissmom: Was sollten Eltern im Zusammenhang mit einem Versicherungswechsel berücksichtigen?

Claudia Bruckert: Auch hier sollte man sich gut informieren und sich sehr gründlich überlegen, ob ein Wechsel sinnvoll ist, insbesondere während einer laufenden Behandlung. Wir empfehlen in diesem Fall den Eltern, die eine gute Deckung für kieferorthopädische Behandlungen haben, zumindest bei dem betreffenden Kind keinen Wechsel vorzunehmen. Es ist nicht realistisch, dass man während der Behandlung bei einer anderen Versicherung ein besseres Angebot bekommt. Im besten Fall bekommt man die gleiche Deckung, eine bessere aber mit Sicherheit nicht. 

Letzte Aktualisierung: 04.05.2020, TV