Eltern-Burn-out: erkennen, behandeln und die Resilienz stärken
Ein Gastbeitrag von Dr. Elian Zürcher, Psychologin und Psychotherapeutin
Ein Eltern-Burn-out kann sowohl Mütter als auch Väter betreffen. Mütter sind jedoch deutlich häufiger betroffen von einem "Mama-Burn-out", da sie hierzulande nach wie vor den grössten Teil der Familien- und Betreuungsaufgaben übernehmen.
- Was ist ein Eltern-Burn-out?
- Eltern-Burn-out: ein Tabu-Thema
- Risikofaktoren: Wer ist besonders gefährdet?
- Wie erkenne ich ein Burn-out frühzeitig?
- Was sind die Symptome?
- Was tun bei einem Eltern-Burn-out?
- Wo erhalte ich professionelle Hilfe?
- Scham- und Schuldgefühle in der heutigen Generation der Mütter
- Prävention von Eltern-Burn-out: Resilienz stärken
Was ist ein Eltern-Burn-out?
Ein Eltern-Burn-out umschreibt einen starken emotionalen und körperlichen Erschöpfungszustand im Kontext der Familien- und Care-Arbeit. Die Betroffenen fühlen sich leer und ausgebrannt in ihrer Rolle als Elternteil. Sie können die dazugehörigen Aufgaben nur noch unter grösster Anstrengung bis hin zu gar nicht mehr ausführen. Sie fühlen sich meist nicht mehr verbunden mit ihrer Familie, sondern erleben im Familienalltag bestenfalls noch ein "Funktionieren".
Eltern-Burn-out: ein Tabu-Thema
Eltern-Burn-out ist ein grosses Tabu-Thema. Es betrifft viele, doch nur wenige reden darüber. Im beruflichen Kontext ist das Burn-out als klassische "Manager-Krankheit" besser akzeptiert. Es vermittelt, dass man wahnsinnig viel geleistet und sich dabei bis zur Erschöpfung überlastet hat.
Doch welche Gedanken löst ein Burn-out im elterlichen Kontext aus? Oftmals gegenteilige: Betroffene fühlen sich minderwertig und leiden unter Angst vor Abwertung oder Nicht-Ernstgenommen-Werden. Gesellschaftlich wird die Care-Arbeit viel zu wenig wertgeschätzt. Gleichwohl sollte man sie aber wie selbstverständlich leisten. Schliesslich liegt es ja in der Natur des Menschen und vor allem der Mutter, die Kinder zu versorgen. Solche und ähnliche gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Normen machen die Scham- und Schuldgefühle ungerechtfertigterweise umso grösser.
Die Krankheitsdynamik ist beim Eltern-Burn-out aber nicht anders als beim "klassischen" Burn-out: Ein Elternteil wird im Rahmen der Kinderbetreuung und häufig gleichzeitiger beruflicher Tätigkeit über längere Zeit voll ausgelastet, geht an und über die eigenen Grenzen der Belastbarkeit hinaus, bis es zu einem körperlichen und emotionalen Erschöpfungszustand kommt.
Risikofaktoren: Wer ist besonders gefährdet?
Es gibt verschiedene Faktoren, die ein Burn-out begünstigen, die in den Lebensumständen liegen. Geringe soziale Unterstützung zum Beispiel, also wenige Personen im Umfeld zu haben, die einen mit praktischer Alltagshilfe und auch emotional unterstützen. Dabei haben Alleinerziehende folglich meist ein grösseres Risiko. Ebenfalls steigt die Gefahr der Überlastung mit der Anzahl Kinder und auch Mehrlinge bringen eine höhere Belastung im familiären Alltag mit sich. Hinzu kommen Kinder mit Beeinträchtigungen und besonderen Bedürfnissen, welche die Eltern durch erhöhten Betreuungs- und Organisationsaufwand sowie finanzielle Belastungen zusätzlich fordern können.
Risikofaktoren, die sich auf die eigene Person beziehen, sind Persönlichkeits- und Verhaltensmuster wie die Neigung zum Perfektionismus, Überängstlichkeit, tiefer Selbstwert und geringe Stressregulationsfähigkeiten. Körperliche Einschränkungen, chronische Krankheiten, lang andauernder Schlafmangel oder psychische Erkrankungen reduzieren die Belastbarkeit seitens der Mutter oder des Vaters und erhöhen somit das Risiko eines Burn-outs im Familienkontext.
Wichtig zu wissen ist aber: Es ist selten ein einziger Faktor, sondern allermeist eine Kombination mehrerer verschiedener Faktoren, die letztlich zu einem Burn-out führen.
Wie erkenne ich ein Burn-out frühzeitig?
Unsere Gefühlswelt, gerade als Eltern, wird von vielen Wellen durchzogen. Wir erleben grösste Freude und Glück, jedoch kommen wir auch in Gefühlslagen von Frustration, Selbstzweifeln, Erschöpfung oder Hilflosigkeit. Wichtig ist, zu beobachten, ob wir emotional schwingungsfähig sind oder ob wir überdauernd in negativen Gefühlen verhaftet bleiben. Kritische Signale sind, wenn wir beispielsweise ständig überreizt sind, weniger Einfühlungsvermögen gegenüber den Kindern haben oder uns emotional distanziert fühlen.
Weitere Anzeichen sind, wenn wir nicht mehr entspannen können und Lustlosigkeit sowie Energiemangel zunehmen. Wenn der Mental Load zu hoch ist und das Gedanken- und Sorgenkarussell im Kopf sich ununterbrochen dreht, sind wir in Gefahr, unter unserer Last früher oder später zusammenzubrechen.
Was sind die Symptome?
Typische Symptome eines Burn-outs bei einer Mutter oder einem Vater können sein:
Körperliche und psychische Erschöpfung, die länger andauert
verminderte Leistungsfähigkeit und Antriebslosigkeit
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
emotionale Distanz zum Kind, Leeregefühl
Gereiztheit und Stimmungsschwankungen
innere Unruhe und Grübeln
übermässige Ängste und Sorgen
eingeschränkte Erholungsfähigkeit
Schlafstörungen
Bei einem Eltern-Burn-out müssen nicht alle Symptome vorliegen. Auch können sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Was tun bei einem Eltern-Burn-out?
Der erste und wichtigste Schritt ist, dies beim Partner, der Partnerin oder anderen vertrauten Personen anzusprechen und Hilfe anzunehmen. Es ist ganz wichtig, dass Betroffene alltagspraktische Unterstützung organisiert bekommen, um eine Entlastung zu erreichen. Es braucht die Möglichkeit für körperliche und mentale Erholung.
In weiteren Schritten gilt es, die Problemfelder zu analysieren und zu identifizieren, welche Faktoren zu der chronischen Überlastung beigetragen haben. Diese können beispielsweise in alltäglichen Lebensumständen liegen, in einer Doppelbelastung Familie/Job, zu hohem Mental Load, Krisen in der Paarbeziehung, zu geringer Unterstützung im Alltag, Erkrankungen und Beeinträchtigungen der Kinder oder bei sich selbst. Wichtig ist dabei, die individuellen Gegebenheiten in jeder Familie zu beachten, um passende Unterstützungs- und Veränderungsmöglichkeiten für die Betroffenen zu erarbeiten.
Zudem spielen auch personenspezifische Faktoren eine grosse Rolle. Für Betroffene ist es wichtig, sich selber besser kennenzulernen und zu verstehen, wie sie in ihrer Rolle als Elternteil funktionieren. Wo sind die Stärken und Ressourcen, wo aber auch die Schwächen und eigenen Grenzen der Belastbarkeit? Welche Glaubenssätze sind verinnerlicht und wie beeinflussen sie das eigene Verhalten? Wie können nicht hilfreiche Muster verändert und die Selbstfürsorge als Mutter oder Vater gestärkt werden? Wie können das Setzen von Grenzen und die sozialen Kompetenzen trainiert werden?
Es ist empfehlenswert, diese und weitere Themen mit professioneller Unterstützung zu bearbeiten. Oftmals sind auch Elternkurse und erziehungsspezifische Beratung hilfreich, wenn die Überforderung in der Beziehung zum Kind liegt.
Wo erhalte ich professionelle Hilfe?
Eine erste Kontaktaufnahme kann im Grunde über verschiedene Anlaufstellen geschehen. Das Wichtigste ist, dass der Schritt getan wird. Mögliche Ansprechpersonen können sein: Kinderärztin, Hausarzt, Gynäkologin, Hebammen, Mütter- und Väterberatung und natürlich auch der direkte Kontakt zu einer Psychologin oder einem Psychotherapeuten. Im Notfall sind der Elternnotruf oder das Elterntelefon der Pro Juventute gute erste Kontaktstellen.
Mit der jeweiligen Kontaktperson kann geschaut werden, welche Massnahmen und professionellen Angebote hilfreich sind.
Scham- und Schuldgefühle in der heutigen Generation der Mütter
Speziell für die aktuelle Generation der Mütter ist Mama-Burn-out ein grosses Thema. Nie zuvor hatten Frauen mehr Möglichkeiten und Selbstbestimmung, was sowohl die beruflichen Ziele wie auch die Familienplanung betrifft. Damit steigt aber indirekt auch der Druck, "alles" können zu müssen oder zu wollen - und es dann bitte auch alleine schaffen zu sollen! Dahinter stecken gesellschaftlich geprägte Normen, die das Risiko für ein Mama-Burn-out erhöhen.
Scham- und Schuldgefühle wegen eines Eltern-Burn-outs sind fehl am Platz, Erschöpfungszustände entstehen aus vielerlei Gründen und Ursachen - sie sind kein persönliches Versagen. Dennoch ist es notwendig, hinzuschauen, um wieder zu mehr Selbstwirksamkeit und aktiver Lebensgestaltung zu kommen. Es ist wichtig, den Selbstwert als Mutter zu stärken, um dem Kind ein selbstbewusstes und fürsorgliches Elternteil sein zu können und sich in der eigenen Rolle wohlzufühlen.
Die Anforderungen an die heutigen Mütter sind hoch - der für das persönliche Familienleben passende Lebensweg ist immer ein ganz individueller.
Prävention von Eltern-Burn-out: Resilienz stärken
Um sich vor einem Eltern-Burn-out zu schützen, ist es hilfreich, die oben beschriebenen Risikofaktoren zu kennen und ihnen frühzeitig entgegenzuwirken. Dies kann man tun, indem man die eigene Resilienz in der Familie stärkt, also die eigene psychische Widerstandskraft trainiert. Hierfür ist es wichtig, die Dynamik von familiärem Stress zu ergründen und zu lernen, wie man selber funktioniert. Auf diese Weise können die eigenen Stressbewältigungsfähigkeiten verbessert werden. Es geht darum, Überlastung im Familienalltag zu erkennen, Mental Load zu reduzieren und positiv sowie lösungsorientiert damit umzugehen.
Elian Zürcher, Dr. phil. Psychologin und Psychotherapeutin FSP, ist Mutter von 4 Kindern (darunter Drillinge). Sie ist selbständig in einer eigenen Praxis sowie als Kurs- und Workshopleiterin tätig. Speziell für Eltern bietet sie einen Workshop zur Prävention von Eltern-Burn-out an: "Resilienz in der Familie stärken". Dort lernen interessierte Mütter und Väter praktische Familien-Tools zur Alltagsgestaltung und zum Umgang mit Mental Load kennen. Darüber hinaus werden in der persönlichen Arbeit innere Verhaltensmuster aufgedeckt und bearbeitet sowie die Emotions- und Stressregulationsfähigkeiten gestärkt. www.psychologie-elianzuercher.ch