Was ist At­tach­ment Pa­ren­ting?

Eltern mit zwei Kindern im Familienbett

At­tach­ment Pa­ren­ting (AP) - ein Be­griff, dem man als El­tern im­mer mal wie­der be­geg­net, der aber oft ganz un­ter­schied­lich aus­ge­legt wird. Was ist zu ver­ste­hen un­ter die­sem "ver­bun­de­nen El­tern­sein", das von den ei­nen hoch­ge­lobt, von den an­de­ren hef­tig kri­ti­siert wird? 

Ge­prägt wur­de der Be­griff durch den ame­ri­ka­ni­schen Kin­der­arzt Wil­liam Se­ars und sei­ner Frau, Mar­tha Se­ars, die ge­mein­sam acht Kin­der gross­ge­zo­gen und meh­re­re Bü­cher zum The­ma ver­öf­fent­licht ha­ben. Das von ih­nen pro­pa­gier­te At­tach­ment Pa­ren­ting steht im Ge­gen­satz zu ei­nem di­stan­zier­te­ren Er­zie­hungs­stil, der El­tern nahe legt, das Baby nach Zeit­plan zu füt­tern, es auch mal län­ger wei­nen zu las­sen und es nicht durch zu viel Auf­merk­sam­keit zu ver­wöh­nen. Sie sind über­zeugt, dass Ba­bys, die dazu ge­bracht wer­den sol­len, sich an den Rhyth­mus der El­tern an­zu­pas­sen, ihre Be­dürf­nis­se ent­we­der ve­he­men­ter und mit viel Wei­nen ein­for­dern oder aber re­si­gnie­ren und sich zu­rück­zie­hen. Wür­den sich El­tern aber in den ers­ten Le­bens­mo­na­ten in­ten­siv um die Be­dürf­nis­se des Ba­bys küm­mern, ent­ste­he eine fes­te Bin­dung, wel­che auch spä­ter, im Kin­der- und Teen­ager­al­ter, noch Be­stand habe und das Zu­sam­men­le­ben in der Fa­mi­lie er­leich­te­re. Sie­ben Grund­stei­ne - "die 7 B's des At­tach­ment Pa­ren­ting" ge­nannt - sol­len dazu bei­tra­gen, die­se Bin­dung auf­zu­bau­en und zu fes­ti­gen:

Bon­ding bei der Ge­burt (Birth Bon­ding)


Die ers­ten Stun­den nach der Ge­burt sol­len wenn mög­lich nicht durch me­di­zi­ni­sche Un­ter­su­chun­gen und Hek­tik ge­prägt sein, son­dern El­tern und Baby die Ge­le­gen­heit ge­ben, Zeit mit­ein­an­der zu ver­brin­gen, ein­an­der ken­nen zu ler­nen und ein ers­tes Mal zu stil­len. Kann die Mut­ter aus me­di­zi­ni­schen Grün­den nicht für ihr Baby da sein, ist die An­we­sen­heit des Va­ters umso wich­ti­ger. In den ers­ten Wo­chen nach der Ge­burt sol­len El­tern und Baby ver­tieft zu­ein­an­der fin­den, die Be­zie­hung zum Baby steht im Zen­trum, nicht das schnel­le Zu­rück­fin­den in den All­tag, wie er vor der Ge­burt war. Dem Wo­chen­bett wird im AP also viel Be­ach­tung ge­schenkt. 

Stil­len (Bre­ast­fee­ding)


Dem Stil­len nach Be­darf kommt im AP eine gros­se Be­deu­tung zu, nicht nur als Nah­rungs­auf­nah­me, son­dern auch zur Be­ru­hi­gung des Ba­bys. Da­bei ist nicht aus­schliess­lich das Stil­len an der Brust der Mut­ter ge­meint, son­dern zum Bei­spiel auch das Ku­scheln mit dem Va­ter, um das Baby zu trös­ten und zur Ruhe kom­men zu las­sen. Ge­stillt wird so lan­ge, wie sich Mut­ter und Baby da­bei wohl füh­len, also zu­wei­len bis ins Klein­kind­al­ter. 

Tra­gen (Ba­by­wea­ring)


Fast eben­so wich­tig wie das Stil­len ist das Tra­gen des Ba­bys. In der Nähe von Mut­ter oder Va­ter füh­len sich Neu­ge­bo­re­ne ge­bor­gen, wenn sie et­was grös­ser sind, be­kom­men sie viel mehr vom All­tag der El­tern mit, als wenn sie im Bett­chen lie­gen. Der eng­li­sche Be­griff "Ba­by­wea­ring" macht deut­lich, dass die­ses Tra­gen so selbst­ver­ständ­lich sein soll wie das An­zie­hen von Klei­dung. Das Ehe­paar Se­ars emp­fiehlt Tra­ge­hil­fen, die es der Mut­ter er­mög­li­chen, das Baby beim Tra­gen zu stil­len. Da­durch ge­winnt auch die Mut­ter an Un­ab­hän­gig­keit, denn sie kann an­de­ren Tä­tig­kei­ten nach­ge­hen, wäh­rend­dem sie ihr Baby bei sich hat. 

Si­gnal­wir­kung des Wei­nens (Be­lie­ve in the si­gnal va­lues of your Ba­by­'s cries)


Das Wei­nen wird als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel ver­stan­den, mit dem das Baby sei­ne Be­dürf­nis­se kund­tut und nicht als Ma­ni­pu­la­ti­ons­in­stru­ment, mit dem es ver­sucht, sei­ne El­tern un­ter Kon­trol­le zu be­kom­men. Wenn El­tern ler­nen, die­ses Wei­nen rich­tig zu in­ter­pre­tie­ren, ge­lingt es ih­nen mit der Zeit bes­ser, rich­tig zu re­agie­ren. So kön­nen sie dem Baby ge­ben, was es braucht, be­vor es laut­hals da­nach schrei­en muss. Bei Neu­ge­bo­re­nen sol­len El­tern mög­lichst rasch auf das Wei­nen ein­ge­hen, spä­ter kön­nen sie auch mal et­was län­ger war­ten, weil das Baby ge­lernt hat, dass sei­ne Be­dürf­nis­se ernst ge­nom­men und ge­stillt wer­den. Nicht die so­for­ti­ge Re­ak­ti­on auf das Wei­nen ist ent­schei­dend, son­dern eine der Si­tua­ti­on an­ge­mes­se­ne Re­ak­ti­on. 

Ge­mein­sa­mes Schla­fen (Bed­ding clo­se to Baby)


Der vom Ehe­paar Se­ars ver­wen­de­te Be­griff "night­time pa­ren­ting" ver­deut­licht, dass El­tern­sein auch nachts statt­fin­det. Da Ba­bys an­fangs noch nicht zwi­schen Tag und Nacht un­ter­schei­den, ist es für sie nicht ver­ständ­lich, war­um plötz­lich al­les an­ders lau­fen soll, wenn es dun­kel wird. Laut AP brau­chen Ba­bys die Nähe, die ih­nen am Tag Si­cher­heit gibt, auch in der Nacht. Dar­um soll­te das Baby nicht ge­trennt von den El­tern schla­fen, son­dern im glei­chen Bett, in ei­nem Ba­by­bal­kon oder zu­min­dest im glei­chen Zim­mer. So wird auch das nächt­li­che Stil­len er­leich­tert, was die Schlaf­qua­li­tät der Mut­ter ver­bes­sert. Beim Schla­fen im El­tern­bett ist un­be­dingt zu be­ach­ten, dass die Si­cher­heit des Ba­bys ge­währ­leis­tet ist. 

Gleich­ge­wicht und Gren­zen (Ba­lan­ce and Bounda­ries)


Wil­liam und Mar­tha Se­ars war­nen da­vor, dass AP zu Bur­nout füh­ren kann, wenn die El­tern im­mer nur die Be­dürf­nis­se ih­res Ba­bys stil­len, die ei­ge­nen Be­dürf­nis­se aber ver­nach­läs­si­gen. Er­ho­lungs­pau­sen und Ent­las­tung durch den Va­ter oder durch Dritt­per­so­nen kom­men eine gros­se Be­deu­tung zu, denn nur wenn die Mut­ter bei Kräf­ten ist, kann sie sich rich­tig um ihr Baby küm­mern. Dazu ge­hört auch das Set­zen von Gren­zen (Bounda­ries), in­dem die El­tern ein­schät­zen ler­nen, wann das Baby um­ge­hend Zu­wen­dung braucht und wann es auch mal war­ten kann; spä­ter dann auch, wann ein Ja an­ge­bracht ist und wann ein Nein. 

Hü­ten Sie sich vor Ba­by­trai­nern (Be­wa­re of Ba­by­trai­ners)


El­tern sol­len sich nicht durch wohl­mei­nen­de Rat­schlä­ge von Aus­sen­ste­hen­den ver­un­si­chern las­sen, son­dern mit ih­rem Baby den Weg ge­hen, den sie für rich­tig hal­ten. Da­mit sind vor al­lem Rat­schlä­ge wie "Lass ihn doch ein­fach mal schrei­en" oder "Du ver­wöhnst sie, wenn du sie so viel her­um­trägst" ge­meint. 

Ziel ist nicht, die­se "sie­ben B's" wie ein Pro­gramm zu über­neh­men, son­dern jene zu le­ben, die in die ei­ge­ne Fa­mi­li­en­si­tua­ti­on pas­sen. Wer sich im In­ter­net über das The­ma in­for­miert, er­kennt schnell ein­mal, dass es un­zäh­li­ge wei­te­re De­fi­ni­tio­nen gibt, die zum Teil weit über die oben ge­nann­ten Punk­te hin­aus­ge­hen. El­tern, die sich für AP ent­schei­den, ha­ben sich meis­tens ei­nem be­wuss­ten, um­welt­ver­träg­li­chen Le­bens­stil ver­schrie­ben. Für vie­le ge­hört dar­um noch mehr zum At­tach­ment Pa­ren­ting, z. B. selbst­be­stimm­tes Ge­bä­ren, das Wi­ckeln mit Stoff­win­deln oder der gänz­li­che Ver­zicht auf Win­deln, aus­schliess­li­ches Stil­len wäh­rend des ers­ten Le­bens­jah­res, Baby Lead Wea­ning (Bei­kost als Fin­ger­food, nicht als Brei), Be­treu­ung aus­schliess­lich durch die El­tern, spä­ter viel­leicht auch Ho­me­schoo­ling. 

Kri­tik rich­tet sich we­ni­ger ge­gen die vom Ehe­paar Se­ars for­mu­lier­ten Grund­la­gen, die sich nur we­nig von dem un­ter­schei­den, was in vie­len Kul­tu­ren ganz selbst­ver­ständ­lich ge­lebt wird. Al­ler­dings wird an­ge­bracht, AP sei wis­sen­schaft­lich zu we­nig fun­diert, das Zu­sam­men­le­ben an­de­rer Kul­tu­ren mit ih­ren Ba­bys wer­de idea­li­siert dar­ge­stellt, die Kin­der wür­den an ei­ner ge­sun­den Ab­lö­sung ge­hin­dert und die Müt­ter wür­den in tra­di­tio­nel­le Rol­len­mus­ter zu­rück­ge­wor­fen. Ein­zel­ne AP-As­pek­te, zum Bei­spiel das Lang­zeit­stil­len, wer­den in der Öf­fent­lich­keit sehr kon­tro­vers und emo­tio­nal dis­ku­tiert, wo­durch zu­wei­len der Ein­druck ent­steht, es hand­le sich beim At­tach­ment Pa­ren­ting um eine ex­tre­me Le­bens­ein­stel­lung. 

Was es im Zu­sam­men­hang mit At­tach­ment Pa­ren­ting aus­ser­dem zu be­ach­ten gilt, le­sen Sie hier

Letzte Aktualisierung: 02.03.2020, TV

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