Wer­den Neu­ge­bo­re­ne zu früh ab­ge­na­belt?

Aus der For­schung

die Nabelschnur wird abgeklemmt
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Ein zu frü­hes Ab­klem­men der Na­bel­schnur im Ge­bär­saal hat ei­ner Mit­tei­lung im ame­ri­ka­ni­schen Ärz­te­blatt (JAMA) zu­fol­ge ne­ga­ti­ve Fol­gen für den Neu­ge­bo­re­nen. Hä­ma­to­krit (An­teil der ro­ten Blut­kör­per­chen am ge­sam­ten Blut­vo­lu­men) und Fer­ritin­spie­gel (Kon­zen­tra­ti­on des Ei­sen­spei­cher­pro­te­ins) wa­ren lang­fris­tig ver­min­dert. Vor der Ab­na­be­lung soll­ten die Ge­burts­hel­fer des­halb ei­ni­ge Mi­nu­ten ver­strei­chen las­sen.

Vor dem ers­ten Atem­zug wird das Neu­ge­bo­re­ne noch über die Pla­zen­ta mit Sauer­stoff und Nähr­stof­fen ver­sorgt. Bei der Ge­burt be­fin­den sich 25 bis 60 Pro­zent des Blu­tes und 60 Pro­zent der ro­ten Blut­kör­per­chen (Ery­thro­zy­ten) des ge­mein­sa­men müt­ter­lich-kind­li­chen Blut­kreis­laufs in der Pla­zen­ta. Die­ses Blut soll be­son­ders reich an Stamm­zel­len sein. Eine so­for­ti­ge Ab­na­be­lung nach der Ge­burt trennt das Neu­ge­bo­re­ne von die­ser Quel­le, die nicht nur Sauer­stoff, son­dern zu­min­dest auch Ei­sen, wenn nicht so­gar wich­ti­ge Im­pul­se (der Stamm­zel­len) zur gu­ten Ent­wick­lung in den ers­ten Le­bens­wo­chen ent­hält.

Es gibt so­gar For­scher, die Blu­ter­kran­kun­gen und so­gar den Typ-II-Dia­be­tes mel­li­tus (sog. Al­ters­zu­cker) mit ei­ner zu frü­hen Ab­na­be­lun­gen im Ge­bär­saal in Ver­bin­dun­gen brin­gen. Das mö­gen mo­der­ne Am­men­mär­chen sein, doch zu­min­dest ein ge­wis­ser Ein­fluss auf den Hä­ma­to­krit und die Ver­sor­gung mit Ei­sen lässt sich nach­wei­sen. Nach der Meta-Ana­ly­se auf der Ba­sis von 15 kon­trol­lier­ten Stu­di­en war der Hä­ma­to­krit im Blut des Neu­ge­bo­re­nen nach sechs Stun­den um vier Pro­zent­punk­te, nach 24 bis 48 Stun­den um 10 Pro­zent­punk­te und nach 5 Ta­gen um 12 Pro­zent­punk­te hö­her, wenn die Na­bel­schnur erst ab­ge­klemmt wur­de, wenn sie nicht mehr pul­sier­te oder wenn mehr als drei Mi­nu­ten seit der Ge­burt ver­stri­chen wa­ren. Die spät ab­ge­na­bel­ten Säug­lin­ge hat­ten noch nach 3 Mo­na­ten ei­nen um 0,47 g/dl hö­he­ren Hä­mo­glo­bin-Wert. Auch die Fer­ritin­spie­gel wa­ren im Al­ter von 2 bis 3 Mo­na­ten hö­her und An­ämi­en tra­ten zu die­sem Zeit­punkt nur halb so häu­fig auf. Die Au­toren der Stu­die emp­feh­len den Ärz­ten des­halb, mit dem Ab­klem­men we­nigs­tens 2 Mi­nu­ten zu war­ten. Die­ser Emp­feh­lung schliesst sich eine Un­ter­su­chung der Uni­ver­si­tät Li­ver­pool im Bri­tish Me­di­cal Jour­nal an, auch wenn dies den kli­ni­schen Ab­lauf ver­zö­ge­re.

Das Ab­war­ten dürf­te für vie­le Ge­burts­hel­fer eine Ge­dulds­pro­be dar­stel­len. Nach ei­ner im Bri­tish Jour­nal of Obstetrics and Gynae­co­lo­gy pu­bli­zier­ten Um­fra­ge un­ter eu­ro­päi­schen Gy­nä­ko­lo­gen plä­die­ren die meis­ten Ge­burts­hel­fer für die so­for­ti­ge Ab­na­be­lung, wo­bei es al­ler­dings re­gio­na­le Un­ter­schie­de gibt. In Ös­ter­reich lag die Rate bei 15 Pro­zent, in der Schweiz bei 69 Pro­zent, in Frank­reich so­gar bei 90 Pro­zent.

Aus der For­schung: Ei­le­en K. Hutton et al.: JAMA, 2007; 297, S. 1241-1252.
BMJ, 2007; 335, 312-313
BJOG, 2007; 114, 845-854

Letzte Aktualisierung: 26.04.2021, BH

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