Pampers UNICEF Aktion gegen Tetanus bei Neugeborenen
Interview mit Elsbeth Müller
swissmom: Liebe Frau Müller, seit 2006 besteht eine Partnerschaft zwischen UNICEF und Pampers mit dem Ziel, den mütterlichen und frühkindlichen Tetanus (MNT) in den gefährdetsten Regionen der Welt zu eliminieren. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Elsbeth Müller: UNICEF arbeitet seit mehreren Jahren erfolgreich mit Firmen aus der Privatwirtschaft zusammen. Die Formen der Zusammenarbeit sind vielfältig: Firmen können Spendenaktivitäten unterstützen, Dienstleistungen oder Produkte finanzieren oder wichtiges Know-How beisteuern. Die gemeinsame Aktion von Pampers mit UNICEF gegen Tetanus bei Neugeborenen startete 2006 in Grossbritannien und Irland und wurde 2007 auf die meisten westeuropäischen Länder ausgedehnt, darunter die Schweiz.
Elsbeth Müller ist die Geschäftsleiterin von UNICEF-Schweiz. UNICEF setzt sich ein, dass Kinder überleben und eine wohlbehaltene Kindheit erhalten. Zu den zentralen Aufgaben gehören die Umsetzung von Programmen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Bildung, Wasser und Hygiene sowie der Schutz der Kinder vor Missbrauch, Ausbeutung, Gewalt und AIDS. UNICEF finanziert sich ausschliesslich durch freiwillige Beiträge und wird in der Schweiz durch das Schweizerische Komitee für UNICEF vertreten. Seit mehr als 50 Jahren setzt sich UNICEF Schweiz für Kinder ein – im Ausland wie im Inland.
swissmom: Können Sie uns kurz erläutern, wie Neugeborene von Tetanus befallen werden und was die Infektionskrankheit auslöst?
Elsbeth Müller: Tetanus-Erreger vermehren sich im Strassenstaub, in der Erde und in Fäkalien. Über Wunden, zum Beispiel beim Durchtrennen der Nabelschnur oder bei kleinen Verletzungen in einem nicht sterilen Geburtsumfeld, geraten die Bakterien in den Kreislauf des Babys oder seiner Mutter. Auch durch rituelle Bräuche kann eine Ansteckung verursacht werden, etwa wenn der Säugling oder die Nabelwunde mit Butterschmalz, Kuhdung, Asche oder Lehm eingerieben wird. Ist ein Kind einmal infiziert, breitet sich die Krankheit innerhalb weniger Tage in seinem Körper aus. Das zentrale Nervensystem wird geschädigt und es kommt zu den typischen Lähmungen und Muskelkrämpfen. Fast immer stirbt der Säugling innerhalb kurzer Zeit einen qualvollen Erstickungstod.
swissmom: Bei der Aktion «1 Packung = 1 lebensrettende Impfdosis» spendet Pampers für jede mit dem Aktionslogo gekennzeichnete verkaufte Packung den Gegenwert einer Impfdosis an UNICEF. Wohin fliesst das gespendete Geld?
Elsbeth Müller: Die Tetanus-Impfstoffe, die durch die Aktion von Pampers und UNICEF bereitgestellt werden konnten, kommen Frauen und Kindern in 33 Ländern zugute, zum Beispiel in Haiti, auf den Philippinen, in Indien und Pakistan, in Afghanistan und in über zehn afrikanischen Ländern.
swissmom: Die Aktion geht nun bereits ins siebte Jahr. Welche Erfolge konnten Sie bis anhin verbuchen?
Elsbeth Müller: Seit dem Beginn der Partnerschaft konnten über 300 Millionen Impfdosen finanziert und über 100 Millionen Mütter und ihre Babys vor Tetanus geschützt werden. Seit 2010 wurde Tetanus durch Impfen in zehn Ländern vollständig besiegt.
swissmom: UNICEF-Schweiz setzt sich seit nunmehr 53 Jahren für das Wohl und die Rechte der Kinder auf dieser Welt ein. Was sind ihre Highlights in all diesen Jahren des Engagement und Einsatzes?
Elsbeth Müller: Seit ihrer Gründung unterstützte UNICEF Schweiz Programme in über 80 Ländern. Im Zentrum stehen dabei immer Überleben, Gesundheit, Bildung, Wasser, Hygiene und Ernährung sowie der Schutz der Kinder vor Missbrauch und Ausbeutung. Wichtiges Highlight unter den Programmen ist die Lernoffensive für Mädchen im indischen Teilstaat Uttar Pradesh. Hier lancierte UNICEF seit 2001 über 450 Mädcheninternate und schaffte Schulplätze für über 400'000 Mädchen. Das Programm hat weltweites Aufsehen erregt und gehört inzwischen zu den vier wichtigsten Bildungsinitiativen in Indien. Einer der grossen Meilensteine für UNICEF ist zudem die weltweite Ratifizierung der Kinderrechtskonvention, die 1997 auch in der Schweiz in Kraft trat. Mich beeindruckt aber auch die Treue unserer Spenderinnen und Spender. Da ist zum Beispiel das grosse Engagement Tausender von Kindern in der Schweiz während der Sternenwoche - einer Spendenaktion, die jeweils im November stattfindet. Mit ungebrochenem Eifer setzen sich die hiesigen Kinder für Kinder in Laos, Mauretanien, Kongo oder wie letztes Jahr, in Indien ein.
swissmom: Sie setzen sich nicht nur für Kinderrechte in der Dritten Welt ein, sondern auch für ein gutes Wohlergehen der Kinder in der Schweiz. Woran fehlt es Schweizer Kindern am meisten?
Elsbeth Müller: In der Schweiz gibt es noch einiges zu tun, bis die Kinderrechte konsequent umgesetzt sind. Insbesondere findet viel zu selten eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder statt, zum Beispiel wenn sich ihre Eltern trennen. Das Bewusstsein, dass eine Anhörung im Scheidungsfall zu den Persönlichkeitsrechten eines Kindes gehört, ist längst nicht immer vorhanden. Dabei gibt es hierzulande jährlich rund 13'000 neue Scheidungskinder. Leider wird nur etwa jedes zehnte angehört. Auch die Gemeinden können noch viel dazu beitragen, dass die Kinder ihre Meinung sagen und mitbestimmen können, so wie es Artikel 12 der Kinderrechtskonvention vorsieht. UNICEF Schweiz fördert deshalb mit der Initiative «Kinderfreundliche Gemeinden» die aktive Teilhabe der Kinder an der gesellschaftlichen Entwicklung. UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO haben sich zum Ziel gesetzt, die erste Lebensphase eines Neugeborenen ganz besonders zu schützen. Und weil Muttermilch zum Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmass an Gesundheit gehört, haben UNICEF und die WHO 1992 die «Baby-Friendly Hospital Initiative» (BFHI) lanciert. In der Schweiz kommen heute mehr als die Hälfte aller Kinder in einer babyfreundlichen Geburtsklinik zur Welt.
swissmom: Mit welcher Kampagne starten Sie ins Jahr 2013?
Elsbeth Müller: Wir müssen weltweit die Kindersterblichkeit weiter senken. In unserer aktuellen Spendenkampagne geht es um die ersten 1000 Tage im Leben eines Kleinkindes. Denn sie entscheiden über Leben oder Tod. Es zeigt sich: Wer die ersten 1000 Tage überlebt, überlebt eigentlich. In den ersten 1000 Tagen werden die wichtigsten Grundsteine für ein gesundes Leben gelegt. Die grössten Gefahren für die Kleinsten resultieren denn auch aus Krankheiten, die umgangen werden könnten, wenn die Kinder mit den notwendigen Mitteln und Medikamenten erreicht würden und die Eltern über das notwendige Wissen verfügten. Nebst verschiedenen Impfungen braucht es sauberes Trinkwasser, imprägnierte Moskitonetze gegen Malaria, sowie Präparate gegen Mangelernährung und gegen den Hunger- und Durchfalltod.