Führt Zahnen immer zu Fieber und Durchfall?
Diese Erfahrung machen alle jungen Eltern: Wenn Kinder ihre ersten Zähne bekommen, leiden sie auch häufig unter Fieber, Durchfall, Ohrenschmerzen oder Erkältungen. Da liegt die Vermutung nahe, dass sie durch das Zahnen krank geworden sind. Doch wie stark ein zahnendes Kind auch quengelt: Der Durchbruch der Zähne ist keine Krankheit, sondern ein normaler, natürlicher Vorgang, der zu Kindheit gehört wie Wachsen und Laufenlernen,
Der Stress beim Zahndurchbruch kann die Darmtätigkeit beschleunigen und zu leichtem Durchfall führen. Viele Babys haben auch Fieber, wenn die Zähne kommen – doch das ist eine zufällige Überschneidung. „Dass das Zahnen die Kinder krank macht, ist ein Aberglaube, der sich allerdings seit Jahrhunderten hartnäckig hält. Früher wurden fast alle Krankheiten bei Babys entweder auf das Zahnen oder auf Würmer zurückgeführt“, erläutert Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Auch heute wird das Zahnen oft noch für eine Krankheit gehalten, vor allem von Eltern, die diese kritische Zeit zum ersten Mal beobachten. Tatsache ist aber: Die ‚Zahnkrämpfe’, die früher häufig als Todesursache bei Säuglingen angesehen wurden, waren meist auf Infektionskrankheiten zurückzuführen."
Der Grund für die Infektionen:
Der Nestschutz und damit die Unterstützung durch mütterliche Abwehrstoffe nimmt ab dem Alter von vier Monaten rapide ab. Der kleine Organismus muss sich nun selbst mit seiner "ansteckenden" Umgebung auseinandersetzen.
Auch die Umstellung von Muttermilch auf Flaschenmilch oder festere Nahrung, die meistens in diese Zeit fällt, kann den Organismus des Babys belasten. Das kann auch schon mal die Körpertemperatur ansteigen lassen.
Zahnende Kinder stecken vieles in den Mund. Das macht sie anfälliger für Infekte.
Normalerweise wachsen die mit Spannung erwarteten Milchzähne ohne Verletzung der Schleimhaut und völlig unblutig durch das Zahnfleisch, betont die Stiftung Kindergesundheit. Der Zahndurchbruch kann aber auch mit Begleiterscheinungen verbunden sein, die für eine Menge Stress in der Familie sorgen: Das Baby wird unruhig, gereizt, weinerlich und misslaunig. Die Schleimhaut im Mund kann sich röten oder bläulich verfärben. Gelegentlich sieht man über einem durchtretenden Zahn auch einen flüssigkeitsgefüllten Raum. Die Spannung im Zahnfleisch ist mitunter schmerzhaft. Die Kinder sabbern mehr und reiben am gereizten Zahnfleisch. Die Temperatur geht leicht in die Höhe.
Erhöhte Temperatur beschleunigt aber die Stoffwechselvorgänge im Körper – und löst so das Durchbrechen der Zähne oft erst aus. Das erweckt den Anschein, als sei das Zahnen die Ursache für das Fieber. Es ist jedoch eher umgekehrt.
Was haben das vermeintliche „Zahnfieber“ und die anderen beunruhigenden Symptome wirklich mit dem Zahnen zu tun? Diese Frage hat vor kurzem eine Gruppe von brasilianischen Kinderärzte und Zahnärzte an der Universität Santa Catarina in Florianópolis in einer gross angelegten Metaanalyse wissenschaftlicher Studien untersucht (Massignan C. et al (2016): „Signs and symptoms of primary tooth eruption: a meta-analysis“, Pediatrics 137:e20153501). Die Studien ergaben tatsächlich eine Reihe von Beschwerden: 70,5 Prozent aller Babys zeigten beim ersten Zahndurchbruch Symptome oder Auffälligkeiten. Am häufigsten waren Rötungen des Zahnfleisches, Unruhe und vermehrter Speichelfluss. Als ebenfalls häufige Begleitsymptome waren Durchfall, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Schnupfen, vereinzelt auch Veränderungen der Haut im Gesicht (rote Wangen, Ausschlag) sowie Erbrechen. Wenn mehrere Zähne gleichzeitig durchbrachen, wurden mehr Beschwerden berichtet.
Der wichtigste Gegenstand der Untersuchung war jedoch die Frage nach dem vermeintlichen „Zahnfieber“ und seinen Folgen. Das beruhigende Ergebnis: Der Zahndurchbruch führte zwar tatsächlich häufiger zu einer leichten Temperaturerhöhung, jedoch nur selten zu Fieber über 38 Grad Celsius (rektal gemessen).
Quelle: Stiftung Kindergesundheit