Wilde Blattern (Windpocken) beim Kind
Alle Informationen über diese sehr ansteckende Kinderkrankheit und viele Tipps, wie Sie Ihrem Kind gegen den quälenden Juckreiz helfen können.
Wilde Blattern haben viele Namen und sind auch unter Windpocken, spitze Blattern, Schafblattern oder Varizellen bekannt.
Ansteckung von Wilden Blattern
Diese Kinderkrankheit wird durch das Varicella-Zoster-Virus (ein Virus der Herpes-Familie) verursacht. Die Übertragung erfolgt über die Luft durch Atemwegströpfchen beim Husten, Niesen oder Sprechen. Bei trockener Raumluft überleben die Viren zwar nur 10 Minuten, sie können aber bei günstiger Zugluft mühelos Entfernungen von zehn Metern zurücklegen. Daher auch der Name Windpocken.
Wie ansteckend diese Krankheit ist, zeigt die Tatsache, dass sich 80 bis 90 Prozent aller Kinder anstecken, wenn sie Kontakt mit einem erkrankten Kind hatten. Verhindern lässt sich eine Ansteckung kaum, da ein Kind bereits einen Tag vor Ausbruch der Bläschen – wenn die Krankheit noch nicht sichtbar ist – ansteckend ist. Die Ansteckungsgefahr nimmt zwar mit dem Verlauf der Krankheit ab, jedoch ist der Inhalt frischer und gerade aufgeplatzter Bläschen hochinfektiös.
Die Inkubationszeit ist die Zeit, die vom Zeitpunkt der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit vergeht. Bei Windpocken beträgt sie 8 bis 28, im Durchschnitt 14 Tage.
Symptome von Windpocken
Die typischen Krankheitszeichen sind mässiges Fieber, manchmal mit einem leichten Krankheitsgefühl verbunden. Ungefähr 24 Stunden später folgt der typische Ausschlag mit Bläschen, der auf der Kopfhaut, im Gesicht oder auf den Schultern beginnt. Kleine, blassrote Flecken verwandeln sich in streichholzkopfgrosse Pusteln, die schon bei leichtem Druck platzen. Nach und nach breiten sich die weit verstreut liegenden und unterschiedlich grossen Bläschen über den ganzen Körper – vor allem aber den Rumpf – aus. Frische Blasen sind rot und feucht, ältere sind trocken mit einer weissen, verhornten Mitte. Nach zwei bis drei Wochen sind alle Blattern eingetrocknet, verkrustet und abgefallen.
Die Pusteln jucken in der Regel stark, manche Kinder haben jedoch Glück und merken davon kaum etwas.
Die erkrankten Kinder sind mitunter von Bläschen regelrecht übersät. Mehr als 500 juckende Blattern können es sein, manchmal sogar im Mund oder in der Scheide. Die durchschnittliche Bläschenzahl liegt bei 350. Manche Kinder bekommen gar keinen Ausschlag oder nur ganz wenige Bläschen. Die anschliessende Immunität gegen eine erneute Ansteckung ist trotzdem gewährleistet.
Sobald alle Blasen verkrustet sind, besteht keine Ansteckungsgefahr mehr. Dies ist bei den meisten Kindern ungefähr am 7. Krankheitstag der Fall.
Wenn Ihr Kind zu diesem Zeitpunkt wieder den Kindergarten, die Schule oder eine Betreuungseinrichtung besucht, ist es wichtig, dass Sie im Voraus die Betreuungspersonen informieren, falls sich in derselben Klasse oder Einrichtung ein immungeschwächtes Kind befindet.
So werden Windpocken behandelt
Die Wilden Blattern werden durch Viren ausgelöst, Antibiotika ist deshalb wirkungslos. Lediglich die Symptome wie Fieber und der starke Juckreiz können behandelt werden.
Das Fieber können Sie mit Hausmitteln wie Wadenwickel oder fiebersenkenden Medikamenten lindern. Nehmen Sie dazu ein Medikament mit dem Wirkstoff Paracetamol. Acetylsalicylsäure (Aspirin) und Ibuprofen können bei Kindern mit Varizellen das Reye-Syndroms auslösen. Achten Sie ausserdem darauf, dass Ihr fieberndes Kind genügend trinkt.
Wenn das Kind unter starkem Juckreiz leidet, ist ein juckreizstillendes Medikament angebracht. Durch das Aufkratzen können nämlich bleibenden Narben entstehen. Diese Puder, Cremes oder Lotionen werden auf die Blattern aufgetragen.
Was ausserdem gegen den Juckreiz hilft oder wie Sie Ihr Kind vom Kratzen abhalten können:
Kürzen Sie die Fingernägel Ihres Kindes, damit es die Bläschen nicht so leicht aufkratzen und damit eine bakterielle Infektion begünstigen kann.
Die Verwendung von Zinksalben, evtl. mit Calendula-Zusatz, kann zwar helfen, da sie die erkrankte Haut aber relativ luftdicht abdecken, begünstigen sie Folgeinfektionen durch Bakterien.
In der Apotheke erhalten Sie eine sogenannte Schüttelmixtur (z. B. Tanno Hermal® Schüttelmixtur), welche Sie mit einem kleinen Pinsel oder Wattestäbchen auf jede einzelne Pustel auftragen können.
Ein Versuch mit Homöopathie kann helfen: Rhus doxicodendron D30 wird bei Juckreiz empfohlen.
Tropfen, die den Juckreiz stillen, können vom Arzt verschrieben werden. Solch ein orales Antihistaminikum ( z. B. Feniallerg® Tropfen) macht zudem etwas müde, sodass die Kinder besser schlafen. Bei sehr kleinen Kindern ist allerdings Vorsicht angebracht.
Auch Hausmittel lindern den Juckreiz für einige Stunden: Betupfen Sie die Bläschen mit normalem Haushaltsessig.
Ein Aufguss aus Holunderblüten kann helfen: Übergiessen Sie 4 EL Holunderblüten mit einem Liter kochendem Wasser, lassen Sie den Aufguss kurz ziehen, seihen ihn dann ab und lassen ihn abkühlen. Tupfen Sie dann mit einem sauberen Tuch oder Schwamm die betroffenen Hautstellen mit dem Aufguss ab.
Malventee (4 EL Blüten auf 1 l kochendes Wasser), Calendulatinktur (1 TL Tinktur auf 2,5 dl kaltes Wasser) oder Zitronenwasser (1 Spritzer auf 2 dl Wasser) können Sie ebenso äusserlich gegen den Juckreiz anwenden.
Ein kurzes Sitzbad im kühlen Wasser kann angenehm sein, wenn beim Baby der Windelbereich betroffen ist. Durch Zusatz von Gerbsäure (z. B. eine Tasse starker Schwarztee) oder Eichenrinde (2 EL in reichlich Wasser aufkochen und den abgesiebten Sud zum Badewasser geben) werden die Pusteln oft effektiv reduziert.
Ein Arztbesuch ist bei Windpockenverdacht eigentlich nicht nötig. Sollten Sie aber aus irgendwelchen Gründen trotzdem ärztliche Hilfe brauchen, ist es wichtig, die Praxis bereits vorab über den Windpockenverdacht zu informieren. Das Kind wird dann in einem abgesonderten Bereich warten, damit es keine anderen kleinen Patienten ansteckt.
Ziehen Sie Ihrem Windpocken-Kind weiche, leichte und nicht zu eng anliegende Kleidung an und achten Sie darauf, dass der Ausschlag nicht der Sonne ausgesetzt ist.
Baden Sie Ihr Kind erst, wenn sich überall feste Krusten gebildet haben, sonst können sich die Bläschen leicht entzünden. Ausserdem verstärkt das warme Wasser den Juckreiz und trocknet die strapazierte Haut aus.
Komplikationen bei Windpocken
Auch wenn die Wilden Blattern meist glimpflich verlaufen, können Komplikationen auftreten. Ein schwerer Verlauf ist vor allem bei Erwachsenen, Schwangeren, Immungeschwächten, älteren Menschen und bei Menschen aus südlichen Ländern häufiger.
Häufig ist eine Lungenentzündung, seltener sind Infektionen des zentralen Nervensystems wie eine Gehirnentzündung (Encephalitis) oder eine Hirnhautentzündung (Meningitis) oder ein Befall innerer Organe.
Virenhemmenden Medikamente, die gegen Herpes eingesetzt werden, wirken auch gegen die Windpockenviren. Sie müssen allerdings so früh wie möglich verabreicht werden, ansonsten sind sie wirkungslos.
Kommt es bei Kindern zu einer bakteriellen Infektion der aufgekratzten Bläschen, kann der Kinderarzt ein Antibiotikum verschreiben.
Nestschutz gegen Windpocken?
Neugeborene und Säuglinge bis etwa zum dritten Lebensmonat (gestillte Babys etwas länger) erkranken nur dann an Wilden Blattern, wenn sie keinen Nestschutz mitbekommen haben. Also dann, wenn ihre Mutter bisher keine Windpocken durchgemacht hat, nicht geimpft ist oder sich so spät in der Schwangerschaft angesteckt hat, dass noch keine schützenden Antikörper gebildet werden konnten. Dies ist allerdings sehr selten der Fall, da 95 % der Frauen gegen Windpocken immun sind.
Wilde Blattern und Gürtelrose
Wer an Windpocken erkrankt ist, ist lebenslang immun dagegen. Allerdings ruht der Erreger in den Nervenzellen und kann Jahrzehnte später oft bei einer Immunschwäche oder im Alter wieder aktiv werden.
Denn das für die Wilden Blattern verantwortliche Varicella-Zoster-Virus verursacht auch die Gürtelrose (Herpes Zoster). Wer nicht immun gegen das Virus ist – durch die Erkrankung daran oder eine Impfung – kann sich also anstecken. Das bedeutet, dass sich Kinder bei den an Gürtelrose erkrankten Grosseltern anstecken und an Windpocken erkranken können.
Schwangerschaft und Windpocken
Wenn Frauen während der Schwangerschaft an Windpocken erkranken, ist der Verlauf wesentlich schwerwiegender als bei einer Infektion im Kindesalter. In der Schwangerschaft ist Ihr Immunsystem geschwächt und eine Infektion mit dem Varizellen-Virus darum gefährlicher.
In seltenen Fällen kann es zu Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen beim ungeborenen Kind kommen. Gefährlich ist auch eine Ansteckung in der Spätschwangerschaft, da das Neugeborene sehr schwer an der Varizelleninfektion erkranken kann.
Die Windpocken-Impfung
Die Impfung gegen Varizellen ist seit 2023 im Schweizerischen Impfplan. Eine Impfung gegen Windpocken schützt noch nicht Infizierte nicht nur vor Varizellen, sondern auch vor einem später im Leben auftretenden Herpes Zoster (Gürtelrose). Deshalb wird die Impfung mit zwei Dosen als Basisimpfung gegen Windpocken (Varizellen) für alle Kinder im Alter von 9 und 12 Monaten empfohlen. Am besten geschieht dies mit einer kombinierten MMRV-Impfung, die gegen vier Krankheiten schützt: Masern, Mumps, Röteln und Varizellen.
Eine Impfung ist ausserdem sinnvoll bei Frauen mit Kinderwunsch, die nie an Windpocken erkrankt sind und bei Menschen mit chronischen Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem. Da die Krankheit hochansteckend ist, ist eine Impfung auch für deren Angehörigen zu empfehlen, dafür werden bereits Kinder ab neun Monaten geimpft.
Auch Kinder mit Neurodermitis, deren Haut besonders empfindlich ist und für die juckende Bläschen eine zusätzliche Qual bedeuten würden, profitieren von einer Impfung.