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                              Hilfe für herzkranke Kinder und ihre Familien

                              Interview mit Stefanie Steiner

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                              swissmom: Frau Steiner, Sie sind Präsidentin des Vereins Fontanherzen Schweiz. Was versteht man unter der Bezeichnung "Fontanherz"? 

                              Stefanie Steiner: Dabei handelt es sich eigentlich um einen Kunstbegriff, der gebraucht wird für verschiedene Herzfehler, die alle die Gemeinsamkeit haben, dass nur eine Herzkammer funktionstüchtig ist. Er geht zurück auf den Herzchirurgen Francis M. Fontan, der die drei Operationsschritte entwickelt hat, bei denen versucht wird, mit der funktionstüchtigen Herzkammer und den vorhandenen Gefässen einen funktionierenden Blutkreislauf zu bilden. Bei Kindern, denen die rechte Herzkammer fehlt, werden solche Operationen schon etwas länger durchgeführt. Fehlt die linke Herzkammer, muss die Aorta rekonstruiert und auf die vorhandene rechte Herzkammer gesetzt werden. Solche Operationen werden in der Schweiz erst seit ca. 12 Jahren durchgeführt. 

                              Zur Person

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                              Stefanie Steiner ist Präsidentin des Vereins Fontanherzen Schweiz, Mutter einer Tochter und eines Sohnes sowie Inhaberin eines Online-Shops. Ihr Sohn kam mit einem schweren Herzfehler zur Welt. 

                              swissmom: Ist ein solcher Herzfehler bereits in der Schwangerschaft erkennbar? 

                              Stefanie Steiner: Grundsätzlich lässt sich ein Einkammerherz im Ultraschall in der Regel gut darstellen. Wir wussten bereits in der Schwangerschaft Bescheid, mir sind aber auch Familien bekannt, bei deren Kind der Herzfehler erst nach der Geburt entdeckt wurde. Aus medizinischer Sicht ist es natürlich ein grosser Vorteil, wenn man bereits in der Schwangerschaft Bescheid weiss. Dann kann das Kind in Zürich zur Welt kommen, die Ärzte sind auf die Situation vorbereitet und können sofort reagieren, wenn es dem Kind nicht gut geht. Aus psychologischer Sicht kann man geteilter Meinung sein. Ich war froh, dass wir es wussten, andere Eltern sagen, sie seien froh, dass sie nicht gewusst hätten, was sie erwartet. Es ist aber schon so: Während der Schwangerschaft gibt es eigentlich keine Probleme und auch nach der Geburt merkt man vielen Kindern nicht sogleich an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Man denkt vielleicht nur, sie litten unter dem Geburtsstress oder hätten Anpassungsschwierigkeiten. Solange der Ductus arteriosus noch offen ist, geht es vielen noch relativ gut. Doch wenn sich dieser schliesst, ist es eigentlich zu spät. 

                              swissmom: Wann wird in der Regel zum ersten Mal operiert?  

                              Stefanie Steiner: Wenn es dem Kind gut geht, bekommt es nach der Geburt eine Prostaglandin-Infusion, die dafür sorgt, dass der Ductus offen gehalten wird. Wenn alles optimal läuft, wartet man, bis die Lungenanpassung vollendet ist, bevor bei Kindern mit Hypoplastischem Linksherzsyndrom innerhalb der ersten zwei Wochen die erste Operation vorgenommen wird. Je nach Ausprägung des Herzfehlers kann manchmal auch einige Wochen oder Monate zugewartet werden. 

                              swissmom: Was bedeutet es für eine Familie, wenn ihr Kind mit einem schweren Herzfehler geboren wird? 

                              Stefanie Steiner: Ich kann natürlich nur von meinen eigenen Erfahrungen sprechen. Wir wussten Bescheid, konnten vor der Geburt die Intensivpflegestation besuchen und Kontakt mit betroffenen Familien aufnehmen. Wir hatten die Möglichkeit, uns ein wenig auf die Situation vorzubereiten, aber es ist dann natürlich noch einmal etwas ganz anderes, wenn es das eigene Kind ist, das betroffen ist. Im Nachhinein kommt mir das alles vor, wie ein Film. Wenn man sich entschieden hat, das Kind operieren zu lassen - was für uns nie zur Frage stand -, dann nehmen die Dinge einfach ihren Lauf. Unsere Tochter war damals zweienhalb und wir lebten irgendwie zwischen Spital und Zuhause. Nach der ersten Operation waren wir vier Wochen zu Hause, bevor unser Sohn mit der REGA nach Zürich geflogen werden musste, weil es ihm schlecht ging und die zweite Operation vorgenommen werden musste. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, dass dies eine relativ kritische Phase war. Sehr schwierig fand ich es, als er im Alter von drei Jahren die dritte Operation hatte. Wir wussten zwar, dass unser Kind nicht gesund ist, die Situation war aber nicht akut, dem Kind ging es eigentlich gut und zu Hause lief alles den Umständen entsprechend normal. Und doch wussten wir, dass der Eingriff gemacht werden muss. 

                              swissmom: Wie geht es weiter, wenn die Operationen durch sind? 

                              Stefanie Steiner: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Unser Sohn hatte viele Komplikationen und ich glaube nicht, dass die Ärzte erwartet hätten, dass es seinem Herzen heute so gut geht. Bei vielen Betroffenen treten früher oder später Probleme auf, zum Beispiel Herzrhythmusstörungen oder Eiweissverlust. Es kann niemand voraussagen, wie es weitergeht. Die ältesten Patienten, die ich kenne, sind vierzig und sagen, sie lebten gut, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Bei anderen stellt sich irgendwann die Frage nach einer Herztransplantation.

                              swissmom: Gemeinsam mit einer anderen betroffenen Mutter haben Sie den Verein Fontanherzen Schweiz gegründet. Wie kam es dazu und welche Ziele verfolgt dieser Verein?  

                              Stefanie Steiner: Der Startschuss fiel, nachdem die andere betroffene Mutter und ich beide unabhängig voneinander den Wunsch hatten, eine kardiologische Rehabilitation für die Familie zu besuchen, da beide unsere Kinder einen schweren Verlauf hatten. Eine solche Rehabilitation wird in der Schweiz nicht durch die Krankenkasse oder die IV finanziert. Wir schlossen uns zusammen und gelangten mit unserem Anliegen an die Medien. Bei uns bezahlte schließlich die Krankenkasse den Aufenthalt, bei der anderen Familie übernahm eine private Stiftung die Kosten. Uns war es wichtig, dass nicht nur wir, sondern auch andere Familien Unterstützung bekommen. Ein weiterer Grund war, dass wir während der Schwangerschaft nur wenige Kontakte zu betroffenen Familien hatten, so dass der Austausch fehlte. Wir wollten, dass Familien, die auf der Suche nach einem Ansprechpartner sind, auch jemanden finden. Von ärztlicher Seite ist man zwar gut beraten, aber ein Arzt hat einen anderen Bezug, als ihn betroffene Eltern haben. Dies waren die zwei Hauptanliegen, die zur Gründung des Vereins führten.
                              Mit den Spendengeldern unterstützen wir nicht nur die Reha, sondern leisten Beträge an die Übernachtungskosten der Begleitperson, wenn die Kinder im Spital sind sowie an Ferienwochen in einem Hospiz in Österreich, wo schwerkranke Kinder gemeinsam mit ihren Familien richtig Ferien machen können, mit Lamatrekking, Maltherapie, Musiktherapie, etc. Wir stehen Familien auch im Härtefall bei. Bei einem Spitalaufenthalt von drei Monaten kann das Geld schon einmal knapp werden. In manchen Fällen werden während dieser Zeit die IV-Zahlungen eingestellt, da davon ausgegangen wird, das Kind sei ja im Spital betreut. Doch so ist es nicht, denn von den Eltern wird erwartet, dass sie im Spital anwesend sind. Wenn Geschwister da sind, brauchen diese die Eltern ebenfalls und die Väter bekommen ja nicht einfach frei, oder der Urlaub ist zumindest nicht bezahlt. Wer Glück hat, ist nach zwei Wochen wieder zu Hause mit dem Kind, aber es gibt auch Fälle, da dauert das Ganze drei, vier oder fünf Monate. Hier möchten wir unkompliziert helfen. 

                              swissmom: Wie stehen die Möglichkeiten, dass der Verein in Sachen Finanzierung von Rehabilitationsaufenthalten etwas bewegen kann? 

                              Stefanie Steiner: Alles, was in den medizinischen Bereich fällt, ist durch die IV gedeckt, was aber darüber hinaus geht, ist in der Schweiz noch gar nicht etabliert. Bei jedem Erwachsenen, der einen Herzinfarkt erleidet, ist klar, dass er in die Reha geht. Bei Kindern aber geht man davon aus, dass eine Rehabilitation nicht nötig ist, da nach dem Spitalaufenthalt ja die Eltern weiter schauen. In diesem Bereich etwas zu erreichen ist sehr schwierig, wenn man keine Lobby hinter sich hat. Wir waren eine der ersten Familien, die den Reha-Aufenthalt von der Krankenkasse vergütet bekamen und dies sogar zweimal, aber natürlich stets mit dem Hinweis, dies sei ein einmaliger Entscheid. Was sich aber geändert hat: Die Ärzte beantragen die Kostenübernahme heute häufiger und es gab in letzter Zeit doch etliche Fälle, in denen die IV die Kosten für das Kind übernommen hat. Unser Wunsch wäre, dass die Auslagen für das Kind von der IV übernommen werden und diejenigen für mindestens eine Begleitperson von der Krankenkasse. In den letzten Jahren ist Bewegung in die Sache gekommen, aber wir sind natürlich noch weit davon entfernt, dass die Kosten standardmässig übernommen werden. 

                              swissmom: Verfolgt der Verein neben der Vernetzung von betroffenen Familien und der finanziellen Unterstützung noch weitere Ziele?

                              Stefanie Steiner: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir auf das Thema aufmerksam machen möchten. Es gibt andere Erkrankungen, die jeder kennt und unter denen sich jeder etwas vorstellen kann, zum Beispiel Krebs. Wenn man erzählt, das Kind sei herzkrank, kommt oft die Reaktion: "Ich kenne auch jemanden, der ein Löchlein im Herzen hatte, aber jetzt ist alles wieder gut." Doch die Kinder mit Einkammerherzen bleiben ihr Leben lang schwer krank, auch nach den Operationen, die eben nur palliativ sind. Die Operationen bewirken nicht, dass das Herz danach "geflickt" ist, sondern dass die Kinder überhaupt leben können. Für viele bedeutet dies, dass sie lebenslang Medikamente einnehmen und mit gewissen Einschränkungen leben müssen. Dies sieht man den Kindern im Alltag nicht an. Es ist wichtig, dass dies in der Öffentlichkeit bekannter wird. Man muss auch bedenken, dass diese Kinder zum Glück immer älter werden. Bis vor wenigen Jahren hatte man noch kaum Kinder mit Einkammerherzen in den Schulen. Dies stellt natürlich je nach Situation auch neue Herausforderungen an die Lehrer. 

                              swissmom: Um welche Herausforderungen handelt es sich konkret?

                              Stefanie Steiner: Es ist zum Beispiel nicht selbstverständlich, dass eine Kita ein Kind einfach so aufnimmt. Ich weiss von vielen Familien, bei denen es hiess, das ginge nicht. Bei uns ist es so, dass unser Sohn an zwei Tagen pro Woche die Kita besucht. Dort kannte man uns bereits, weil unsere Tochter schon dort war. Aufgrund seines Verlaufes wurde uns empfohlen, unseren Sohn erst nach der dritten OP in die Kita zu geben. Er wurde so aufgenommen, wie er ist. Er bekommt am Mittag seine Medikamente, wir hatten im Voraus viele Gespräche und es liegen Infoblätter für den Notfall bereit. Anfänglich kam es schon mal vor, dass die Betreuerinnen anriefen, weil sie sich nicht sicher waren, was in einer bestimmten Situation passieren kann, doch es läuft alles einwandfrei. Auch beim Eintritt in den Kindergarten gibt es immer wieder Diskussionen, gerade wenn ein Kind einen nicht ganz unproblematischen Verlauf hat. In Deutschland, wo manche schon in den höheren Klassen sind, kenne ich Kinder, die im Sportunterricht auf totales Unverständnis stossen. Es ist auch wichtig, dass Freunde sensibilisiert sind für das Thema und wissen, dass ein Kind vielleicht nicht alles mitmachen kann. Bei einem guten Verlauf kann es sein, dass ein Kind jahrelang keine Beschwerden hat und nur regelmässig zur Kontrolle muss. Aber die Leistungsfähigkeit ist trotzdem eingeschränkt. Dies fällt immer mehr auf, je älter das Kind wird. Im Kindergarten mag es im Turnen vielleicht noch mithalten, aber 90 Minuten Fussballtraining hält es dann eben nicht durch und es gibt auch Sportarten, die es gar nicht machen sollte. Hier fehlt es noch oft an Verständnis.  

                              swissmom: Sie sind Mutter eines herzkranken Kindes, haben noch ein grösseres Kind, stehen einem Verein vor und sind berufstätig. Wie stemmen Sie das alles?

                              Stefanie Steiner: Bei uns kommt die Familie immer zuerst. Wenn unser Sohn im Spital ist, arbeite ich nicht für den Verein. Man wächst aber auch in die Situation hinein. Mit der Geburt wird man ins kalte Wasser geworfen, dann fängt wirklich das Lernen an und man entwickelt sich schon fast zum Krankenpfleger. Irgendwann wird das alles normal - zwar anders, aber eben doch normal. Klar braucht unser Sohn Physiotherapie, wir besuchen die Früherziehung, er hat viele Arzttermine und braucht Medikamente, aber es läuft halt einfach irgendwie. Ich habe Lebensmittewisschenschaft studiert und machte mich schon vor der Geburt unsers Sohnes selbständig in der Beratung von Firmen. Dies musste ich aufgeben, denn man kann ja einem Kunden nicht immer absagen, weil ein Arzttermin ansteht. Ich habe aber einen kleinen Onlineshop für Kindersachen aufgezogen. Diesen haben wir ausgebaut, denn ich hatte das Bedürfnis, noch etwas für mich zu machen, auch wenn ich mehr als genug beschäftigt gewesen wäre. Inzwischen habe ich vier Mitarbeiter und bin in meinem Job sehr flexibel. Wenn wir im Spital sind, können die Mitarbeiter meine Aufgaben übernehmen. Mir war schon bei der Geburt unserer Tochter klar, dass ich nicht zu 100% zu Hause sein will. Man muss wirklich seinen eigenen Weg finden, was mit einem kranken Kind halt noch ein wenig schwieriger ist als mit zwei gesunden Kindern. 

                              swissmom: Wir haben uns über viel Beschwerliches unterhalten. Zum Schluss noch die Frage: Welches sind die Lichtblicke im Leben mit einem herzkranken Kind? 

                              Stefanie Steiner: Man lebt bewusster und intensiver. Man schätzt Dinge, die bei anderen Kindern selbstverständlich sind, viel mehr. Wer freut sich denn schon, wenn das Kind gelernt hat, selber Schoppen zu trinken? Oder das erste Lächeln. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie das bei meinem Sohn war, als ich die Neonatologie betrat und er mich anlächelte - nicht die Pflege, sondern mich. Es ist nicht immer alles traurig und irgendwann wird das, was man erlebt, auch einfach Alltag. 

                              Letzte Aktualisierung: 03.05.2017, TV