Wenn Oma alles besser weiss
Sie meinen es meist nur gut mit ihren Ratschlägen. „Du solltest sein Köpfchen besser so halten!“, „Musst du die Kleine denn bei jedem Pieps gleich aufnehmen?“, „Sollte er das nicht schon lange können?“ Nicht nur Omas und Opas, sondern auch Nachbarn und vor allem andere Mütter scheinen alles besser zu wissen.
Doch die gutgemeinten Tipps können junge Eltern stark verunsichern. Sie reagieren darauf oft sehr gefühlsgeladen oder genervt. Denn junge Eltern geben ihr Bestes und versuchen, möglichst alles richtig zu machen. Für Elternschaft kann man keine Lehre machen, also muss alles mühsam mit der Erfahrung erlernt werden. Es gibt auch kaum das absolut Richtige oder absolut Falsche, sondern es ist immer eine Frage der Sichtweise und der Persönlichkeit. Deshalb ist es wichtig, dass junge Eltern ihre eigenen Erfahrungen machen.
Doch den unerfahrenen Eltern käme guter Rat eigentlich ganz gelegen. Unterstützung durch erfahrene Eltern kann sehr hilfreich sein. Dennoch geht diese gutgemeinte Hilfestellung oft daneben. Wieso ist das so?
Wird ein Baby geboren, so gerät das bisherige familiäre Gefüge in Bewegung. Die Rollen werden neu besetzt und jedes Familienmitglied muss seine neue Position finden. Ein Kind ändert nicht nur das Leben der Eltern, sondern auch das der frischgebackenen Grosseltern. Die Generationen verschieben sich, die Eltern werden zu Grosseltern. Ihre Kinder sind jetzt selber Eltern, bleiben aber trotzdem ihre Kinder. Die Kinder, die jetzt Eltern sind, tragen mit der Geburt eines Kindes plötzlich mehr Verantwortung, werden erwachsener.
Ein neues Familienmitglied bringt die Familie näher zusammen. Sind die Erwachsenen früher mehr oder weniger ihre eigenen Wege gegangen, so bekommt der Begriff Familie jetzt eine tiefere Bedeutung. Und zu guter Letzt möchte nicht nur eine Oma, sondern meist gleich zwei ihre guten Ratschläge anbringen. Dass das oft nicht ganz ohne Konflikte und dicke Luft über die Bühne geht, ist nachvollziehbar.
Die Einmischung von Verwandten oder Aussenstehenden in die Kinderpflege und die Erziehung ist vor allem für viele Mütter eine hoch emotionale Angelegenheit. Väter stören sich meist nicht so daran und sehen das lockerer. Der Grund dafür ist, dass viele Frauen während der Familienphase den grössten Teil ihres Selbstwertgefühls aus ihrer neuen Rolle als Mutter beziehen. Werden sie kritisiert oder bevormundet, reagieren sie darauf deshalb sehr emotional. Vor allem, wenn die eigene Mutter ihr Enkelkind mehr als erwünscht umsorgt. Besorgte Omas können junge Mütter zur Verzweiflung bringen.
Hier schwingt nämlich zudem noch das Verhältnis zu den eigenen Eltern mit. Die Töchter fühlen sich bevormundet, da sie in ihrem Verhalten kritisiert werden wie kleine Kinder. Nun sind sie aber selber Eltern und haben selber Kinder. Mit dem Eintritt oder der Einmischung der Eltern in das eigene Leben tauchen dann oft Gefühle auf, die man nicht auf Anhieb einordnen kann und welche verwirrend sein können.
Denn Eltern-Kind-Beziehungen sind komplex und gekennzeichnet von den Ereignissen der Vergangenheit, sowohl von den guten wie auch den schlechten. Diese Beziehung ist während der Kindheit sehr unausgeglichen. Die Kinder sind den Erwachsenen unterlegen und von ihnen abhängig. Die Eltern wiederum haben eine enorme Verantwortung zu tragen. Erst mit dem Heranwachsen der Kinder und der Ablösung von den Eltern gleicht sich die Art der Beziehung allmählich an und die Erwachsenen finden sich im Idealfall auf Augenhöhe wieder.
Trotzdem ist die Beziehung mit den eigenen Eltern für viele junge Eltern eine Herausforderung. Beide Seiten, (Gross-)Eltern wie erwachsene Kinder, halten oftmals an überholten Beziehungsmustern fest, weil sie schmerzliche Gefühle vermeiden wollen.
Hier hilft nur Klarheit und eine grosse Portion Gelassenheit und Verständnis, und zwar von beiden Seiten. Es braucht Zeit, bis alle Mitglieder ihren neuen Platz in der Familie gefunden haben und ihre Rolle so spielen, dass alle damit gut zurecht kommen. Junge Eltern müssen erst herausfinden, wie viel Unterstützung und Rat sie wünschen und brauchen. Und Grosseltern müssen vorerst abwartend zur Seite stehen und ihre Hilfe dann anbieten, wenn Sie gewünscht wird. Das ist für beide Seiten nicht immer einfach.
Junge Eltern sollten sich zudem bewusst sein, dass auch die „Grosselternschaft“ etwas ganz Besonderes ist. Grosseltern möchten teilhaben am neuen Familienglück. Einmischung ist nämlich auch Ausdruck von Interesse. Die meisten Grosseltern möchten ihre Kinder nicht bevormunden, sondern sind einfach besorgt um ihr Enkelkind und meinen es wirklich nur gut. Junge Mütter müssen akzeptieren, dass die Rolle der Grosseltern schlichtweg eine andere ist, als die der Eltern. Sie müssen nicht per se die gleichen Erziehungsmassstäbe setzen, dürfen auch mal toleranter sein, oder auch mal strenger.
Ganz wichtig ist, dass bei ungefragten Ratschlägen oder unerwünschter Einmischung schnell Klarheit geschaffen wird, bevor die Situation eskaliert. Wenn junge Eltern trotz Unsicherheit selber lernen und entscheiden wollen, welchen Erziehungsweg sie einschreiten, dann müssen sie dies klar kommunizieren und ihre jeweiligen Wünsche anbringen. Das ist zwar nicht der Weg des geringsten Widerstands, aber der emotionale Aufwand wird sich lohnen, denn eine liebevolle und unkomplizierte Beziehung von Grosseltern und Enkel ist von unschätzbarem Wert.