Trödeln - Wenn alles eine Ewigkeit dauert
Es gibt Kinder – und nicht einmal so wenige – die brauchen für gewisse Tätigkeiten eine gefühlte Ewigkeit. Sie ziehen sich in Zeitlupe an, träumen beim Essen vor sich hin, brauchen ewig für den Heimweg von der Kita oder erledigen Aufgaben im Schneckentempo. Vor allem am Morgen, wenn die ganze Familie unter Zeitdruck steht, bringt dies Eltern oft fast zum Verzweifeln und es wird für alle ein stressiger Start in den Tag.
Um es vorweg zu nehmen: Trödeln, bummeln oder auf Schweizerdeutsch „schnäggle, tämpele oder gänggälä“ ist bei Kindern bis ins Schulalter absolut normal und altersgerecht.
Das Zeitgefühl von Kleinkindern
Kinder haben in den ersten Lebensjahren alle Zeit der Welt. Während für uns Erwachsene die Uhr ständig tickt, scheint für Kinder die Zeit nicht zu existieren. Sie haben keine Vorstellung davon, wie lange 5 Minuten oder eine Stunde sind. Mit solchen abstrakten Zeitbegriffen können sich noch nichts anfangen.
Das Gefühl für Zeit kann man beim Kind nicht trainieren. Es bildet sich mit seinen Alltagserfahrungen und der kognitiven Reifung. Aus diesem mangelnden Zeitgefühl heraus verstehen Kinder auch den Sinn und die Notwendigkeit der Hetze und des Beeilens nicht. Wenn Eltern sich dies bewusst machen, können Sie ihrem trödelnden Kind mit etwas mehr Gelassenheit und Verständnis begegnen.
Wie bleibe ich gelassen?
Die wichtigste Zutat für den Umgang mit trödelnden Kindern ist Gelassenheit.
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Trödeln als Strategie?
Die meisten Kinder trödeln nicht mit Absicht. Kinder leben im Hier und Jetzt und haben die Gabe, sich komplett in ihr Spiel oder eine andere Sache zu vertiefen. Was von Erwachsenen als Trödeln angesehen wird, ist für Kinder oft nur ein Versunkensein im Spiel.
Dann gibt es aber auch Kinder, die ganz gezielt trödeln, weil das gewisse Vorteile für sie haben kann. Sie erhalten damit mehr Aufmerksamkeit (weil ihnen alles wiederholt gesagt wird) oder sie können damit einer unangenehmen Sache aus dem Weg gehen (Zimmer aufräumen). Die Erwachsenen nehmen ihrem Kind schnell einmal eine Arbeit ab, damit es schneller fertig ist. Das Kind hat somit mit seiner Strategie Erfolg. Wenn es gezielt trödelt, wird ihm geholfen.
Das hilft, wenn ein Kind trödelt
Mehr Zeit einplanen: Wer von Anfang an genug Zeit einplant, gerät weniger schnell in Stresssituationen und geht gelassener durch den Tag. Strukturieren Sie Ihren Tag nicht im Minutentakt durch, sondern planen Sie Pufferzeiten ein, damit es auch einmal etwas länger dauern kann.
Feste Abläufe einführen: Führen Sie im Alltag feste Abläufe ein. Das gibt Ihrem Kind Sicherheit und Orientierung. Vor allem am Morgen und Abend können Rituale helfen, dass das Aufstehen oder Zubettgehen sich nicht ewig in die Länge zieht. Zuerst das Pyjama, dann Zähne putzen, dann aufs WC, dann Geschichte vorlesen.
Planen und Vorbereiten: Bereiten Sie alles vor, was sich vorbereiten lässt. Legen Sie die Kleider schon am Vorabend bereit und besprechen Sie das Outfit allenfalls mit dem Kind. So vermeiden Sie unnötige Diskussionen am frühen Morgen.
Einzelaufgaben stellen: Teilen Sie die Tätigkeiten, die Ihr Kind erledigen muss, in überschaubare Einzelaufgaben ein. Ein kleines Kind ist mit der Aufforderung: „Mach dich jetzt parat!“ schlichtweg überfordert. Nennen Sie die Schritte einzeln beim Namen (Pyjama ausziehen, Kleider anziehen) und erteilen Sie die nächste Aufgabe erst, wenn die vorherige erledigt ist.
Vorbild sein: Gehen Sie mit guten Beispiel voran und erledigen Sie Ihre Aufgaben ruhig und gelassen. Versuchen Sie nicht, in der Hektik zeitgleich noch hundert andere Sachen zu erledigen, während Sie auf das Kind warten.
Ständiges Ermahnen: In der Hektik des Alltags hat das Trödeln der Kinder vor allem am Morgen meist keinen Platz. Die Erwachsenen versuchen dann, ihr Kind durch ständige und wiederholte Ermahnungen anzutreiben. Dieses Gefühl, alles hundertmal sagen zu müssen, bis das Kind in die Gänge kommt, kann manchmal zermürbend sein. Vermeiden Sie solche Wiederholungen! Denn ein Kind ist durch zu viele und zu häufige Anweisungen schnell überfordert. Oft wird es dadurch sogar noch langsamer oder schaltet ganz auf stur.
Zeitlimiten setzen: Setzen Sie Zeitfenster für gewisse Einzelaufgaben. Dies können Sie mit einer simplen Eieruhr oder einer Sanduhr kontrollieren. So hat das Kind z.B. so lange Zeit, sich anzuziehen, bis der Sand durchgerieselt ist. Dieser kleine Wettkampf gegen die Sanduhr spornt an.
Vorfreude wecken: Vor allem auf Spaziergängen, wenn das Kind nur schleppend voran kommt, kann die Vorfreude auf das nächste Ziel (Bach, in den man Steine werfen kann) sehr motivieren.
Ablenken von der Aufgabe: Bei langweiligen und unangenehmen Aufgaben wie Zähne putzen oder aufräumen kann Ablenkung hilfreich sein. Singen Sie gemeinsam ein Lied oder erzählen sich Geschichten. Dann hat man die Aufgabe erledigt, ehe man sich's versieht.
Konsequenzen folgen lassen:Wenn gar nichts mehr geht, darf das Kind auch mal spüren, was es verpasst, wenn es trödelt. Dann muss es eben im Pyjama in den Kindergarten oder die Zeit reicht nicht mehr, um auf den Spielplatz spielen zu gehen.
Zeitinseln schaffen: Verplanen Sie nicht den ganzen Tag, sondern achten Sie darauf, dass es auch Zeiten gibt, zu denen das Kind tun und lassen darf, was es will. Einfach mal ohne Zeitdruck in den Tag hinein leben dürfen, ist wichtig.