Ist Ihr Kind in der Trotz­pha­se?

War­um die Trotz­pha­se wich­tig ist und wie Sie als El­tern dar­auf re­agie­ren soll­ten.

Kind mit einem Trotzanfall
©
GettyImages

Wenn ein klei­nes Kind aus hei­te­rem Him­mel in Wut ge­rät, um sich schlägt und sich auf dem Fuss­bo­den wälzt, ste­hen Er­wach­se­ne meist ziem­lich rat- und hilf­los da­ne­ben. Wo­her kom­men die­se star­ken Ge­füh­le? War­um ma­chen sie sich selbst beim fried­lichs­ten Kind auf die eine oder an­de­re Wei­se be­merk­bar? Und wie kom­men Sie gut durch die­se her­aus­for­dern­de Pha­se? 

War­um ha­ben Kin­der eine Trotz­pha­se?


Beim be­rühmt-be­rüch­tig­ten Trotz­al­ter han­delt es sich um eine Au­to­no­mie­pha­se, also ein ers­tes Ab­lö­sen von den El­tern. Im Al­ter von 1,5 bis 2 Jah­ren be­ginnt das Kind, sich als ei­gen­stän­di­ge Per­sön­lich­keit wahr­zu­neh­men und sei­nen ei­ge­nen Wil­len zu ent­wi­ckeln. Es er­kennt sich im Spie­gel und re­det ver­mehrt in der ers­ten Per­son von sich. Sei­ne mo­to­ri­schen Fä­hig­kei­ten sind so weit ent­wi­ckelt, dass es vie­le Din­ge sel­ber in An­griff neh­men kann. "Sel­ber" und "al­lei­ne" sind denn auch zwei Wör­ter, die es im­mer öf­ter sagt, wenn Er­wach­se­ne ihm hel­fen wol­len. 

In die­ser Ent­wick­lungs­pha­se möch­te das Kind sich sei­ne klei­ne Welt er­obern und sei­ne ei­ge­nen Wege ge­hen. Da­bei stösst es je­doch im­mer wie­der an Gren­zen: Weil es eine Sa­che doch noch nicht so gut kann, wie es sie kön­nen möch­te. Weil die El­tern an­de­re Plä­ne ha­ben und es an sei­nem Vor­ha­ben hin­dern. Oder weil sie pa­nisch "Stopp!" ru­fen, wenn es eine un­glaub­lich span­nen­de Sa­che mal et­was ge­nau­er un­ter­su­chen möch­te. 

Die Span­nung zwi­schen dem, was es will und dem, was es kann und darf, löst beim Kind zu­wei­len tie­fe Ver­zweif­lung und Wut aus. Die­se Ge­füh­le kann es noch nicht ein­ord­nen und es ist auch nicht in der Lage, sei­nen Frust mit Wor­ten aus­zu­drü­cken. So kommt es zu Wut­an­fäl­len, die je nach Tem­pe­ra­ment des Kin­des sehr hef­tig sein kön­nen. Erst mit der Zeit lernt es, we­ni­ger auf­brau­send auf Frus­t­er­leb­nis­se zu re­agie­ren. Im Al­ter von etwa 4 Jah­ren ist die her­aus­for­dern­de Pha­se meis­tens durch­ge­stan­den. 

Aus­lö­ser, die hin­ter Wut­an­fäl­len ste­cken kön­nen


Zu­wei­len fühlt es sich so an, als wür­den die Wut­an­fäl­le ohne jeg­li­chen An­lass über das Kind her­ein­bre­chen. Dann wie­der gibt es Ge­le­gen­hei­ten, bei de­nen es im­mer wie­der zu ei­nem Aus­bruch kommt, so­dass Sie schon mit An­span­nung an die Si­tua­ti­on her­an­ge­hen.

Ob Sie nun vom Wut­an­fall über­rascht wur­den oder ihn schon mit Ban­gen er­war­tet ha­ben –  Ruhe zu be­wah­ren und zu über­le­gen, was denn der Grund da­für sein könn­te, ist in der Hit­ze des Ge­fechts meist schwie­rig. Erst wenn Sie mit et­was Di­stanz auf die Epi­so­de zu­rück­bli­cken, er­ken­nen Sie, dass es aus Sicht des Kin­des durch­aus gute Grün­de gab, die Fas­sung zu ver­lie­ren. Hier drei Bei­spie­le, die in vie­len Fa­mi­li­en für Stress sor­gen:

  • Das Kind wird aus dem Spiel ge­ris­sen: Sie sit­zen im Kaf­fee, Ihr Kind baut in der Spiel­ecke fried­lich ei­nen Turm, als Ih­nen ein­fällt, dass in zehn Mi­nu­ten der Bus fährt. Sie be­zah­len die Rech­nung, wol­len Ihr Kind bei der Hand neh­men und ge­hen – und schon ha­ben Sie ihn, den ge­fürch­te­ten Tob­suchts­an­fall in der Öf­fent­lich­keit. Ihr Kind will jetzt näm­lich nicht zur Bus­hal­te­stel­le ei­len, son­dern sei­nen schö­nen Turm so hoch wie mög­lich bau­en. Wenn  ein Kind in eine Sa­che ver­tieft ist, ver­gisst es al­les um sich her­um; was die Er­wach­se­nen wol­len, in­ter­es­siert es nicht. Wird es nun ohne Vor­ankün­di­gung aus sei­ner Tä­tig­keit ge­ris­sen, leis­tet es ver­ständ­li­cher­wei­se Wi­der­stand. Um dies zu ver­mei­den, soll­ten Sie es früh­zei­tig dar­auf auf­merk­sam ma­chen, dass es mit sei­nem Spiel zu ei­nem Ende kom­men muss. 

  • Das Kind kennt noch kei­nen Zeit­druck: In der Au­to­no­mie­pha­se kommt es re­gel­mäs­sig zur glei­chen Aus­ein­an­der­set­zung: Sie ha­ben ei­nen Ter­min, den Sie un­be­dingt ein­hal­ten müs­sen, doch Ihr Kind be­steht dar­auf, sich in al­ler Ruhe selb­stän­dig an­zu­zie­hen. Je mehr Sie auf Eile drän­gen, umso lang­sa­mer macht es vor­wärts – und wenn Sie ihm ir­gend­wann ent­nervt den Pul­li über­zie­hen, en­det das Gan­ze in Wut und Trä­nen. Ihr Kind wi­der­setzt sich nicht aus Trotz, es hat schlicht und ein­fach noch kein Zeit­ge­fühl. War­um das selb­stän­di­ge An­zie­hen, für das es sonst so viel Lob be­kommt, heu­te auf ein­mal falsch sein soll, kann es nicht ver­ste­hen. Da­mit die Si­tua­ti­on beim nächs­ten Mal nicht wie­der es­ka­liert, pla­nen Sie mehr Zeit für das Be­reit­ma­chen ein. Er­klä­ren Sie Ih­rem Kind, wo­hin Sie ge­hen wer­den und was es dort er­war­tet. Viel­leicht kön­nen Sie ihm auch et­was Span­nen­des in Aus­sicht stel­len, das es zum Vor­wärts­ma­chen mo­ti­viert.

  • Das Kind fühlt sich in sei­ner Neu­gier­de ein­ge­schränkt: Die Welt ist vol­ler span­nen­der Din­ge und Ihr Kind hat ei­nen un­bän­di­gen Drang, die­se zu er­for­schen. Es denkt da­bei we­der an Ge­fah­ren noch dar­an, dass die Din­ge ka­putt­ge­hen kön­nen, wenn man sich zu ein­ge­hend mit ih­nen be­schäf­tigt. Ihr «Nein» emp­fin­det es da­her als un­nö­ti­ge Be­gren­zung sei­ner Neu­gier­de, auf die es mit Wut re­agiert. Um Ihr Kind auf sei­nen Ent­de­ckungs­tou­ren nur so­weit als nö­tig ein­zu­schrän­ken, soll­ten Sie die Ge­fah­ren be­sei­ti­gen, die es noch nicht be­wäl­ti­gen kann. Die Din­ge, mit de­nen Sie han­tie­ren, fin­det es be­son­ders in­ter­es­sant. Las­sen Sie es dar­um wo im­mer mög­lich mit­hel­fen. Und be­stimmt fin­den Sie im Kel­ler oder im Bro­cken­haus ein paar in­ter­es­san­te Ge­gen­stän­de, die es so aus­gie­big er­for­schen darf, bis sie in alle Ein­zel­tei­le zer­legt sind. 

Wie El­tern auf ei­nen Trotz­an­fall an­ge­mes­sen re­agie­ren kön­nen


Als El­tern sind Sie kei­ne un­be­tei­lig­ten Be­ob­ach­ter, Sie ste­cken in die­ser ge­fühls­in­ten­si­ven Pha­se mit­ten­drin und müs­sen sel­ber viel Neu­es ler­nen. Wut­an­fäl­le sind oft schwer aus­zu­hal­ten – selbst dann, wenn Sie sehr gut ver­ste­hen, war­um Ihr Kind die Fas­sung ver­liert. Und Sie sel­ber sind ja auch nicht im­mer in der Ver­fas­sung, jede Lau­ne ge­dul­dig zu er­tra­gen. Da­mit die Si­tua­ti­on nicht es­ka­liert, emp­feh­len Fach­leu­te fol­gen­des Vor­ge­hen:

  • Kein Ab­war­ten: Re­agie­ren Sie un­ver­züg­lich und für das Kind nach­voll­zieh­bar. Wenn Sie sich pro­vo­zie­ren las­sen, bis der Ge­dulds­fa­den reisst, ist es schon zu spät.

  • Kei­ne Er­klä­rung: Fra­gen Sie Ihr Kind jetzt noch nicht, war­um es so re­agiert. Im er­reg­ten Zu­stand kann es nicht ver­nünf­tig ant­wor­ten.

  • Ab­küh­lung: Un­ter­bre­chen Sie die Si­tua­ti­on. Ge­hen Sie (an­ge­kün­digt) aus dem Zim­mer und ge­ben Sie Ih­rem Kind Zeit, sich ab­zu­re­agie­ren.

  • Auf­ar­bei­tung: Nach­dem Ihr Kind sei­ne Wut aus­ge­las­sen hat und wie­der ru­hig ge­wor­den ist, ver­su­chen Sie die Hin­ter­grün­de zu klä­ren. Auf die Fra­ge "Was hat dich so wü­tend ge­macht?" kön­nen auch schon Klein­kin­der eine Ant­wort ge­ben. Ver­su­chen Sie dann ge­mein­sam eine Lö­sung für sol­che Si­tua­tio­nen zu fin­den. 

Kommt es sehr häu­fig zu Wut­an­fäl­len, kann es hilf­reich sein, wenn Sie sich mit Ih­rem Kind über­le­gen, wie es bes­ser mit dem mäch­ti­gen Ge­fühl um­ge­hen kann. Viel­leicht hilft es ihm, wenn es ei­nen Ort hat, an dem es die Wut raus­las­sen kann, zum Bei­spiel eine Ecke im Zim­mer, in der mit Kis­sen schmeis­sen und sich aus­to­ben darf. Man­che Kin­der spre­chen auch gut dar­auf an, sich die Wut als Per­son oder Tier vor­zu­stel­len, die oder das sie an­brül­len und weg­schi­cken kön­nen.

Was hilft El­tern, bes­ser durch die Trotz­pha­se zu kom­men?


Die meis­ten El­tern emp­fin­den die Trotz­pha­se als äus­serst her­aus­for­dernd. Da ist das sonst so lie­be Kind, das auf ein­mal mit Be­schimp­fun­gen wie «blö­der Papa» und «dum­me Mama» um sich wirft. Da sind Ver­wand­te, Be­kann­te und Frem­de auf der Stras­se, die un­ge­fragt Rat­schlä­ge er­tei­len und sich aus­ge­rech­net im schwie­rigs­ten Au­gen­blick ein­mi­schen. Und da ist all­zu oft das Ge­fühl, ver­sagt zu ha­ben, weil es halt nicht im­mer ge­lin­gen kann, ru­hig und ge­dul­dig zu blei­ben, wenn sich der Nach­wuchs schrei­end auf dem Bo­den wälzt und um sich schlägt. Da­mit Sie bes­ser durch die­se Pha­se kom­men, soll­ten Sie sich ei­ni­ge Din­ge im­mer wie­der in Er­in­ne­rung ru­fen:

  • Sie müs­sen trot­zi­ges Ver­hal­ten nicht un­ter­bin­den, son­dern ei­nen Weg fin­den, wie Sie alle gut da­mit um­ge­hen kön­nen. Wi­der­stand und Trotz sind Teil ei­ner wich­ti­gen Ent­wick­lungs­pha­se

  • Trotz­an­fäl­le sind nicht ge­gen Sie per­sön­lich ge­rich­tet – auch dann nicht, wenn Ihr Kind sei­ne Wut an Ih­nen aus­lässt. 

  • Das Kind trotzt nicht, um Sie zu pro­vo­zie­ren oder um Sie zu är­gern, es will Sie auch nicht ty­ran­ni­sie­ren. Sie müs­sen es da­her nicht mit Stra­fen «auf den rich­ti­gen Weg zu­rück­brin­gen». 

  • Ihr Kind ist da­bei, sei­nen ei­ge­nen Wil­len zu ent­de­cken, es muss aber auch er­fah­ren, dass die­sem Gren­zen ge­setzt sind. Lernt es, dass es nur laut ge­nug schrei­en muss, um zu be­kom­men, was es will, wird es die­se Stra­te­gie im­mer wie­der an­wen­den.

  • Das «Nein» ver­liert sei­ne Wir­kung, wenn es all­zu oft ein­ge­setzt wird. We­ni­ge, kla­re Re­geln und ver­ständ­li­che Kon­se­quen­zen bie­ten Ih­rem Kind Ori­en­tie­rung. Da­ne­ben braucht es aber auch Frei­räu­me, in de­nen es mit­ent­schei­den und sei­ne Fä­hig­kei­ten ent­fal­ten darf und er­lebt, wie viel es schon kann.

  • Auch El­tern dür­fen wü­tend wer­den und Feh­ler ma­chen. Na­tür­lich soll­ten Sie Ihre Wut nie am Kind aus­las­sen, Sie dür­fen je­doch un­ge­niert auch mal zor­nig auf­stamp­fen, wenn Ih­nen al­les zu viel wird. Wa­ren Sie in der Hit­ze des Ge­fechts un­ge­recht, ist es wich­tig, dass Sie sich bei Ih­rem Kind ent­schul­di­gen. 

  • Ne­ben den hef­ti­gen Wut­an­fäl­len gibt es im All­tag mit ei­nem Klein­kind auch un­zäh­li­ge schö­ne Au­gen­bli­cke. Ver­lie­ren Sie die­se nicht aus den Au­gen; sie sind ge­nau­so wich­tig wie die Mo­men­te, in de­nen Ihr Kind die Gren­zen sei­nes Wil­len aus­tes­tet.

Letzte Aktualisierung: 27.04.2023, TV / JL

Mehr zum The­ma

Ak­tu­el­les

kurz&bündigkurz&bündig
9/1/2023
Menstruationstassen, Damenbinden und Tampons vor blauem Hintergrund

Mens­trua­ti­ons­pro­duk­te sind oft we­ni­ger saug­fä­hig als an­ge­ge­ben

Bin­den, Tam­pons und Pe­ri­oden­hös­chen kön­nen oft we­ni­ger Blut auf­neh­men, als auf der Ver­pa­ckung an­ge­ge­ben. Dies hat eine …

Neu­es­te Ar­ti­kel

Unsere Partner