10 Empfehlungen aus der Kinderarztpraxis
Wie sinnvoll bestimmt Untersuchungen und Behandlungen typischer Krankheiten bei Babys und Kindern sind.
Pädiatrie Schweiz, die Fachgesellschaft der Schweizer Kinderärztinnen und Kinderärzte, setzt sich dafür ein, dass eine Untersuchung oder Behandlung nur dann angewendet wird, wenn sie dem Kind tatsächlich etwas bringt. Manchmal ist Geduld besser als Behandeln.
Untersuchung bei Verstauchung des Sprunggelenkes
Kein Röntgenbild bei Kindern mit einer Verstauchung oder Umknickverletzung des Fussgelenks und bei niedrigem Risiko für eine Fraktur.
Das Risiko eines therapiebedürftigen Knochenbruchs ist bei Kindern bei einer Umknickverletzung oder Verstauchung des Sprunggelenks niedrig. Zeigen sich in der Untersuchung nur eine Schwellung und ein Druckschmerz im Bereich des Aussenknöchels und dessen Weichteilen inklusive Bänder, sollte auf ein Röntgenbild verzichtet werden. Dabei werden keine relevanten Knochenbrüche übersehen, die eine spezielle Therapie zur Heilung benötigen, und eine unnötige Strahlenbelastung kann vermieden werden.
Das können Sie als Eltern tun:
Legen Sie kalte Kompressen und eventuell einen Verband an.
Halten Sie das Gelenk ruhig. Das Kind soll sich aber den Schmerzen entsprechend bewegen.
Verabreichen Sie entzündungshemmende Schmerzmittel (z.B. Ibuprofen).
Bei fehlender Besserung nach 10 bis 14 Tagen sollten Sie den Kinderarzt informieren.
Untersuchung bei chronischer Müdigkeit und Borreliose
Kein Bluttest auf Borrelien ohne Verdacht auf eine Lymeborreliose.
Bluttests auf Lymeborreliose bei chronischer Müdigkeit sind nicht hilfreich. Chronische Müdigkeit ist ein komplexes Symptom, das aus verschiedenen biologischen, psychologischen oder umweltbedingten Ursachen resultieren kann. Bluttests auf Lymeborreliose können falsch positive oder mehrdeutige Ergebnisse erzeugen, da sie nicht zwischen einer vergangenen oder aktiven Infektion oder lediglich einem Kontakt mit dem Bakterium unterscheiden. Auf ein Borreliose-Bluttest soll verzichtet werden, ausser es bestehen weitere Hinweise auf eine aktive Infektion.
Die Beurteilung der chronischen Müdigkeit soll einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und mehrere mögliche Faktoren berücksichtigen.
Das können Sie als Eltern tun:
Bei ausgeprägter anhaltender Müdigkeit können Sie dies mit Ihrem Kinderarzt besprechen, um mögliche körperliche und seelische Ursachen zu finden und eine entsprechende Behandlung einzuleiten.
Untersuchung bei Fieberkrampf
Keine Routineuntersuchungen für Kinder, die nach einem einfachen Fieberkrampf ihren üblichen Bewusstseinszustand wiedererlangt haben.
Auch wenn ein Fieberkrampf für Eltern eine sehr beunruhigende Situation ist, muss er nicht unbedingt eine Gefahr darstellen. Meistens ist er eine normale Reaktion des Körpers während einer Krankheit. Der Grossteil dieser Anfälle bleibt für das Kind folgenlos und es besteht kein Zusammenhang mit Fällen von Epilepsie oder Hirnanomalien.
Langwierige oder belastende Untersuchungen nach einem einfachen Fieberkrampf sollen dem Kind nicht zugemutet werden.
Das können Sie als Eltern tun:
Achten Sie auf ausreichende Ruhe und Flüssigkeitszufuhr.
Bei einem weiteren Fieberkrampf, der länger als 3 Minuten andauert, verabreichen Sie Ihrem Kind diejenigen Medikamente, welche sie vom Kinderarzt nach dem ersten Ereignis erhalten haben.
Bei einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes informieren Sie die Kinderärztin.
Untersuchung bei Angina
Keine Bluttests bei Kindern mit akuten Halsschmerzen.
Infektionen des Rachens und der Mandeln sind bei Kindern häufig. Diese werden meistens durch Viren ausgelöst und heilen innert weniger Tage von selbst. Antibiotika sind bei viralen Infektionen unwirksam. Eine bakterielle Angina ist selten und Antibiotika haben in der Regel weder einen Einfluss auf die Infektion, noch verhindern sie Komplikationen.
Es gibt aber Situationen, in denen die Kinderärztin eine antibiotische Therapie erwägt. Die Diagnose erfolgt dann durch die Untersuchungsbefunde und einen Abstrich. Blutuntersuchungen sind nicht hilfreich für den Therapieentscheid und somit unnötig.
Das können Sie als Eltern tun:
Bieten Sie Ihrem Kind Nahrungsmittel mit verschiedener Textur oder Temperatur an, um zu sehen, was es am ehesten essen mag.
Verabreichen Sie entzündungshemmende Medikamente (z.B. Ibuprofen).
Bei einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes informieren Sie den Kinderarzt.
Untersuchung und Behandlung bei Bronchiolitis
Keine routinemässigen Thorax-Röntgenbilder bei Kindern mit Bronchiolitis.
Die Bronchiolitis ist eine häufige Infektion der Lunge bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Ursache sind Viren. Die Krankheit beginnt mit einem Schnupfen, danach befällt die Infektion die kleinen Atemwege und die Kinder atmen schneller und husten. Sie sind müde, reizbar und mögen weder trinken noch essen. In den meisten Fällen erholen sich die Kinder innert 7 bis 10 Tagen.
In diesen Fällen sollten keine Röntgenbilder der Lunge gemacht werden. Für die Diagnose sind sie unnötig für und haben für die betroffenen Kinder nur Nachteile: Sie führen zu einer Strahlenbelastung und zu vermehrter unnötiger Behandlung mit Antibiotika. Lungenröntgenbilder sind nur in den seltenen Fällen von schwerer Bronchiolitis sinnvoll.
Das können Sie als Eltern tun:
Bei behinderter Nasenatmung können Sie die Nase des Kindes mit Kochsalzlösung oder abschwellenden Nasentropfen behandeln.
Achten Sie darauf, dass das Kind genug trinkt.
Geben Sie Ihrem Kind ein Medikament gegen Fieber und Schmerzen (z.B. Paracetamol).
Auch eine leichte Schräglage des Bettes mit erhöhtem Oberkörper kann die Atmung erleichtern.
Bei einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes informieren Sie die Kinderärztin.
Verwenden Sie bei Säuglingen mit einer Virusinfektion der kleinen Atemwege nicht routinemässig kortisonähnliche Medikamente oder Asthma-Medikamente!
Von einer Bronchiolitis sind vor allem Kinder unter 1 Jahr betroffen. Auch wenn die Atmung Ihres Kindes während einer Bronchiolitis ähnlich aussieht wie bei Asthma, helfen Asthma-Medikamente in dieser Situation nicht. Sie vermindern weder das Risiko, dass Ihr Kind ins Spital aufgenommen werden muss, noch verkürzen sie den Spitalaufenthalt. Die Inhalation mit Asthmamittel verbessert auch nicht den Sauerstoffgehalt im Blut und hat keinen Einfluss auf die Dauer der Erkrankung. Hingegen können diese Medikamente Nebenwirkungen haben wie Verschlechterung des Sauerstoffgehaltes, schneller Herzschlag oder Zittern.
Das können Sie als Eltern tun:
Befeuchten der Nase mit isotonischer Kochsalzlösung.
Lassen Sie Ihr Kind kleinere, dafür häufigere Portionen trinken.
Bieten Sie Ihrem Kind die nötige Ruhe und Zeit, die es braucht, um sich zu erholen.
Behandlung bei Brechdurchfall
Bei Kindern mit mittlerem oder grossem Flüssigkeitsverlust sollte die fehlende Flüssigkeit via Mund zugeführt werden.
Der Ersatz des Flüssigkeitsverlustes über den natürlichen Weg via Mund oder Magen ist ebenso wirksam wie die Gabe der Flüssigkeit über die Vene (Infusion) und hat weniger Nebenwirkungen. Bei ungenügender Trinkmenge wird im Spital eine feine Sonde via Nase und Speiseröhre in den Magen vorgeschoben und damit die Flüssigkeit zugeführt. Für eine Infusion muss ein feines Schläuchlein direkt in eine Vene eingelegt werden. Da die Venen durch den Flüssigkeitsmangel schlecht gefüllt sind, braucht es manchmal mehrere schmerzhafte Versuche. Studien haben gezeigt, dass ca. 95 Prozent aller Kinder mit Brechdurchfall erfolgreich via Mund oder Magen behandelt werden können.
Das können Sie als Eltern tun:
Einlöffeln oder schluckweise trinken von verdünntem Apfelsaft, Muttermilch oder anderen, dem Kind bekannten Getränken.
Versuchen Sie es auch mit rezeptfrei erhältlichen Elektrolytlösungen.
Behandlung bei Ohrentzündung
Eine akute Mittelohrentzündung bei Kindern sollte nicht routinemässig mit einem Antibiotikum behandelt werden.
Eine Mittelohrentzündung (Otitis media) ist häufig die Folge einer Virus-Erkrankung und bedarf keiner Therapie mit einem Antibiotikum. Der unnötige Einsatz von Antibiotika führt zu verschiedenen unerwünschten Nebenwirkungen wie Allergien, Resistenzbildung, Durchfall oder anderen Komplikationen. Viele Mittelohrentzündungen heilen im Verlauf selbst ab.
Das können Sie als Eltern tun:
Verabreichen Sie entzündungshemmenden Schmerzmitteln (z. B. Ibuprofen).
Nasenpflege mit isotonischer Kochsalzlösung
Bei fehlender Besserung nach 2 bis 3 Tagen informieren Sie den Kinderarzt.
Behandlung bei Husten
Geben Sie Ihrem Kind keine Hustenmedikamente!
Husten ist im Allgemeinen ein normaler Abwehrmechanismus des Körpers. Pflanzliche und chemische Hustenmedikamente sind gegen Erkältungen nicht wirksam und können gefährlich sein. Sie bestehen häufig aus mehreren Wirkstoffen, die zusammen mit anderen Medikamenten zu einer Überdosierung führen können.
Das können Sie als Eltern tun:
Ist Ihr Kind über 12 Monate alt, geben Sie ihm einen Löffel Honig (auch im Tee möglich).
Vermeiden Sie Tabakrauch.
Sorgen Sie für ein gutes Raumklima (Luftfeuchtigkeit 50 bis 60 %, Zimmertemperatur 18 °C.)
Lagern Sie den Oberkörper hoch.
Behandlung bei Speien
Verabreichen Sie keine Säureblocker zur Behandlung des Rückflusses von Mageninhalt bei Säuglingen!
Der Rückfluss von Mageninhalt im Säuglingsalter ist ein normaler Vorgang, die Hälfte aller Säuglinge hat einen Rückfluss. Dieser beginnt im Verlauf des 1. Lebensmonats mit einem Höhepunkt im Alter von 4 bis 5 Monaten. Unter anderem durch das noch nicht ausgereifte Verdauungssystem geben die Babys einen Teil ihrer Mahlzeiten wieder raus. Die Unterdrückung der Magensäureproduktion verbessert weder unerklärliches Schreien noch Aufstossen. Der Einsatz von Säureblockern kann schädlich sein und häufigere Infektionen der Atemwege, Veränderungen der Darmflora und eine Schwächung der Knochen bewirken. Bei schwallartigem Erbrechen, unstillbarem Schreien oder ungenügender Gewichtszunahme soll das Kind ärztlich untersucht werden.
Das können Sie als Eltern tun:
Aufrechte Position nach dem Füttern.
Häufige kleinere Still- oder Schoppenmahlzeiten.