Meine Grossmutter sagt, früher waren Kinder mit einem Jahr trocken. Kann das stimmen?
Stoffwindeln zu waschen war eine aufwendige Angelegenheit, als noch nicht jeder Haushalt über eine leistungsstarke Waschmaschine verfügte. Und die damals verfügbaren Windeln waren deutlich komplizierter in der Handhabung als moderne Stoffwindeln. Kein Wunder also, dass frühere Generationen grossen Wert auf eine frühe Sauberkeitserziehung legten. Die Kinder wurden regelmässig aufs Töpfchen gesetzt und oftmals auch bestraft, wenn etwas daneben ging. Die Zürcher Longitudinalstudien von Remo Largo konnten jedoch keinen Vorteil der damals üblichen strengen Sauberkeitserziehung nachweisen: Die Kinder wurden nicht früher trocken als diejenigen, die erst aufs Töpfchen gesetzt wurden, wenn sie ein Interesse daran bekundeten.
Die allermeisten Eltern entscheiden sich heute dafür, mit Wegwerfwindeln zu wickeln und ab dem Alter von ca. zwei Jahren allmählich mit dem Toilettentraining anzufangen - je nachdem, wann das Kind mit seiner Körperhaltung oder mit Worten mitteilen kann, dass es den Darm oder die Blase entleeren muss. Bei den meisten ist dies etwa im Alter von 18 bis 36 Monaten der Fall. Am Vorbild von Eltern und grösseren Geschwistern lernen Kleinkinder am besten, wie das mit dem Toilettengang funktioniert. Ein standfestes Töpfchen, ein Toilettensitz mit Leiter sowie Kleidung, die sich leicht aus- und wieder anziehen lässt, sind ebenfalls hilfreich.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das Baby schon von Anfang an über einem Töpfchen abzuhalten und ganz oder teilweise auf die Windel zu verzichten. Dieser Ansatz hat jedoch nichts mit der strengen Sauberkeitserziehung aus Urgrossmutters Zeiten gemein. Es geht vielmehr darum, dass die Eltern verstehen lernen, was das Neugeborene ihnen mitteilen will und entsprechend darauf zu reagieren. Wenige Augenblicke, bevor es Urin oder Kot ausscheidet, gibt es dies nämlich mit seiner Mimik, mit Lauten oder Bewegungen bekannt. Diese Signale verlieren sich allerdings nach einigen Monaten, wenn die Eltern nicht darauf reagieren, indem sie das Baby abhalten.